Alle gegen Joe Biden
Für viele demokratische Präsidentschaftskandidaten geht es in der ersten TV-Debatte schon um alles.
Einer von ihnen ist ein Unternehmer, der im Wahlkampf als 3-D-Hologramm an mehreren Orten gleichzeitig auftreten will. Eine andere hat spirituelle Ratgeber geschrieben und ein Buch über eine besonders wirksame Diät. Ein weiterer sass mal im Kongress und ist inzwischen schon zwei Jahre als Präsidentschaftskandidat unterwegs, ohne dass es jemand gross bemerkt hätte. Andrew Yang, Marianne Williamson und John Delaney sind drei der zwanzig demokratischen Bewerber, die sich für die erste TV-Debatte der Partei qualifiziert haben. An diesem Mittwoch und am Donnerstag werden sie die Gelegenheit haben, sich in Miami neben all die anderen Kandidaten zu stellen, die auch tatsächlich eine Chance haben, von den Demokraten als Gegenkandidat zu US-Präsident Donald Trump nominiert zu werden.
Dass solche Leute überhaupt eine Einladung nach Florida erhalten haben, ist dem Format geschuldet, das die Parteiführung im Vorfeld festgelegt hatte: Jeder Kandidat, der in den Umfragen auf mindestens ein Prozent Zustimmung kommt oder 65'000 unterschiedliche Geldgeber vorweisen kann, bekommt einen Platz auf der Bühne. Das sind tiefe Hürden. Das Resultat: zehn Kandidaten am Mittwoch, zehn weitere am Donnerstag, Dauer jeweils zwei Stunden. Mit einer «Debatte» im engeren Sinn wird die Veranstaltung also wenig zu tun haben, weil dafür nach den Fragen der Moderatoren des Senders NBC schlicht keine Zeit bleiben wird. Und doch könnte das Ereignis den weiteren Verlauf des Wahlkampfs prägen.
Viral gehen – Geld sammeln
Die meisten Amerikanerinnen und Amerikaner kennen zwar die Spitzenreiter der Partei – den früheren Vizepräsidenten Joe Biden, Senator Bernie Sanders, die Senatorinnen Elizabeth Warren und Kamala Harris. Doch viele der Kandidaten sind einem breiteren Publikum kaum bekannt. Das gilt nicht nur für den Hologrammwahlkämpfer und die Ratgeberautorin, sondern auch für einige der Bewerber, die sich zumindest zum jetzigen Zeitpunkt durchaus noch gewisse Chancen ausrechnen können: die Senatoren Cory Booker und Amy Klobuchar beispielsweise. Ihnen bieten die Debatten die Gelegenheit, sich erstmals Millionen von potenziellen Wählern zu zeigen, die am TV zuschauen werden.
Alle werden sie dabei versuchen, sich von ihren Konkurrenten auf irgendeine Weise abzuheben. Mit einem scharfen Angriff auf einen Mitstreiter, mit einer einstudierten Pointe (die natürlich nicht aussehen darf, als wäre sie einstudiert), vielleicht auch nur mit einem passenden Gesichtsausdruck, den die Kameras einfangen – Hauptsache, es ergibt sich daraus eine Sequenz, die in den sozialen Medien viral geht. Noch während die Debatte läuft, werden Kommentatoren und Spindoktoren darüber urteilen, wer sich gut schlägt und wer nicht. Im besten Fall übersetzt sich ein gelungener Auftritt in bessere Umfragewerte und, fast noch wichtiger: in neue Spenden für den weiteren Wahlkampf.
Favorit, 76 Jahre alt
Während Elizabeth Warren bei der ersten Debatte die einzige führende Demokratin auf der Bühne ist, kommt die zweite Debatte am Donnerstag prominenter daher. Mit Biden, Sanders, Harris und dem Jungpolitiker Pete Buttigieg stehen sich dort die meisten der jetzigen Favoriten gegenüber. Der Fokus wird dabei auf Biden liegen. Der 76-Jährige, der in allen Umfragen vorn liegt, absolvierte in seinem bisherigen Wahlkampf deutlich weniger Auftritte als seine Konkurrenten, parteiinternen Konfrontationen ging er aus dem Weg. Stattdessen redete er sehr oft nur über Trump – ganz so, als hätte er sich die Nomination der Demokraten längst gesichert. Für seine Rivalen bietet die Debatte also die seltene Möglichkeit, Biden direkt zu attackieren.
Wie das aussehen könnte, liess sich in den vergangenen Tagen erahnen. Nachdem Biden sich selbst für seine frühere Zusammenarbeit mit Politikern gelobt hatte, die ihrerseits Verfechter der Rassentrennung waren, wurde er von den Kandidaten afroamerikanischer Herkunft dafür kritisiert, kein Gespür zu haben. Zugenommen haben zuletzt auch die Angriffe auf Biden von Vertretern des linken Parteiflügels. Sie sind der Ansicht, dass Biden zu sehr einer angeblichen Politik der Mitte verpflichtet sei, die in Wirklichkeit bloss mächtigen Lobbygruppen diene.
Vielleicht gelingt er ja einem der Demokraten tatsächlich, der grosse Moment, der einen Kandidaten plötzlich hell strahlen lässt. Und sonst bleibt ihnen immer noch die nächste Debatte Ende Juli – sofern das Geld für den Wahlkampf bis dahin nicht schon ausgegangen ist.
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