Kandidat für EuropawahlSitzt dieser Häftling bald im EU-Parlament?
Fredi Beleri gehört der griechischen Minderheit in Albanien an. Er wurde wegen Stimmenkaufs verurteilt. Die Regierungspartei in Athen stellt ihn nun für die Europawahlen auf.
Für die albanische Justiz ist Fredi Beleri ein Verbrecher. Er soll kurz vor den Kommunalwahlen vor einem Jahr Stimmen gekauft haben für umgerechnet je 50 Franken. Als Angehöriger der griechischen Minderheit kandidierte der Lokalpolitiker für das Amt des Bürgermeisters von Himarë, einer Kleinstadt an der südalbanischen Riviera.
Zwei Tage vor dem Urnengang wurde Beleri verhaftet. Doch das führte nicht zu einem Meinungsumschwung bei den Wählerinnen und Wählern – im Gegenteil: Beleri erhielt die meisten Stimmen und wurde zum Bürgermeister bestimmt. Die albanische Justiz hat ihn inzwischen in erster Instanz zu zwei Jahren Haft verurteilt.
Mehr als eine Provinzposse
Man könnte diesen Zwischenfall als Provinzposse abtun, wenn Beleri in Griechenland nicht zum nationalen Märtyrer gemacht worden wäre, um Wähler am rechten Rand zu mobilisieren. Bald könnte der Häftling sogar im EU-Parlament sitzen. Denn die Regierungspartei Nea Dimokratia des konservativen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis hat Beleri für die Europawahl als Kandidaten nominiert.
Beleri ist überzeugt, dass ihn der albanische Ministerpräsident Edi Rama politisch ausschalten will, um einen eigenen Bewerber als Bürgermeister der Küstenstadt Himarë durchzusetzen. Danach, so die Unterstellung in der griechischen Presse und in Teilen der albanischen Opposition, könne Rama die besten Grundstücke an Vertraute, regierungsnahe Geschäftsleute oder dubiose Investoren verscherbeln.
Kürzlich wurde bekannt, dass der exzentrische Premierminister einem US-Bürger eine Insel und einen Küstenabschnitt in Südalbanien für den Bau von Luxusimmobilien zuschanzen will. Der Amerikaner heisst Jared Kushner, er ist Donald Trumps Schwiegersohn. (Lesen Sie unseren Artikel über Jared Kushners Pläne in Albanien).
Nicht die personifizierte Unschuld
Ist also der verhinderte Bürgermeister Fredi Beleri nur ein Opfer des arroganten albanischen Regierungschefs, dessen Parteifreunde reihenweise ins Gefängnis kommen wegen Korruption und anderen schweren Delikten? Die Wahrheit ist komplizierter. Beleri ist nicht die personifizierte Unschuld. Er blicke auf eine dunkle Vergangenheit zurück, in Athen sei das bekannt, sagte Nikos Xydakis, ein Oppositionspolitiker und Ex-Vizeaussenminister, gegenüber griechischen Medien.
In den 1990er-Jahren soll Beleri mehr als ein Sympathisant einer paramilitärischen Bande gewesen sein, die sich «Bewegung für die Befreiung des Nordepirus» nennt und offenbar vom griechischen Geheimdienst unterstützt wurde. Nordepirus bezeichnen griechische Nationalisten den Süden Albaniens. Ihr Ziel ist die Annexion des Gebiets.
1994 griffen griechische Terroristen einen albanischen Grenzposten an und erschossen zwei Soldaten. Die Behörden in Tirana waren damals überzeugt, dass Beleri an der blutigen Attacke teilgenommen hatte. Er weist den Vorwurf bis heute zurück. Wenige Wochen nach dem Angriff wurde Beleri zusammen mit sechs weiteren Freischärlern in Griechenland festgenommen. Die Polizei beschlagnahmte Schusswaffen, Munition und Uniformen. Die griechische Justiz legte den Fall aber sehr schnell ad acta.
Eine leere Phrase
Die Regierung von Premier Mitsotakis droht nun unverhohlen mit der Blockade der EU-Beitrittsverhandlungen Albaniens. Das wird kaum jemanden in Tirana beeindrucken, denn überall auf dem Balkan hat sich mittlerweile die Überzeugung durchgesetzt, dass die sogenannte EU-Perspektive eine leere Phrase ist – und zwar seit 2003. Damals hat die EU bei einem Gipfel in der Nähe von Thessaloniki allen Staaten der Region die Mitgliedschaft versprochen. Seither werden sie in einem Provisorium gehalten. Die Ungeduld in der Bevölkerung wächst. Wer kann, wandert aus.
Albaniens Premier Rama geht einer Konfrontation mit Athen nicht aus dem Weg. Er sagt, seine Regierung habe unter dem Druck der EU und der USA die Justiz grundlegend reformiert. Nun sei sie unabhängig und mache ihre Arbeit, doch das passe Griechenland nicht, wenn Extremisten wie Beleri ins Visier der Behörden gerieten, so Rama. Als Meister von kleinen Sticheleien liess er es nicht dabei bewenden.
Am 12. Mai – dem Jahrestag von Beleris Festnahme – nahm er an einer Grosskundgebung mit Albanerinnen und Albanern in Athen teil, um das neue Selbstbewusstsein seines Landes zu demonstrieren. Mit solchen patriotischen Kraftmeiereien versucht Rama, von unzähligen Korruptionsaffären zu Hause abzulenken. In Griechenland leben knapp 400’000 Arbeitsmigranten aus Albanien. Premier Mitsotakis weigerte sich, Rama zu empfangen. Der Fall Beleri scheint ideal zu sein für populistische Spielchen auf beiden Seiten.
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