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Reaktionen auf AHV-Panne
«Abstimmung wiederholen»: Brisante Forderungen nach Milliarden­fehler beim Bund

Tamara Funiciello, SP-BE, links, nimmt eine Frage entgegen, rechts Bundespraesident Alain Berset, an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 13. Juni 2023 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
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«Bedenklich», «kein Ruhmesblatt», «sehr ärgerlich», «ein Fiasko» –  so lauten die Reaktionen auf den Fehler des Bundesamts für Sozialversicherungen. In einem Punkt sind sich alle einig: Ein solcher Fehler schwächt das Vertrauen in die Verwaltung. Es sei nicht das erste Mal, dass der Bund falsche Zahlen verbreitet habe, kritisieren die Parteien. Ihre Forderungen dagegen gehen in verschiedene Richtungen. 

Die SP hat die Bürgerlichen umgehend aufgefordert, jegliche Abbaupläne bei den Renten zu stoppen. «Die fehlerhafte Berechnung der AHV-Finanzperspektiven zeigen klar, dass die längerfristige Finanzierung der AHV viel solider ist, als bisher prognostiziert wurde. Die Pläne der Bürgerlichen, bei den Rentenleistungen zu kürzen und sogar das Rentenalter zu erhöhen, gehören damit definitiv vom Tisch», schreibt die Partei. Und sie geht noch einen Schritt weiter. SP-Co-Fraktionschefin Samira Marti sagt: «Jetzt braucht es eine Erhöhung der Rente.» Die AHV-Renten müssten wieder ihren Verfassungsauftrag erfüllen und die Existenzsicherung im Alter gewährleisten. 

Grüne prüfen Abstimmungsbeschwerde

Die SP-Frauen wiederum fordern, dass die Abstimmung über die Erhöhung des Frauenrentenalters wiederholt wird. In dieser Abstimmung war die baldige Finanzierungslücke ein zentrales Argument gewesen. «Es ist befremdend, dass sich der Bundesrat für diesen Fehler nicht entschuldigt und nicht von sich aus vorschlägt, diese Abstimmung zu wiederholen», sagt Tamara Funiciello, die Co-Präsidentin der SP-Frauen. Auch die Grünen sehen die Frauen betrogen. Sie prüfen nun eine Abstimmungsbeschwerde.

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist ebenfalls klar, dass das knappe Ja zum Frauenrentenalter 65 nun «infrage gestellt» ist. Der SGB hatte die Prognosen schon länger als zu pessimistisch kritisiert. Nun fordert er eine «Sistierung der laufenden politischen Arbeiten», darunter auch der geplanten Kürzungen bei den Witwenrenten.

Strukturelle Massnahmen trotzdem nötig

Die bürgerlichen Parteien lehnen eine Wiederholung der Abstimmung zum Frauenrentenalter ab. Zwar sei es das Recht der Linken, die Frage vom Bundesgericht prüfen zu lassen, sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Die Mitte-Partei hat Erfahrung damit: Sie reichte Beschwerde ein, als der Bund vor der Abstimmung über ihre Initiative zur steuerlichen Heiratsstrafe falsche Zahlen kommuniziert hatte – mit Erfolg.

Berne, le 19 mars 2024. Interview et portrait de Gerhard Pfister, Président du Centre et Conseiller national du canton de Zoug.   Photo Yvain Genevay / Le Matin Dimanche

Aus Sicht der Mitte handelt es sich bei der Erhöhung des Frauenrentenalters aber um eine strukturelle Massnahme, die ohnehin nötig gewesen sei. Der Fehler ändere auch nichts daran, dass es für eine nachhaltige AHV weitere Sanierungen brauche, sagt Mitte-Fraktionschef Philipp Bregy. Die Forderung der SP-Frauen, die Abstimmung zum Frauenrentenalter zu wiederholen, sei «nicht zielführend». 

Mitte wirft FDP «Trötzeln» bei der 13. Rente vor

Klar ist für die Mitte aber auch, dass sich Massnahmen zur Finanzierung der 13. AHV-Rente nicht erübrigt haben, obwohl der Finanzierungsbedarf nun geringer ist. Für eine nachhaltige Finanzierung braucht es aus ihrer Sicht also trotzdem höhere Lohnbeiträge und allenfalls eine höhere Mehrwertsteuer. Pfister sagt, es wäre auch demokratiepolitisch falsch, auf eine Vorlage zur Umsetzung des Volksentscheids zur 13. Rente zu verzichten. «Das wäre ein Trötzeln.» 

Eine Senkung des Bundesbeitrags an die AHV sei nun aber doppelt unnötig, findet die Mitte. Einen Verzicht darauf fordert auch der Gewerkschaftsdachverband Travailsuisse. Die FDP dagegen verlangt nun erst recht, dass die Arbeiten zur Erhöhung der Lohnbeiträge und der Mehrwertsteuer gestoppt werden. Sie hatte sich mit diesem Ansatz in der Nationalratskommission knapp durchgesetzt, bevor der Fehler bekannt wurde. Auch die Grünliberalen finden, es brauche keine Spezialfinanzierung für die 13. AHV-Rente. Es reiche, mit der nächsten AHV-Reform eine ausgewogene Finanzierung zu beschliessen.

Verantwortung soll geklärt werden

Wichtig ist für die FDP und die SVP die Aufarbeitung. Es müsse geklärt werden, wer verantwortlich sei. Die FDP verlangt eine Untersuchung durch die Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte. «Es kann nicht sein, dass die Zahlen unserer Sozialwerke nicht verlässlich sind», rügt sie in einer Medienmitteilung.

Sie zielt zudem auf SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider und deren Vorgänger Alain Berset. Im von den beiden geleiteten Innendepartement herrsche «Chaos», schreibt die FDP. Das Departement habe schon nach den eidgenössischen Wahlen 2023 die Parteistärken falsch angegeben. 

SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi begrüsst die Administrativuntersuchung, die Baume-Schneider angekündigt hat. Auch er findet, es sei problematisch, wenn wiederholt vor wichtigen Abstimmungen falsche Zahlen kommuniziert würden.