Abstimmung zur AHVRentenalter 66 bremst Zuwanderung
Die AHV retten und 250’000 weniger Einwanderer: Die Jungfreisinnigen verkaufen ihre Renteninitiative jetzt als «politische Win-win-Situation».
Plötzlich wittern die Jungfreisinnigen ihre Chance, um aus der Defensive zu kommen. Bisher stand ihre Renteninitiative im Schatten der 13. AHV-Rente, über die am 3. März ebenfalls abgestimmt wird. Zudem sagen die Umfragen ein Nein voraus. Doch nun hat die SVP die Ja-Parole beschlossen. Partei-Doyen Christoph Blocher hat sich höchstpersönlich für die Initiative eingesetzt. «Das deutliche Ja der SVP ist für uns ein Riesenbooster und eine grosse Chance», sagt Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen.
Die Initianten richten deshalb ihre Kampagne nun stärker auf die Leute aus, die der SVP nahestehen. In einem Post auf Instagram taucht Blocher persönlich auf. Und sie werfen ein zusätzliches Argument in die Debatte, das insbesondere in SVP-Kreisen ziehen dürfte: die Zuwanderung.
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Auf den ersten Blick hat die Renteninitiative nicht viel mit der Ausländerfrage zu tun. Sie will das Rentenalter für Frauen und Männer schrittweise auf 66 Jahre erhöhen. Danach soll es automatisch weiter steigen, wenn die Lebenserwartung zunimmt. Müller sagt aber: «Die Renteninitiative liefert eine politische Win-win-Situation: Wir retten die AHV und bremsen gleichzeitig die Zuwanderung.»
Eine Million mehr Ausländer
Die Basis für diese Aussage liefert eine Studie des Büros Ecoplan, die im Auftrag des Bundesamts für Sozialversicherungen erstellt wurde. Demnach hat die Renteninitiative «das Potenzial», die Nettomigration in der Periode 2023 bis 2050 «um 23 Prozent zu reduzieren», wie die Autoren in ihrem Bericht schreiben. Grund ist, dass die Arbeitgeber in der Schweiz aufgrund des höheren Rentenalters verstärkt auf inländische Fachkräfte zurückgreifen könnten.
Der Bund geht in einem mittleren Szenario davon aus, dass die Zahl der Menschen in der Schweiz bis 2050 auf 10,4 Millionen steigen wird. Haupttreiber ist die Einwanderung, die weiterhin zunehmen wird. Die ausländische Wohnbevölkerung soll in dieser Zeitspanne um rund 1 Million Menschen wachsen. Aufgrund der Studienresultate könnte diese Zahl um fast 250’000 Personen reduziert werden. «Der Einfluss eines leicht höheren Rentenalters auf die Zuwanderung ist erheblich», sagt Müller. «Es gibt kaum eine andere politische Massnahme, die derart effektiv ist.»
«Stilllegungsprämie für qualifizierte Beschäftigte»
Aufgrund des Fachkräftemangels hat in den letzten zwei Jahren insbesondere die Zuwanderung aus dem EU-Raum wieder angezogen. Gemäss Müller sollte die Schweizer Wirtschaft künftig nicht nur vermehrt auf Leute zurückgreifen, die hierzulande ihre Lehre absolviert haben und die hiesigen Betriebe kennen, sondern auch ältere Menschen länger im Arbeitsprozess halten. «Unsere Senioren sind das Gold unserer Gesellschaft und Wirtschaft; ihren Erfahrungsschatz dürfen wir nicht ohne Not aus der Hand geben.» Die Rente ab 65 Jahren sei «eine Stilllegungsprämie für qualifizierte Beschäftigte», sagt er in Anlehnung an eine Aussage des deutschen FDP-Finanzministers Christian Lindner.
Gemäss Müller werden die Initianten das Zuwanderungsargument in der Kampagne nun «wählerspezifisch einsetzen». Zudem wird das Ergebnis der Ecoplan-Studie auch im Abstimmungsbüchlein thematisiert. Dafür haben die Initianten gesorgt.
AHV-Schuldenberg von über 100 Milliarden
Damit ist Migration jetzt bei beiden Vorlagen, über welche die Stimmberechtigten befinden, zum Thema geworden. Die SVP hat kürzlich bereits im Kampf gegen die 13. AHV-Rente die Ausländerkarte gespielt – aufgrund der Milliardenzahlungen, die jedes Jahr ins Ausland fliessen. Von diesen «Luxusrenten» profitieren «in erster Linie» Ausländer und Auslandschweizer, heisst in der Volkspartei. Auslandschweizer wehren sich jedoch gegen diese Darstellung.
Dass die beiden AHV-Initiativen am gleichen Tag zur Abstimmung gelangen, stört Matthias Müller nicht. «Jetzt hat das Volk die Wahl», sagt er. Entweder rette es die AHV oder stürze diese noch weiter in die Krise. Der Schuldenberg werde in den kommenden Jahren «massiv ansteigen». Gemäss Hochrechnungen werden bis 2050 – ohne weitere Reformen – über 100 Milliarden Franken in der AHV-Kasse fehlen. Zudem hätte eine 13. AHV-Rente schon in den 2030er-Jahren jährliche Mehrkosten von 5 Milliarden Franken zur Folge. Müller: «Es wäre fahrlässig, die AHV jetzt zulasten der kommenden Generationen weiter auszubauen, ohne überhaupt eine Gegenfinanzierung zu haben.»
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