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Auf Spurensuche in Lykien
Hier lebte der echte Sankt Nikolaus

oludeniz beach and lagoon Turkey

Wer sich auf die Spuren des Nikolaus begibt, landet unweigerlich in der Türkei. Und zwar in einer besonders schönen Gegend: in Lykien, einer Region im Südwesten des Landes.

Im antiken Ort Patara soll Nikolaus um das Jahr 270 nach Christus zur Welt gekommen und in Myra (das heute Demre heisst), 90 Kilometer weiter östlich, an einem 6. Dezember gestorben sein, irgendwann um das Jahr 350 herum.

Nikolaus, der Bischof von Myra, wurde schon zu Lebzeiten wegen seiner guten Taten verehrt. Beispielsweise, so die Legende, versteckte er im Haus eines armen Mannes heimlich Gold, damit dessen Töchter nicht in der Prostitution endeten. Dies ist der Grund dafür, sich am Nikolaustag Geschenke zu machen.

Das Rätsel der zwei leeren Särge

Doch wo steckt der heilige Nikolaus heute? Die Situation erinnert an den Witz vom beerdigten Hütchenspieler: Liegt er hier, hier oder hier begraben? Wir stehen in der Sankt-Nikolaus-Kirche in Myra und blicken etwas ratlos auf zwei Steinsärge. Beide sind an den Seitenwänden zerstört – und leer. Reiseleiter Tuncay Akkaya zeigt auf den einen: «Ich denke, er war in diesem Sarg begraben, da nur hier ein Kreuz dargestellt ist.»

2J3WAH5 Interior of the St. Nicholas Church (Santa Claus) in Demre, Turkey.
St. Nicholas Church is an ancient East Roman basilica church in the ancient city of Myra, It is located on the Lycian Coast in the Demre in  Antalya Province, 

The sarcophagus of St. Nicholas, which was damaged by sailors from Bari, can be seen in one of the side apses of the church and is decorated with fish scales and acanthus leaves.
The bone fragments, which were believed to belong to St. Nicholas that were not taken to Bari, are exhibited in the Antalya Museum today.

Die Bewohner von Myra erbauten im 5. Jahrhundert über dem Grab erst eine Basilika und später die Sankt-Nikolaus-Kirche. Noch heute pilgern über 20’000 Menschen pro Jahr zu ihr. Vor allem die in Osteuropa verbreiteten orthodoxen Christen verehren Nikolaus, deshalb weist ein Plakat mit kyrillischer Schrift und Heiligenbildern den Weg zum Eingang. Zuerst geht es aber an den unvermeidlichen Shops mit kitschigen Souvenirs vorbei; der Nikolaus, wie wir ihn heute kennen, steht als übergrosse Plastikfigur im roten Winteroutfit in der heissen Spätsommersonne.

Wer hat die Knochen gestohlen?

In der Kirche lassen kunstfertige Fresken an den Wänden und Überreste von Mosaiken am Boden die alte byzantinische Pracht erahnen. Ein besonderes Kreuz, das einen Anker zeigt, symbolisiert, dass Nikolaus auch der Schutzpatron der Seefahrer ist.

Die Gebeine sind jedoch verschwunden. «Im 11. Jahrhundert wurde Myra mehrfach überfallen und geplündert», sagt Tuncay. Zu dieser Zeit raubten italienische Kaufleute auch die sterblichen Überreste von Nikolaus. Sie sollen sich heute in der Basilika San Nicola in Bari befinden. Vielleicht.

An der Seite des Gotteshauses zeigt Tuncay auf abgesperrte Ausgrabungen. Unter der Kirche wurden vor einigen Jahren weitere Gräber gefunden. Es könnte ja sein, mutmassten damals die Archäologen, dass der heilige Nikolaus dort unten begraben lag und nicht oben in der Kirche…

Acht Tage auf Nikolaus’ Spuren wandern

Es gibt noch weitere kuriose Fakten rund um Nikolaus. Sie sind in dem kleinen Buch «Saint Nicholas Ways» nachzulesen, das uns Osman Güngör überreicht beim Frühstück auf seiner herrlichen, mit Wein überwachsenen Terrasse. Im Dorf Beymelek, das sich von der Küste hoch an die Berge schmiegt, bewohnt Osman mit seiner Frau Aliye ein historisches Steinhaus, das einst sein Ur-Ur-Grossvater erbaut hat. Die beiden haben das denkmalgeschützte Anwesen zu einer idyllischen Herberge umgestaltet, wo (nicht nur) Wanderer eine gemütliche Bleibe finden.

Das Büsi hat natürlich auch einen Happen abbekommen. Sankt-Nikolaus-Experte Osman Güngör auf seiner Terrasse in Beymelek.
Osman Güngör hat den Sankt-Nikolaus-Wanderweg mitentwickelt. Seine Frau Aliye verwöhnt die Wanderer mit hausgemachten Leckereien.

Von der Terrasse aus blicken wir aufs Meer und auf Gewächshäuser. «In unserem Tal werden keine Pestizide verwendet», sagt Tuncay, der Reiseleiter. Alles, was Aliye Güngör nach und nach in kleinen Schälchen und Tellern auf den Tisch stellt, stammt aus dem eigenen Garten oder vom hiesigen Markt: selbst gebackenes Brot, Börek (gefüllte Blätterteigschnecken), Ziegenfrischkäse, die Spezialität Turunç Kabuğu (Marmelade aus bitteren Orangenschalen). Die Gastgeberin hat zudem ungewöhnliche Gomfisorten kreiert aus Tomaten und sogar Auberginen. Es schmeckt fantastisch.

Der 67-jährige Osman Güngör war als Bürgermeister der Region auch für die Entwicklung des Tourismus zuständig und Teil eines Teams, das den Sankt-Nikolaus-Wanderweg auswies. Die 100 Kilometer lange Strecke zwischen Demre und Finike können Pilger, Kulturinteressierte und Naturfreunde in acht Etappen zurücklegen. Sie führt im hügeligen Hinterland durch Zedern- und Eichenwälder, hauptsächlich über uralte Wege noch aus der Römerzeit. Dort ist bereits Nikolaus mit seinen Mönchen langgewandelt. Die Strecke führt an den Überresten historischer Kirchen vorbei, die allerdings erst im 5. Jahrhundert, also nach Nikolaus’ Tod, gebaut wurden, als sich in Byzanz das Christentum durchsetzte.

Ein zweiter Nikolaus!

Und was steht nun in dem Buch? Zum Beispiel, dass es Sankt Nikolaus zwar wirklich gegeben hat – er aber nicht der einzige Heilige dieses Namens war, der Wunder bewirken konnte. Sein Namensvetter, Nikolaus von Sion, lebte im 6. Jahrhundert, also etwa 200 Jahre später. Und während die Wunder von Nikolaus dem Älteren eher mündlich überliefert wurden, gibt es zu denen des Jüngeren schriftliche Aufzeichnungen. Demnach heilte Nikolaus von Sion Kranke, vermehrte Essen und holte gar Tote ins Leben zurück (was verblüffend an Jesus erinnert …). Und was geschah? Diese ungewöhnlichen Taten wurden kurzum ebenfalls dem schon berühmten ersten Nikolaus zugeschrieben.

Es war aber der Nikolaus von Sion, der im historischen Hafen von Myra, in Andriake, ein Schiff bestieg, nach Ascalon (im heutigen Israel) segelte und in Jerusalem die heiligen Stätten besuchte. Andriake war einst der wichtigste Hafen der Region; das zeigt ein sehenswertes Museum vor Ort. Heute legen von dort nur noch Touristenschiffe ab, die allerdings spektakuläre Touren zur Insel Kekova anbieten.

Meeresschildkröten schwimmen um die Boote

Schon im kleinen Hafen sind wir aufgeregt. Um die Boote schwimmen mehrere Unechte Karettschildkröten. Sie schnappen sich die übrig gebliebenen Obst- und Gemüsestücke, welche die Bootsbesatzung ihnen zuwirft. Manche der hübschen Meeresschildkröten stammen wohl vom Patara-Strand, der bekannt dafür ist, dass dort die Weibchen ihre Eier ablegen – ganz in der Nähe vom Geburtsort von Nikolaus.

Auf der Insel Kekova sind die Ruinen einer Stadt zu sehen, die einst nach einem Erdbeben ins Meer rutschte.

Nach gut einer Stunde verlangsamt der Kapitän die Fahrt und tuckert die Insel entlang, wo die Ruinen der Stadt Dolichiste zu sehen sind. Im 2. Jahrhundert wurde der Ort erstmals durch ein Erdbeben zerstört. Zu der Zeit hätten dort 1000 Menschen vom Fischfang gelebt, sagt Tuncay. Nach einem zweiten Beben – vermutlich im 10. Jahrhundert – rutschte die Hälfte der Stadt ins Meer. Durch den Glasboden des Bootes sehen wir die Scherben von Amphoren.

Baden oder schnorcheln darf man hier an der antiken Stätte nicht. Also ankern wir etwas weiter an einer gegenüberliegenden Bucht, springen ins türkise Wasser, schwimmen einmal ums Boot und lesen am Bug: «Saint Nicolaus».

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluggesellschaften und/oder Tourismusagenturen.