Abstimmung Kanton Zürich am 22. SeptemberWas Stipendien ohne Wartefrist für Zürich bedeuten
Vorläufig aufgenommene Ausländerinnen sollen rascher Stipendien beziehen können. Dazu soll das Gesetz geändert werden. Die Gegner warnen vor dem «Asyl-Schlaraffenland».
Am 22. September stimmen die Stimmberechtigten im Kanton Zürich über eine Änderung des Bildungsgesetzes ab. Der Änderungsvorschlag soll die Perspektiven von jungen Ausländerinnen und Ausländern mit dem Status F verbessern. Den Status F erhalten Personen, deren Asylgesuch zwar abgelehnt wurde, die aber nicht in ihr Heimatland ausreisen können. Dies, weil eine Rückkehr nicht möglich oder nicht zumutbar ist – etwa wegen eines Krieges oder wegen gesundheitlicher Probleme. Sie gelten in der Schweiz als vorläufig aufgenommen.
Worum geht es?
Vorläufig Aufgenommene, die in der Schweiz ein Gymnasium, eine Berufs- oder eine Hochschule besuchen wollen, können erst nach fünf Jahren ein Stipendium beantragen und sind so faktisch von einer Ausbildung ausgeschlossen. Um diese Personen schneller zu integrieren, soll die Wartefrist aufgehoben werden. So würden vorläufig Aufgenommene den Schweizerinnen und Schweizern und den anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt.
Heute schlagen sich vorläufig Aufgenommene in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthaltes meist mit Sozialhilfegeldern und/oder Arbeit in Tieflohnbranchen durch.
Die Aufhebung der Wartefrist haben die Grünen im Kantonsparlament beantragt und dafür eine Mehrheit gefunden. Auch der Regierungsrat ist dafür. Die SVP hat gegen den Änderungsvorschlag das Referendum ergriffen. Darum kommt es jetzt zur Volksabstimmung.
Wer erhält im Kanton Zürich Stipendien?
Stipendien werden an Menschen in Erstausbildungen vergeben, dazu gehören sowohl Studierende als auch Lehrlinge und Gymnasiastinnen. Stipendienberechtigt sind Ausländerinnen mit einem Aufenthaltsstatus und Schweizerinnen und Schweizer. Hinzu kommen die vorläufig Aufgenommenen.
Um Stipendien zu erhalten, müssen die Antragstellenden einen Platz in einer Hochschule oder einer Berufslehre vorweisen. Weiter müssen sie ihre finanziellen Verhältnisse vollständig offenlegen. Im Kanton Zürich sind die Ausbildungsbeiträge vergleichsweise grosszügig bemessen. Dafür ist die Zahl der Bezügerinnen und Bezüger eher klein.
Warum werden vorläufig Aufgenommene integriert?
Vorläufig Aufgenommene haben kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und müssten die Schweiz eigentlich verlassen. Weil dies nicht möglich ist, haben sie den Status F erhalten und müssen diesen jedes Jahr neu bestätigen lassen.
Wenn sie nach fünf Jahren noch immer nicht ausreisen konnten, dürfen sie eine Aufenthaltsbewilligung (Status B) beantragen. Eine Rückkehr von vorläufig Aufgenommenen in ihre Heimatländer – meist sind das Syrien, Afghanistan, Eritrea oder Somalia – ist unrealistisch. Etwa 80 Prozent der Personen mit Status F bleiben langfristig oder gar für immer in der Schweiz.
Darum haben sich Bund und Kantone 2019 in der sogenannten Integrationsagenda gegenseitig versprochen, die soziale und berufliche Integration von Ausländerinnen und Ausländern mit dem Status F zu fördern. So dürfen vorläufig Aufgenommenen vom ersten Tag an einer bezahlten Arbeit nachgehen.
Wir wird sich die Zahl der Stipendien verändern?
Im Jahr 2023 hat der Kanton Zürich an 7000 Personen Ausbildungsbeiträge ausbezahlt. Pro Person sind dies im Schnitt 10’000 Franken. Gut 200 der Stipendienempfängerinnen und -empfänger waren vorläufig Aufgenommene, welche die Wartefrist von fünf Jahren abgesessen haben.
Bei einem Ja zur Änderung des Bildungsgesetzes rechnet der Regierungsrat in den ersten Jahren mit einer Verdoppelung der Stipendiengesuche aus dieser Personengruppe.
Würde die Wartefrist für vorläufig Aufgenommene gestrichen, müsste der Kanton Zürich mit jährlichen Mehrkosten von rund 3 Millionen Franken rechnen. Allerdings dürften die Ausgaben der Gemeinden sinken, weil sie weniger Sozialhilfe für vorläufig Aufgenommene zahlen müssten.
Eine Explosion der Stipendienanträge ist nicht zu erwarten. Derzeit leben im Kanton Zürich 7400 vorläufig Aufgenommene, und nur eine Minderheit von ihnen will eine Erstausbildung beginnen, weil die meisten dazu schlicht zu alt sind.
Was sagen die Befürworter der Vorlage?
Für die Befürworterinnen und Befürworter widerspricht die heutige Praxis dem Auftrag, die Integration von vorläufig Aufgenommenen zu fördern. Die Wartefrist für den Bezug von Stipendien grenze ausbildungswillige Ausländerinnen und Ausländer fünf Jahre lang aus, was weder gesellschaftlich noch wirtschaftlich erwünscht sei.
Die Befürworter betrachten die Abschaffung der Wartefrist auch als Massnahme gegen den Fachkräftemangel. Zudem biete sie den Betroffenen bessere Perspektiven. Sie seien so weniger lang sozialhilfeabhängig und würden schneller Steuern zahlen. Für die Vorlagen sprechen sich Grüne, SP, AL, EVP, Mitte und GLP aus.
Was sagen die Gegner?
Für die Gegnerinnen und Gegner ist die Abschaffung der Wartefrist ein falscher Anreiz und eine Ausweitung der Willkommenskultur. Sie sprechen vom «Asyl-Schlaraffenland Kanton Zürich».
Bei abgelehnten Asylbewerbern solle die Ausreise und nicht die Integration im Vordergrund stehen.
Die Gegnerinnen befürchten, dass vorläufig aufgenommene Ausländer und Ausländerinnen nun in den Kanton Zürich strömen, um hier Stipendien «abzukassieren». Dazu müssten sie allerdings beim Bund einen Kantonswechsel beantragen. Gegen die Vorlage sind SVP, FDP und EDU.
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