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Abstimmung Zürich
Wie hoch sollen die Abfindungen für Zürcher Stadtratsmitglieder sein?

Der Zuercher Stadtrat mit Simone Brander, Tiefbau- und Entsorgungsdepartement, Raphael Golta, Sozialdepartement, Michael Baumer, Departement der Industriellen Betriebe, Daniel Leupi, Finanzdepartement, Corine Mauch, Praesidialdepartement, Filippo Leutenegger, Schul- und Sportdepartement, Andre Odermatt, Hochbaudepartement, Andreas Hauri, Gesundheits- und Umweltdepartement und Karin Rykart, Sicherheitsdepartement, von links nach rechts, bei einem Fototermin nach der konstituierenden Sitzung des Stadtrats im Zuercher Stadthaus, am Mittwoch, 4. Mai 2022 in Zuerich. Simone Brander uebernimmt neu das Tiefbau- und Entsorgungsdepartment, die uebrigen Mitglieder verbleiben in ihren Departementen. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Worum geht es?

Die Stadtzürcher Stimmbevölkerung stimmt am 3. März über die SVP-Initiative «Keine goldenen Fallschirme für abtretende Behördenmitglieder» und über den Gegenvorschlag der Stadt ab. Werden beide Vorlagen angenommen, entscheidet die Stichfrage.

Was will die Initiative?

Die SVP möchte, dass in Zukunft nur noch Stadtratsmitglieder Entschädigungen erhalten. Bisher war das anders, auch andere gewählte Behördenmitglieder wie etwa Friedensrichterinnen oder Kreisschulpräsidenten haben Abfindungen erhalten. Zudem soll nur eine Entschädigung erhalten, wer abgewählt wird, also unfreiwillig aus dem Amt scheidet. Der Maximalbetrag soll ein Jahressalär sein. Zurzeit beträgt das Jahressalär eines Stadtratsmitglieds rund 250’000 Franken.

Worin unterscheidet sich der Gegenvorschlag?

Der Gegenvorschlag sieht vor, dass Stadtratsmitglieder auch bei einem freiwilligen Rücktritt Geld erhalten. Zudem wäre die Abgangsentschädigung etwas höher. Bei einer Abwahl würde sie maximal 1,8 Jahresgehälter, bei einem Rücktritt 1,5 betragen.

Würde also ein Stadtratsmitglied, das nach zwei Jahren zurücktritt, 1,5 Jahressaläre erhalten?

Nein, bei einem freiwilligen Abgang muss die Person mindestens acht Jahre im Amt gewesen sein, um von der Regel zu profitieren. Bei einer Abwahl mindestens vier Jahre. Die jeweilige Höhe richtet sich nach der Anzahl Dienstjahre und dem Alter der Person.

Was bedeutet das konkret?

Zwei fiktive Beispiele: Würde Hochbauvorsteher André Odermatt in diesem Jahr im Alter von 63 Jahren zurücktreten, würde er 100’850 Franken erhalten. Würde Karin Rykart bei den Erneuerungswahlen 2026 abgewählt, würde sie den Maximalbetrag von rund 453’800 Franken bekommen.

Wer bekommt sonst noch Entschädigungen?

Wenn die Initiative angenommen würde, nur noch Stadtratsmitglieder. Wird der Gegenvorschlag gutgeheissen, bekommen höchstwahrscheinlich auch andere, vom Volk oder Gemeinderat gewählte Behördenmitglieder Abfindungen. Das sind Friedensrichterinnen, Stadtammänner, Datenschutzbeauftragte, Präsidenten der Kreisschulbehörden, Ombudspersonen und Direktoren der Finanzkontrolle.

Wie viel sollen diese erhalten?

Der Wunsch von Stadtrat und der Mehrheit der gemeinderätlichen Kommission ist, dass sie mit anderen städtischen Mitarbeitenden gleichgestellt werden sollen, die in ähnlichen Positionen arbeiten. Die maximale Abgangsentschädigung würde 1,25 Jahreslöhne betragen, sie würde nur ausbezahlt, wenn ein Mitglied abgewählt oder nicht wieder nominiert würde. Derzeit verdienen die betreffenden Behördenmitglieder im Durchschnitt 189’000 Franken pro Jahr.

Weshalb wird überhaupt über diese Entschädigungen abgestimmt?

Der Fall Nielsen und der Fall Rodriguez brachten die Debatte über Abgangsentschädigungen in der Stadt Zürich so richtig ins Rollen. Die ehemalige SP-Stadträtin Claudia Nielsen kassierte nach ihrem Rücktritt 856’656 Franken Abgangsentschädigung. Roberto Rodriguez wurde vom Kreisschulpräsidenten zum Schulleiter und kassierte 2021, ohne einen Tag auf Jobsuche zu sein, eine Abgangsentschädigung von 687’131 Franken. Nach dem Fall Rodriguez lancierte die SVP ihre Initiative.

Wie viel Abgangsentschädigungen gab es in der Vergangenheit?

Seit 2006 wurden knapp 8,3 Millionen Franken Abgangsentschädigungen an 25 Personen ausgezahlt, deren 8 waren Stadtratsmitglieder. Mit wenigen Ausnahmen endete die Behördentätigkeit mit acht und mehr Dienstjahren freiwillig. Alle Behördenmitglieder waren mindestens 55 Jahre alt, die überwiegende Mehrheit 58 Jahre alt und älter.

Wer ist nur für die Initiative?

Die SVP und die GLP befürworten die Initiative, die AL hat Stimmfreigabe beschlossen. Zentral für die SVP ist, dass nur noch abgewählte Stadtratsmitglieder Geld erhalten. Abtretende Stadträte verfügten über einen hohen Bekanntheitsgrad, ein grosses Netzwerk und vielfältige Erfahrungen. Übrige Behördenmitglieder hätten zudem ausreichende fachliche Qualifikationen, um ihre berufliche Neuorientierung zeitnah organisieren zu können.

Wer ist gegen die Initiative?

Alle anderen Parteien sprechen sich ausschliesslich für den Gegenvorschlag aus. Sie kritisieren, dass die SVP die Initiative nicht zurückgezogen habe. Der Gemeinderat habe die Initiative bereits umgesetzt und die Entschädigungen ausreichend gekürzt. Ein Fall Rodriguez oder Nielsen wäre heute nicht mehr möglich. Zudem seien auch freiwillige Abgänge zu entschädigen, weil niemand möchte, dass die Stadträte am Ende ihrer Amtszeit bereits auf der Suche nach einer neuen Stelle sein müssen.

Wieso hat der Gemeinderat schon Dinge beschlossen, bevor über die Initiative abgestimmt wurde?

Die Sache ist etwas kompliziert. Die SVP reichte nach dem Fall Nielsen 2018 im Gemeinderat eine Motion gegen die hohen Abgangsentschädigungen ein. Deshalb war der Gemeinderat bereits daran, die Regeln zu überarbeiten, als die SVP kurz vor den Wahlen 2022 zusätzlich noch ihre Initiative lancierte.

Ein Vorschlag des Stadtrats lag auf dem Tisch. Dieser hätte deutlich höhere Abgangsentschädigungen vorgesehen. Doch der Gemeinderat kürzte diese nochmals deutlich – auch unter dem Druck der SVP-Initiative. Der Gemeinderat reduzierte den früher geltenden Maximalbetrag von 4,8 Jahreslöhnen auf 1,8 bei unfreiwilligen und von 4 auf 1,5 bei freiwilligen Abgängen. Seit dem 1. September 2022 gelten diese neuen Regeln für die Abgangsentschädigungen.

Ebenfalls war der Gemeinderat der Meinung, dass diese Regeln nur noch für den Stadtrat gelten sollen und die Entschädigungen für andere Behördenmitglieder im Personalreglement geregelt werden sollen. Der Gegenvorschlag ist somit der Vollzug, der bereits im Gemeinderat angestossenen Veränderungen. Weil die SVP die Initiative nicht zurückgezogen hat, geschieht nun vieles gleichzeitig, es wirkt wie ein Chrüsimüsi, das nur schwer verständlich ist.

Was würde passieren, wenn es ein doppeltes Nein gäbe?

Das ist sehr unwahrscheinlich. Doch dann würde der Status quo bleiben. Das heisst: Stadtratsmitglieder sowie die anderen gewählten Behördenmitglieder würden bei einem freiwilligen Ausscheiden 1,5 Jahreslöhne erhalten, bei einem unfreiwilligen 1,8.