Abstimmung in ZürichNein zu höheren Politikerlöhnen: «Wir wollten zu viel aufs Mal» – «Das ist eine Riesenklatsche»
Die Entschädigungen der Gemeinderatsmitglieder werden vorerst nicht steigen. Die Entscheidung im Live-Ticker.
Zusammenfassung
Selten tönen bürgerliche Politiker so erfreut wie Përparim Avdili an diesem Sonntagnachmittag. «Das Ding ist gelaufen», sagt der Präsident der Stadtzürcher FDP, obwohl noch nicht einmal alle Wahlkreise ausgezählt sind. Er lacht und sagt: «Das ist eine Riesenklatsche.» Endlich hätten sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gegen die rot-grüne Selbstbedienung in der Stadtkasse gestellt. Ähnlich formuliert es der Co-Präsident der SVP, Ueli Bamert: «Die Stadtbevölkerung akzeptierte diese Selbstbereicherung des Gemeinderats nicht.»
FDP und SVP gelingt an diesem Sonntag ein seltener Sieg bei einer kommunalen Abstimmung im rot-grünen Zürich. Die Stimmbevölkerung verwehrt den Mitgliedern des Gemeinderats eine Entschädigungserhöhung von durchschnittlich 16’000 auf 28’000 Franken. 53,2 Prozent der Stimmenden und sechs von neun Wahlkreisen sagen Nein. Obwohl SP, Grüne, GLP, AL, Mitte und EVP für die Reform waren und bei den letzten Wahlen 69 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinten. Die Stimmbeteiligung beträgt magere 36,7 Prozent.
«Vermutlich war es ein zu grosser Schritt»
Bei den Befürworterinnen und Befürwortern in der Volkshaus-Bar ist die Stimmung gedämpft. «Ich war verhalten optimistisch», sagt Sven Sobernheim, Co-Fraktionspräsident der GLP. Immerhin zeige die Knappheit des Neins, dass auch die Bevölkerung einen gewissen Reformbedarf anerkenne. «Wahrscheinlich wollten wir aber einfach zu viel aufs Mal», sagt er. Lisa Diggelmann, Co-Fraktionspräsidentin der SP, sagt: «Natürlich akzeptieren wir den heutigen Entscheid, vermutlich war es ein zu grosser Schritt.»
Trotzdem äussern die Anwesenden ihr Bedauern. Für sie ist der Reformbedarf offensichtlich. «Es wird weiterhin anspruchsvoll, es werden weiterhin viele junge Männer und Frauen zurücktreten, weil Amt, Beruf und Familie schwierig vereinbar sind», sagt Sobernheim. Die Fluktuation bleibe hoch, genauso wie der damit verbundene Know-how-Verlust.
«Undifferenzierte Kampagne»
«Wir bedauern sehr, dass die Gegner mit ihrer undifferenzierten Kampagne die Stimmbevölkerung derart verunsichern konnten.» So wird Christian Traber, Fraktionspräsident von Mitte/EVP, in der gemeinsamen Mitteilung zitiert. Und Tanja Maag, Co-Fraktionspräsidentin der AL, sagt, mit Blick auf die Vereinbarkeit sei man nun «wieder auf Feld eins».
![Fünf Personen stehen draussen auf einem Platz und betrachten ihre Smartphones.](https://cdn.unitycms.io/images/FDqvmBxw4MKBjUkqKSkyPL.jpg?op=ocroped&val=1200,800,868,1000,0,64&sum=fSHBSHka_Is)
Die Mitte-links-Allianz will dort aber nicht stehen bleiben und einen neuen Reformanlauf lancieren. «Seit fast 30 Jahren wurde die Entschädigung nicht mehr reformiert», sagt Martina Novak, Co-Fraktionspräsidentin der GLP. Die Befürworterinnen und Befürworter müssen nun gemeinsam mit der FDP schauen, wie eine mehrheitsfähige Lösung aussehen könnte.
Und jetzt moderate Erhöhung?
Die FDP betonte im Abstimmungskampf immer wieder, sie stünde hinter Abgaben in die zweite Säule und einer «moderaten» Erhöhung der Entschädigungen. Von 20 bis 30 Prozent war die Rede. Präsident Avdili bestätigt auch am Sonntag: Seine Partei werde für eine solche Reform Hand bieten. Das sei kein leeres Abstimmungsversprechen gewesen.
Für Avdili hat der Entscheid am Sonntag aber Signalwirkung. Selbst die GLP und die Mitte hätten «tragischerweise» dieser «masslosen und unverschämten» Verordnung zugestimmt. Ein Jahr vor den Wahlen sagt er nun: «Dieses Nein ist ein Kipppunkt.» Die politische Stimmung drehe, frohlockt er. Und Bamert von der SVP sagt: «Diesen Schwung nehmen wir ins Wahljahr mit.»
Nächster Stimmungstest im September
Im Volkshaus sieht man das anders. Sven Sobernheim von der GLP warnt davor, zu viel in das Ergebnis zu interpretieren. Es sei weder ein Vertrauensentzug gegenüber der Lokalpolitik noch ein Vorbote für die Wahlen im März 2026.
Der nächste Stimmungstest für die Erneuerungswahlen dürfte Ende September folgen. Dann stimmt die Stadtbevölkerung über die neuen Blaue-Zonen-Regeln und -Gebühren ab.
Endresultat ist da
Jetzt ist alles klar: Das Stadtzürcher Stimmvolk verwehrt den 125 Mitgliedern des Stadtparlaments eine um rund 75 Prozent höhere Entschädigung. Es bleibt vorerst bei den rund 16’000 Franken im Jahr.
Nach dem Nein des Kreises 10 (51,1 Prozent) endete der gesamtstädtische Nein-Anteil bei 53,2 Prozent. Die Stimmbeteiligung betrug magere 36,7 Prozent.
Klarstes Nein am Zürichberg
Jetzt ist auch das Resultat aus dem eher bürgerlichen Kreis 7 und 8 da. Auch der Zürichberg und das Seefeld sagen klar Nein zu höheren Gemeinderatslöhnen. Der Nein-Anteil liegt hier bei 60,4 Prozent.
Gegner: «Das ist eine Riesenklatsche»
Gelassen und fröhlich ist Përparim Avdili, der Präsident der Stadtzürcher FDP. «Das ist eine Riesenklatsche», sagt er. Endlich hätten sich die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gegen die rot-grüne Selbstbedienung in der Staatskasse gestellt. Für Avdili hat der Entscheid Signalwirkung. Selbst die GLP und die Mitte hätten «tragischerweise» dieser «masslosen und unverschämten» Verordnung zugestimmt.
Ein Jahr vor den Wahlen sagt er nun: «Dieses Nein ist ein Kipp-Punkt.» Die politische Stimmung drehe, sagt er. Für die Zukunft biete die FDP Hand für eine moderate Anpassung der Entschädigungsverordnung. Das sei kein leeres Abstimmungsversprechen gewesen, dazu stünde die Partei. «Doch die vorliegende Vorlage wäre eine Frechheit allen Juniorentrainerinnen und -trainern gegenüber gewesen, die dreimal die Woche ehrenamtlich Trainings geben.»
Gedrückte Stimmung bei den Befürwortern
![Personen stehen auf einem offenen Platz in einer Stadt, während jemand mit einer Kamera kniet und filmt. Im Hintergrund befinden sich historische und moderne Gebäude.](https://cdn.unitycms.io/images/AJb5Z3_G4sPBpN7-Olaq-M.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=toGMLhU8y0M)
Das Resultat steht zwar noch nicht definitiv fest. Aber in der Volkshaus-Bar, wo sich die Befürworter getroffen haben, erwartet niemand mehr eine Überraschung. «Wir gehen von einem Nein aus», sagt Gemeinderat Sven Sobernheim (GLP).
Die Stimmung ist ruhig, leicht gedrückt. Die SP-Co-Fraktionschefin Lisa Diggelmann finalisiert die Medienmitteilung. Die Analyse der sechs Anwesenden fällt nüchtern aus. «Ich war verhalten optimistisch», sagt Sobernheim. Immerhin zeige das knappe Nein, dass auch die Bevölkerung einen gewissen Reformbedarf anerkennt. «Wahrscheinlich wollten wir aber einfach zu viel aufs Mal», sagt er.
Sie anerkennen das Resultat, wollen nun aber einen neuen Anlauf für eine Revision angehen. «Seit fast 30 Jahren wurde die Entschädigung nicht mehr reformiert», sagt Martina Novak, Co-Fraktionspräsidentin der GLP. Die befürwortende Allianz müsse nun gemeinsam mit der FDP schauen, wie eine mehrheitsfähige Lösung aussehen könnte.
Grosser Kreis 11 sagt klar Nein
Auch der zweite Kreis von Zürich-Nord sagt klar Nein. Nach dem Kreis 12 lehnt auch der Kreis 11 die Lohnerhöhung für Gemeinderatsmitglieder klar ab. Damit wird ein Ja immer weniger wahrscheinlich. Der Nein-Anteil liegt in Oerlikon, Seebach und Affoltern bei 58,5 Prozent. Städtisch gesehen liegen wir nun bei 52 Prozent Nein.
Ein Nein ist absehbar
Das städtische Zwischenergebnis deutet auf eine knappe Entscheidung hin. Nach Auszählung von sechs von neun Kreisen liegt der Nein-Anteil bei 50,4 Prozent.
Allerdings sind zwei grosse Kreise noch nicht ausgezählt, die wohl eher ablehnen werden: Die Kreise 7 und 8 sowie der Kreis 11 sind bürgerlicher als der Durchschnitt. Und der Kreis 10 ist in Wipkingen (eher links) und Höngg (eher rechts) unterteilt.
Kreis 3 sagt Ja
Zugestimmt hat hingegen der Kreis 3 mit 5344 Ja-Stimmen gegen 4410 Nein-Stimmen. Das entspricht einem Ja-Anteil von 54,8 Prozent.
Zwei Kreise sagen Nein
Die Tendenz hat zu einem Nein gewechselt. Sowohl der Kreis 1 und 2 wie auch der Kreis 9 lehnen die Erhöhung der Löhne für die Mitglieder des Stadtparlaments ab.
Die Ablehnung im Kreis 1 und 2 ist mit einem Anteil von 56,5 Prozent etwas stärker als im Kreis 9 mit 56,1 Prozent.
Weitere Resultate
Zwei weitere Resultate sind eingetroffen. Es könnte zur Zitterpartie werden. Der relativ repräsentative Kreis 6 sagt mit 50,3 Prozent knapp Ja zur Erhöhung. Die linke Hochburg 4+5 sagt hingegen – entgegengesetzt dem Kreis 12 – mit 60,8 Prozent deutlich Ja.
Erstes Resultat ist da
Der Kreis 12 ist ausgezählt. 59,9 Prozent der Stimmenden sagen Nein zur Erhöhung der Entschädigung für die Gemeinderatsmitglieder. Der Kreis 12 gilt als relativ bürgerlicher Kreis. Das Nein ist aber dennoch relativ deutlich.
Warten auf Resultate
Die Ergebnisse aus der Stadt lassen auf sich warten. Auch für die einzige eidgenössische Vorlage gibt es noch aus keinem Wahlkreis ein Resultat. Üblicherweise sind erste Resultate zu eidgenössischen Abstimmungen Vorboten für Ergebnisse zu den städtischen Vorlagen.
Hilfe beim Interpretieren der Resultate
In der Stadt Zürich gibt es keine Hochrechnungen. Das lässt viel Raum fürs Spekulieren, wenn erste Resultate aus den Wahlkreisen da sind. Was dabei hilft, ist eine kleine Einteilung der verschiedenen Stadtkreise.
Eher bürgerliche Kreise (für städtische Verhältnisse) sind die Wahlkreise 7+8, 11 und 12.
Gäbe es in diesen Kreisen ein Ja zur Entschädigungs-Erhöhung, stünden die Chancen gut, dass diese auch stadtweit angenommen wird.
Die linken Hochburgen sind die Wahlkreise 3 sowie 4+5.
Gäbe es hier ein Nein oder nur ein knappes Ja, dürften die Chancen schlechter stehen.
Und was ist mit den übrigen Kreisen? Diese haben ein weniger klares Profil, gelten daher eher als repräsentativ für das städtische Schlussergebnis. Klare Resultate in diesen Kreisen sind richtungsweisend, knappe versprechen Spannung.
Ausgangslage
Es ist 12 Uhr, jetzt wird ausgezählt. Warten ist angesagt.
Auf dem Papier ist die Ausgangslage deutlich. SP, Grüne, GLP, AL, Mitte und EVP sind für die Erhöhung der Entschädigung für die Ratsmitglieder. Bei den letzten Gemeinderatswahlen 2022 erzielten diese Parteien einen Stimmenanteil von fast 69 Prozent. SVP und FDP, welche die Erhöhung als «masslos» bezeichnen und bekämpfen, erzielten nur 29 Prozent der Wählerstimmen.
Um die Erhöhung der Parlamentarierlöhne zu verhindern, müsste die Nein-Kampagne von SVP und FDP also weit über ihre eigene Parteibasis hinaus überzeugt haben. Dies gelang den bürgerlichen Kräften in den vergangenen Jahren nur bedingt, wenn es um sozial-, klima- oder verkehrspolitische Anliegen ging. Allerdings entscheidet die Stadt heute über eine heikle Frage: Was ist eine zeitgemässe Entschädigung für Milizpolitikerinnen und -politiker?
Zeitplan
Um 12 Uhr schliessen die Wahllokale in der Stadt. Dann geht es ans Auszählen. Wie lange es dauern wird, bis erste Resultate bekannt sind, ist noch etwas unklar. Üblicherweise treffen diese zwischen 14 und 15 Uhr ein. Da heute aber nur über eine eidgenössische Vorlage und keine kantonale abgestimmt wird, könnte die Auszählung auch schneller vorangehen.
Darum geht es
Erstmals seit 1998 will der Zürcher Gemeinderat die Entschädigung für seine Mitglieder anpassen. Im Durchschnitt erhält ein Mitglied des Zürcher Stadtparlaments rund 16’000 Franken im Jahr. Allerdings variieren die Entschädigungen, weil ein grosser Teil variabel ist.
Wer jetzt 16’000 Franken einnimmt, würde danach rund 28’000 Franken erhalten. Im Durchschnitt würde die Entschädigung damit um rund 75 Prozent steigen. Das haben Berechnungen der Parlamentsdienste basierend auf dem Ratsjahr 2022/23 ergeben.
Gemäss Schätzungen der Parlamentsdienste würden die Kosten für die Stadt von 2,6 Millionen Franken auf rund 4,5 Millionen steigen – ohne die städtischen Beiträge für die 2. Säule.
Wer ist dafür?
Eine breite Mitte-links-Allianz bestehend aus SP, Grünen, AL, GLP, Mitte und EVP ist für die Erhöhung. Die Ratsmitglieder müssten eine hochprofessionelle Verwaltung mit 30’000 Mitarbeitenden kontrollieren und ein Budget von 11 Milliarden Franken verantworten. Ohne Reduktion des Arbeitspensums könne das Amt kaum ausgeübt werden. Damit das Gemeinderatsamt weiterhin allen offenstehe und sowohl mit dem Beruf als auch mit dem Familienleben vereinbar bleibe, müsse die Entschädigung in einem angemessenen Verhältnis dazu stehen.
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Eine der Befürworterinnen ist GLP-Gemeinderätin Serap Kahriman. Der Aufwand rechtfertige es: «Jeder Sonntagabend ist blockiert.» Lesen Sie hier den ganzen Artikel.
Wer ist dagegen?
FDP und SVP sprechen sich gegen diese Erhöhung aus. Die Freisinnigen hätten sich für eine moderatere Anpassung (20 bis 30 Prozent) ausgesprochen, die aktuelle Vorlage entspreche einer Verdoppelung und sei masslos. Die vorgeschlagene Erhöhung widerspreche dem Grundgedanken des Milizsystems. Politische Tätigkeit soll vor allem aus freiwilliger Motivation erfolgen und nicht in erster Linie aus monetären Anreizen. In einer Zeit, in der der Mittelstand den Gürtel enger schnallen müsse, bereicherten sich die Politiker an Steuergeldern.
![Roger Meier, Vertreter der FDP, diskutiert über die Erhöhung der Gemeinderatslöhne in Zürich in einem Interview.](https://cdn.unitycms.io/images/5AiWozxQqEQ8UuD_9OuNM2.jpg?op=ocroped&val=1200,800,1000,1000,0,0&sum=ynZBkhgF5gw)
FDP-Gemeinderat Roger Meier engagiert sich gegen die Entschädigungserhöhung. Er sagt: «Die Schätzungen für die Entschädigungen in den Unterlagen sind geschönt.» Lesen Sie hier das ganze Interview.
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