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Strittige Konjunkturmassnahme
Abschaffung von Importzöllen stösst auf Widerstand

Der Bundesrat will Zölle auf Industriegütern, darunter Schuhe, streichen. Doch von links bis rechts gibt es Opposition.
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Der Bundesrat will die Zölle auf Industriegütern streichen, die beim Import in die Schweiz anfallen. Es ist das erste grosse wirtschaftspolitische Geschäft von Bundesrat Guy Parmelin, das ins Parlament kommt. Die Idee stammt zwar aus der Zeit vor Corona, doch er nennt die Vorlage einen «Glücksfall».

Die SP lehnt die Vorlage ab. Die Wirtschaftsverbände sind dafür, sowohl jene der betroffenen Branchen wie auch deren Dachverbände. Die bürgerlichen Parteien im Prinzip auch, doch da beginnt das Problem. Die Streichung der Industriezölle entzieht dem Bundeshaushalt rund eine halbe Milliarde Franken. Und entlastet den Import trotzdem nur gering. Die Hälfte der Zölle wird auf dem Import von Textilien, Bekleidung und Schuhen bezahlt.

Diese Güter werden mit 4 bis 6 Prozent besteuert; um diesen Betrag könnten Kleider günstiger werden. Bei den übrigen Industriegütern sind es im Mittel 1,8 Prozent. Das ist nicht viel, sogar wenn man wie der Bundesrat 100 Millionen Franken an administrativen Kosten dazurechnet, die in der Wirtschaft wegfallen würden. Eine vom Bund bestellte Studie kommt auf einen volkswirtschaftlichen Nutzen der Abschaffung von 860 Millionen Franken pro Jahr.

«Wichtiges Zeichen»

«Die Streichung der Industriezölle allein ist nicht überlebenswichtig», sagt Philip Mosimann, «aber sie verbessert die Rahmenbedingungen für die Industrie und den Handel nachhaltig.» Mosimann ist Verwaltungsratspräsident der Bucher Industries, eines international tätigen Maschinenbauers aus Niederweningen bei Zürich, der in der Schweiz rund tausend Mitarbeiter beschäftigt.

«Es ist ein wichtiges Zeichen der Politik für den Standort Schweiz und dessen Arbeitnehmende in einer schwierigen Zeit.» Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen seien die administrativen Kosten ein erheblicher Aufwand, der die Marge schmälere und Wettbewerb behindere, findet Mosimann.

«Wer etwas für die Arbeitsplätze in der Schweiz machen will, muss viele kleine Schritte tun.»

Philip Mosimann, Verwaltungsratspräsident Bucher Industries AG

Und was sagt er zum Argument, dass die Vorlage nur wenig nütze? «Es ist das Problem der Politik, dass sie nur zu kleinen Schritten für die Standortverbesserung bereit ist und diese dann bekämpft werden, weil es nur kleine Schritte sind», sagt Mosimann. «Wer etwas für die Arbeitsplätze in der Schweiz machen will, der muss möglichst viele solche kleinen Schritte tun.»

«Machtdemonstration gegenüber dem Bundesrat»

Die Bauern sind gegen die Vorlage, obwohl landwirtschaftliche Güter nicht betroffen sind. «Die Opposition des Bauernverbandes ist eine reine Machtdemonstration gegenüber dem Bundesrat», findet Mosimann. «Die Verbandsfunktionäre wollen beweisen, dass gegen ihren Willen an den Zöllen nichts geändert wird.»

Markus Ritter, Präsident des Bauernverbandes, widerspricht. Eine einseitige Zollsenkung sei strategisch falsch: «Damit vergibt sich die Schweiz viel Verhandlungsspielraum bei anstehenden Freihandelsverhandlungen.» Die Abschaffung der Industriezölle würde zudem ein Loch von 540 Millionen Franken in die Bundeskasse reissen. Dies sei angesichts der Einnahmenausfälle durch die Corona-Krise Geld, welches irgendwo eingespart werden müsste, zum Beispiel bei der Landwirtschaft.

Die Konsumentenschutzorganisationen sind gespalten. Die Stiftung für Konsumentenschutz befürchtet, dass die Streichung der Zölle nicht an die Konsumenten weitergegeben wird. Bundesrat Guy Parmelin verspricht, dies mit einem Monitoring zu verfolgen. Der vor kurzem gegründete Verein Vision Konsum unterstützt die Vorlage, wie Präsidentin und Nationalrätin Daniela Schneeberger sagt: «Damit werden die Kaufkraft und der Wettbewerb gestärkt.» Die Massnahme diene den Unternehmen und sei wichtig für Industriearbeitsplätze.

«Eine Abschaffung wäre eine verpasste Chance.»

Franziska Ryser, Nationalrätin Grüne (SG)

Grüne und Grünliberale möchten, dass mit den Zöllen klimaschädliche Produkte besteuert werden. Die Grünen wollen deshalb nicht auf die Vorlage eintreten und haben entsprechende Vorschläge bereits deponiert, wie Franziska Ryser, St. Galler Nationalrätin, bestätigt. «Eine Abschaffung wäre eine verpasste Chance», findet sie. Die Grünliberalen wollen umgekehrt auf die Vorlage eintreten und dann ökologische Anliegen einbringen.

Es wird knapp für Parmelin

Wenn SP und Grüne gegen die Streichung stimmen und die Bauern ein paar Nationalräte aus der CVP, der FDP und der SVP auf ihre Seite ziehen können, dann wird es knapp. Die SVP besprach die Vorlage an drei Fraktionssitzungen, und doch könnte es einige Abweichler von der offiziellen Haltung geben. Guy Parmelin, selber ursprünglich Landwirt, ist sich dessen sehr wohl bewusst.

Philip Mosimann fände das schade. Die Schweiz würde mit der Streichung zeigen, dass sie ein offenes Land sei und auf Zölle verzichte, für die es keine Berechtigung mehr gebe, sagt er. «Das stärkt unsere internationale Glaubwürdigkeit in Verhandlungen mit unseren Handelspartnern über eine Stärkung des Welthandels.» Doch ob eine Mehrheit des Nationalrates den Welthandel tatsächlich stärken will, ist fraglich.