Abfahrt der Frauen in St. Moritz«Langsam, aber sicher wird es unmenschlich, was Shiffrin tut»
Mikaela Shiffrin gewinnt zum 91. Mal im Weltcup und staunt ab sich selbst. Die Schweizerinnen kassieren eine Ohrfeige – und das Rennen wird gar abgebrochen.
Michelle Gisin sass auf dem Sessellift hinauf zum Start, sie sah die Fahrt von Mikaela Shiffrin und dachte sich: «Unfassbar, das ist einfach perfekt.»
Der Eindruck täuschte nicht, Shiffrin fuhr wieder einmal nahe an der Perfektion, sie, die Technikerin, düpierte alle Abfahrerinnen und gewann in St. Moritz, blieb gar 15 Hundertstel vor Sofia Goggia. Für Shiffrin handelt es sich um Weltcupsieg Nummer 91, und auch der 91. Triumph kann einen offensichtlich sprachlos machen. Im Interview stotterte sie und wirkte gerührt, sie schlug sich mehrmals die Hände vors Gesicht, als könne sie kaum fassen, was eben geschehen ist.
Shiffrin verblüffte die Konkurrenz wieder einmal, und doch war am Ende kaum jemand richtig erstaunt, stand sie zuoberst auf dem Podest. «Sie ist einfach die Beste, sie steht so zentral über dem Ski, das kannst du nicht lernen. Diese Gabe hast du, oder du hast sie eben nicht», resümierte Karl Frehsner, der Evergreen bei Swiss-Ski, mittlerweile zuständig für die Entwicklung der Anzüge. Der 84-Jährige sagte überdies, die mentale Komponente sei nicht zu unterschätzen: «Vor ihr kapitulieren einige schon im Vorfeld, sie macht etwas mit der Psyche ihrer Gegnerinnen.»
Gut-Behrami hadert erstmals
Shiffrin hat im Engadin schon einen Slalom gewonnen, auch ein Parallel-Rennen, dazu zwei Super-Gs. «Sie kann einfach alles», sagte die Slowenin Ilka Stuhec, «aber sie tut auch viel dafür». Shiffrin gilt als Fleissigste unter den Fleissigen, am Donnerstag blieb sie nach dem zweiten Abfahrtstraining als Einzige am Berg, absolvierte trotz Jetlag und minus 14 Grad noch einige Riesenslalom-Läufe. «Für sie hat der Tag zu wenig Stunden, so viel möchte sie trainieren», hielt SRF-Expertin Tina Weirather fest. «Sie braucht das – so holt sie sich das Selbstvertrauen.»
Bereits im Sommercamp in Chile hatte Shiffrin mehr in die schnellen Disziplinen investiert, und doch war sie nicht sicher, ob sie in St. Moritz die Abfahrt tatsächlich bestreiten soll. Gisin, die sie vom Lift aus beobachtet hatte, sagte später: «Hut ab vor Mikaela. Langsam, aber sicher wird es unmenschlich, was sie tut.»
Gisin ihrerseits fuhr mit 64 Hundertsteln Rückstand auf den ansprechenden achten Rang, war damit beste Einheimische und versprühte einmal mehr Optimismus. Bei ihr war die Sicht noch in Ordnung, später jedoch wurde es immer dunkler, weshalb das Rennen nach 35 Fahrerinnen abgebrochen, aber den Regeln entsprechend (30 müssen gestartet sein) gewertet wurde.
Als Team enttäuschten die Schweizerinnen nicht zum ersten Mal in diesem Winter. Hinter Gisin reihten sich Corinne Suter als 11. und Lara Gut-Behrami als 13. ein – Mittelmass also, mehr nicht. «Das ist nicht das, was wir erwarten», bilanzierte Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann, derweil Gut-Behrami erstmals in dieser Saison mit sich und der Ski-Welt haderte.
«Ich kam auf der Fläche einfach nicht vom Fleck, wieder einmal nicht.» Auf die Frage, was denn genau nicht stimme in den Gleitpassagen, antwortete die Tessinerin: «Nun ja, dieses Problem begleitet mich durch die ganze Karriere. Ich hoffe immer, dass es besser wird, aber es klappt nicht.» Im Super-G vom Sonntag wird sie wieder zu den Favoritinnen zählen.
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3 Mikaela Shiffrin
Die Amerikanerin zieht wunderbare Schwünge auf die Corviglia-Piste, wird fürs Erste ihrer Favoritenrolle gerecht und verdrängt Federica Brignone von der Spitze. Zum Ende des Laufs hin schmilzt ihr Vorsprung zwar, aber sie ist 0,17 Sekunden schneller im Ziel als die Italienerin.
2 Stephanie Venier
Oben noch schneller als Federica Brignone, verliert die Österreicherin im zweiten Streckenteil zusehends Zeit und klassiert sich am Ende mit 41 Hunderstel Respektabstand hinter der Leaderin.
1 Federica Brignone
Mit 1:29,01 Minuten setzt die Italienerin eine erste Richtzeit. Die formstarke Bringone meistert die perfekt präparierte Piste ohne erkennbare Probleme. «Zu problemlos», fragt der Kommentator bei SRF. Wir werden sehen.
Es geht los!
Mit Federica Brignone beginnt die erste Abfahrt der Saison. Viel Vergnügen!
Die Favoritinnen
Es ist bei besten äusseren Bedingungen und Minstemperaturen die erste Abfahrt der Saison, so gesehen beginnen alle bei Null. Aber natürlich sind die Favoritinnen der Vorsaison auch die Favoritinnen in diesem Jahr: allen voran Sofia Goggia (ITA), die Dominatorin von 2022/23. Daneben Mikaela Shiffrin (USA), die beiden Schweizerinnen Corinne Suter und Lara Gut-Behrami oder Federica Brignone. Gerade die Italienerin mausert sich zur Allrounderin.
Resultate des Vorjahres
Im Dezember vor einem Jahr waren die Abfahrten von St. Moritz in italienischer Hand. Sofia Goggia und die gestern Freitag schwer gestürzte Elena Curtoni gewannen damals. Für die Schweiz sicherte Corinna Suter mit Rang 3 immerhin einen Podestplatz.
Die Schweizerinnen
Neun Fahrerinnen von Swiss-Ski sind in der Abfahrt am Start: Priska Nufer (Startnummer 5), Lara Gut-Behrami (7), Jasmine Flury (11), Corinna Suter (15), Joana Hählen (16), Michelle Gisin (17), Juliana Suter (27), Delia Durrer (28) und Jasmina Suter (39). Insgesamt sind 56 Fahrerinnen gemeldet. Startnummer 1 trägt die Italienerin Federica Brignone.
Guten Morgen…
…und herzlich Willkommen zum Ticker der Frauen-Abfahrt von St. Moritz. Es ist das zweite Rennen im Engadin an diesem Wochenende nach dem Super-G von gestern. Jenes Rennen gewann Sofia Goggia vor Cornelia Hütter und Lara Gut-Behrami. Die drei zählen auch am Samstag auf den ganz langen Latten zu den Anwärterinnen auf den Sieg.
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