Abfahrt in Crans-MontanaDreifachtriumph am Heimrennen – die Schweizer erinnern in Crans-Montana an goldene Tage
Franjo von Allmen gewinnt vor Marco Odermatt und Alexis Monney. Die Schweizer überragen in Crans-Montana alle. Für Weltmeister von Allmen handelt es sich um den ersten Abfahrtssieg im Weltcup.

Was ist in den letzten Tagen nicht alles gemäkelt worden über diese Abfahrts-Piste von Crans-Montana? Nicht Weltcup-würdig sei die Strecke, hielt Dominik Paris fest. «Es ist die einfachste Abfahrt, die ich je gefahren bin», urteilte Marco Odermatt. Der Altmeister aus Südtirol und der Dominator aus Nidwalden waren bei weitem nicht die Einzigen, die bei der Rückkehr der Männer nach Crans-Montana die Nase rümpften.
Natürlich: Das Gelände ist verhältnismässig einfach, es fehlen technisch anspruchsvolle Stellen wie in Beaver Creek und Kitzbühel oder ikonische Passagen wie in Wengen. Nur sorgen die Schweizer Athleten mit ihrem Dreifachtriumph dafür, dass die Mäkelei am Samstagvormittag rasch in den Hintergrund rückt. Franjo von Allmen gewinnt mit 13 Hundertsteln Vorsprung auf Marco Odermatt, Dritter wird Alexis Monney. Und als die drei da vom Podest strahlen, dürfte manch Schweizer Skifan ein ganz besonderes Déja-vu haben.
Von Allmens Schreckmoment
Crans-Montana ist für den Schweizer Skisport in etwa das, was das Berner Wankdorfstadion seit dem WM-Titel von 1954 für den deutschen Fussball ist. Dieser Ort ist untrennbar mit einer Sternstunde verbunden. 1987 triumphierte Peter Müller in der WM-Abfahrt hier vor Pirmin Zurbriggen und Karl Alpiger. 14 Medaillen holten die Schweizer an der Heim-Weltmeisterschaft, nie mehr seit jenen goldenen Tagen waren die Vertreter von Swiss-Ski so erfolgreich gewesen.
Aber jüngst kamen sie in Saalbach mit 13-mal Edelmetall sehr nahe an diese Marke heran. Von den fünf Goldmedaillen gewann Franjo von Allmen zwei – in der Abfahrt und in der Teamkombination mit Loïc Meillard. So schön das für einen Athleten ist, dieser Umstand kann auch zur Belastung werden. Jüngst erzählte Bruno Kernen gegenüber dieser Redaktion davon, wie viel Druck ihm der WM-Titel aufsetzte. Und was macht von Allmen? Er knüpft in Crans-Montana einfach dort an, wo er in Saalbach aufgehört hat. Dabei gelingt ihm keineswegs eine saubere Fahrt, nach dem Zielsprung gibt es gar einen kurzen Schreckmoment für den 23-Jährigen. Er sagt: «Ich habe zwei-, dreimal die aerodynamische Position verlassen, was viel Zeit gekostet hat. Dass es trotzdem gereicht hat, ist schon überraschend.»
Nach drei zweiten Plätzen in dieser Saison verbucht von Allmen nun ausgerechnet im Heimrennen den ersten Sieg in einer Weltcup-Abfahrt. Das Strahlen des Draufgängers wird beinahe schon zum Standbild bei Speed-Rennen. Doch im SRF-Interview mahnt er zur Bescheidenheit: «Als Athlet weisst du nie, wann es aufhört so zu laufen. Deshalb will ich es geniessen und die ganze Stimmung aufsaugen, so lange ich kann.»
Wie in Veysonnaz 1996
Beachtlich ist ebenso, wie Odermatt nach seiner Kritik an der Piste reagiert. Obwohl diese für ihn keine Passage bereithält, in der er mit seinen herausragenden technischen Fähigkeiten glänzen kann. «Es war aus meiner Sicht ein perfektes Rennen, ich wüsste nicht, wo ich viel besser hätte fahren können», sagt er. «Ich weiss, dass ich auf einer solchen Piste voll ans Limit gehen muss, deshalb bin ich sehr zufrieden, dass ich das so zeigen konnte.» Wobei er es nicht unterlässt, seinen Servicemann zu loben. Dieser habe nach dem mässigen Training am Freitag dazu geraten, einen anderen Ski und eine andere Bindung zu wählen. «Nach der Besichtigung am Samstagmorgen wusste ich: Das passt.»
Vergangenen März standen im Super-G von Saalbach mit Stefan Rogentin, Loïc Meillard und Arnaud Boisset im Weltcup letztmals drei Schweizer auf dem Podest. Wer nach dem letzten Dreifachtriumph in einer Abfahrt sucht, muss jedoch viel weiter zurückblicken: Am 19. Januar 1996 siegte Bruno Kernen in Veysonnaz vor William Besse und Daniel Mahrer. Mit Xavier Gigandet landete damals gar ein weiterer Schweizer auf Rang 4. Von Allmen, Odermatt und Monney waren da noch nicht einmal geboren.
Zum aus Schweizer Sicht perfekten Samstag passt die Meldung von Niels Hintermann. Über Instagram verkündet er, dass die Krebserkrankung überwunden sei. Der Zürcher gehört ebenso zu dieser kompetitiven Speed-Equipe, er musste in den letzten Monaten jedoch von der Ferne aus zuschauen, wie seine Kollegen von Sieg zu Sieg fuhren. Bis im Sommer will er daran arbeiten, physisch wieder auf das Niveau von August 2024 heranzukommen – um von Allmen und Co. herausfordern zu können.
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13 – Miha Hrobat
Der Slowene ist der einzige Nicht-Schweizer, der in der Abfahrtswertung in den Top 5 liegt. Doch der Dritte der Abfahrten von Beaver Creek und Wengen kann seine Stärken in Crans-Montana nicht ausspielen. Er verliert über eine Sekunde auf Odermatt.
12 – Marco Odermatt
Ihm fehlen in Crans-Montana die Herausforderungen, es gibt schlicht keine technisch anspruchsvollen Passagen, in denen er seine überragenden Fähigkeiten ausspielen könnte. Aber Odermatt ist Odermatt – er kann mittlerweile auf jedem Terrain überragen. Und das zeigt er auch jetzt. Der Nidwaldner stellt die neue Bestzeit auf – er führt mit drei Zehnteln Vorsprung auf Copain Monney.
11 – Nils Allegre
Der erste Franzose ist in Crans-Montana unterwegs. Und die Franzosen sind nicht zu beneiden, nach Cyprien Sarrazin und Blaise Giezendanner verletzte sich am Freitag im Training auch noch Nils Alphand nach einem Sturz. Allegre verliert 1,09 Sekunden auf Monney – Zwischenrang 7.
10 – Dominik Paris
Das zweite Training gewann der Routinier aus Südtirol in Crans-Montana – primär, weil von Allmen vor dem Ziel noch abbremste. Gleichwohl hinderte das Paris nicht, über die zu einfache Piste zu motzen. Ihm schlägt es hier deutlich zu wenig, die Stärken kann er so nicht ausspielen. Paris klassiert sich auf Zwischenrang 4 – mit 67 Hundertsteln Rückstand auf Monney.
9 – Justin Murisier
Er gewann sensationell in Beaver Creek, auf einer technisch äusserst anspruchsvollen Strecke. Diese Herausforderung fehlt ihm heute. Zudem soll ihm sein mehrfach operiertes Knie wieder Probleme bereiten, den WM-Riesenslalom musste er deswegen auslassen. Nun, Murisier kommt beim Heimrennen nicht auf Touren, er verliert 1,6 Sekunden auf Copain Monney.
8 – Bryce Bennett
Und wir haben bereits den zweiten Amerikaner auf der Piste. Aber der 2-Meter-Mann kommt mit der Piste Nationale nicht zurecht. Er verliert 1,55 Sekunden auf Monney – keiner war bis jetzt langsamer.
7 – Vincent Kriechmayr
Silber gewann der Österreicher an der Heim-WM in der Abfahrt, er klassierte sich damit zwischen Weltmeister Franjo von Allmen und Monney. Und auch in Crans-Montana belegt Kriechmayr vorerst Rang 2, mit 39 Hundertsteln Rückstand auf Monney.
6 – Alexis Monney
In Bormio triumphierte er sensationell, in Kitzbühel wurde er Zweiter. Steile und eisige Pisten liegen dem Fribourger also. Crans-Montana entspricht diesem Gelände überhaupt nicht. Aber Monney ist in Form, das bewies er schon an der WM in Saalbach mit Rang 3 in der Abfahrt. Und Monney stellt auch in Crans-Montana eine Bestzeit auf, er ist vier Zehntel schneller als Schieder.
5 – Stefan Rogentin
Nun haben wir den ersten Schweizer auf der Strecke. Einer notabene, der sich nicht über die Piste Nationale ausgelassen hat. Und gerade im ersten Abschnitt fährt Rogentin sehr stark. Aber dann verliert er im vierten Abschnitt viel Zeit und schwingt unten mit knapp sechs Zehnteln Rückstand auf Schieder als Dritter ab.
4 – Elian Lehto
Mit Elian Lehto hat der vierte Fahrer im Ziel abgeschwungen. Aber auch der Finne, der oft mit den Schweizern trainiert, kommt nicht an Schieder heran. Er belegt mit fünf Zehnteln Rückstand den zweiten Zwischenrang.
3 – Ryan Cochran-Siegle
Der Amerikaner ist ein Trainings-«Weltmeister». An der WM stellte er zweimal die Bestzeit auf, ging aber im Rennen leer aus. Und auch heute dürfte das für Cochran-Siegle nichts werden – er verliert über sieben Zehntel auf Schieder.
2 – Florian Schieder
Der Italiener fährt ein My direkter, wählt eine engere Linie. Und das zahlt sich deutlich aus: Schieder nimmt Hemetsberger eine Sekunde ab.
Startnummer 1 – Daniel Hemetsberger
Das Rennen ist eröffnet! Die frühe Startnummer ist heute bestimmt ein Vorteil, zieht man die immer wärmer werdenden Temperaturen in Betracht. Daniel Hemetsberger setzt mit 1:57.88 den ersten Richtwert – damit ist er eine Sekunde langsamer als Dominik Paris im Training.
Die Favoriten
In der Abfahrtswertung führt Marco Odermatt vor Franjo von Allmen, Justin Murisier und Alexis Monney folgen auf den Rängen 4 und 5. In den fünf bisherigen Abfahrten feierten die Schweizer vier Doppelsiege. Erst in Kitzbühel konnte der Kanadier James Crawford diese unglaubliche Serie beenden. Und in Saalbach kürte sich von Allmen mit erst 23 zum Weltmeister. Entsprechend klar liegt die Favoritenrolle bei den Schweizern.
Kontroverse um die Strecke
Die Begeisterung über die Piste Nationale in Crans-Montana hält sich übrigens in Grenzen. So sagte Marco Odermatt gegenüber «CH-Media»: «Wenn ich eine Abfahrt nach meinen Wünschen gestalten könnte, dann sähe diese sicher anders aus. Es ist die einfachste Abfahrt, die ich je gefahren bin.» Und auch Abfahrts-Weltmeister Franjo von Allmen sprach davon, dass man gleich zu Beginn den Speed mitnehmen müsse – weil er sonst sehr schwierig werde. Routinier Dominik Paris hielt ebenfalls nicht mit Kritik zurück, gegenüber dem «Blick» sagte er: «Wir fahren hier auf einer Piste, die sich wunderbar als Strecke im Europacup eignet. Aber die Strecke ist nicht Weltcup-würdig und taugt erst recht nicht für eine WM-Abfahrt, dazu ist sie viel zu einfach.»
Rückkehr nach Crans-Montana
2012 traten die Männer letztmals in Crans-Montana an. Zwei Super-Gs und ein Riesenslalom standen auf dem Programm. Und es gab einen Heimsieg! Im ersten Super-G gewann Didier Cuche vor Jan Hudec und Benjamin Raich. Einen Tag später wurde der Neunburger hinter Raich und Adrien Theaux Dritter. Die letzte Männer-Abfahrt in Crans-Montana liegt gar 27 Jahre zurück – entsprechend bedeutet die Strecke für die Athleten Neuland.
Herzlich willkommen
Knapp eine Woche nach der WM in Saalbach-Hinterglemm meldet sich der Ski-Tross zurück. Auf dem Programm steht heute die Abfahrt von Crans-Montana – auf der WM-Strecke von 2027 notabene. Stefan Rogentin gewann am Donnerstag das erste Training, Dominik Paris am Freitag das zweite. Los geht es auf der Piste Nationale um 10 Uhr. Schön, dass Sie das Rennen mit uns im Liveticker verfolgen.
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