Geheimtipp für die HerbstferienAb auf die Insel voller Wunder
Gozo, die kleine Schwester von Malta, ist jetzt das perfekte Ferienziel. Das Mittelmeer bleibt warm, ein paar Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Eine Inselreise in fünf Kapiteln.

Hürden zum Start
Die Beamtin kennt keine Gnade: «Gerne dürfen Sie unser Quarantänehotel aufsuchen, kostet pro Nacht 100 Euro – oder Sie fliegen gleich zurück», sagt die junge Frau an der Grenzkontrolle im Flughafen Malta. Nichts zu machen, die Einreise bleibt der Kollegin verwehrt. Sie ist zwar genesen von Covid und einmal geimpft, muss aber zähneknirschend rechtsumkehrt machen. Malta gewährt nur doppelt Geimpften Zutritt. Dafür geniessen Touristen relativ viele Freiheiten. Klar, es gilt Maskenpflicht in Innenräumen, aber ein Zertifikat will während vier Tagen nur die Hotelréceptionistin beim Einchecken sehen. Das Ziel heisst nicht Malta, die dicht besiedelte Hauptinsel, sondern Gozo, das 67 Quadratkilometer grosse Eiland, 40 Minuten per Schnellfähre vom Hafen von Valletta entfernt.

Eine Insel mit einem Dutzend Orten und felsigen Küsten, gesprenkelt mit ausgetrockneten Feldern. Die 31’000 Einwohner glauben noch an Wunder und scheinen nicht unglücklich, dass sich das 300-Millionen-Projekt der Regierung verzögert, mit einem Tunnel auf dem Meeresgrund Malta und Gozo zu verbinden.
Beten für einen Fussballpokal
Vater Gerard Buhagiar hat an diesem Morgen schon drei Pilgergruppen begrüsst in der Basilika von Ta’ Pinu, die der Mutter Gottes geweiht ist. «Vor der Pandemie kamen fast eine Million Menschen pro Jahr in unsere Wallfahrtskirche», erzählt der muntere Priester. Herz des Gotteshauses im neonormannischen Stil: die Kapelle mit einem 400 Jahre alten Gemälde, das die Jungfrau im Kreise von vier Engeln zeigt. 1883 erschien hier ebendiese Maria der Bäuerin Carmela Grima. Wie durch ein Wunder genas anschliessend eine todkranke alte Frau in Carmelas Nachbarschaft. Es folgten weitere Wunder, ein Heer von Pilgern und reichlich Spenden, sodass in den 30er-Jahren die stolze Basilika eingeweiht werden konnte.

Der Vatikan hat die Wunderstätte nur halbherzig anerkannt, was dem Glauben der sehr katholischen Malteser keinen Abbruch tut. In zwei Schauräumen zeugen Krücken und Prothesen, Bilder und ein Siegerpokal einer Fussballtruppe von den Wundern, die hier erbetet wurden. «Ob man nun an Wunder glaubt oder nicht», sagt Vater Gerard sibyllinisch, «Ta’ Pinu ist ein Ort mit besonderer Kraft.»
Traumstrände und das kaputte Felsentor

Vielleicht könnte Maria, die gerne Blau trägt, an der Westküste Gozos ein blaues Wunder erwirken: Im Frühling 2017 zerstörte ein Sturm das Blaue Fenster, ein malerisches Felsentor in der kühnen Küstenkulisse. Wär doch schön, wenn dieses Wunder der Natur über Nacht wieder heil würde!
So bleiben den Bootsführern, die Schaulustige ab dem kleinen Inlandsee von Dweira durch einen 150 Meter langen natürlichen Tunnel ins offene Meer schippern, nur bedauerndes Achselzucken und der Hinweis auf die orangen Korallen und das kristallklare Wasser. Im Gegensatz zu Malta birgt Gozo einen Traumstrand, der diesen Namen auch wirklich verdient: Ramla il Hamra. Hoch über der Bucht mit dem breiten Sandstreifen und dem sanften Einstieg ins herbstwarme Meer (und wen wunderts, mit einer Marienstatue) thront der Eingang zur Calypso-Höhle, der gesperrt ist – Einsturzgefahr!

Eine wundervolle Szenerie bietet auch die berühmte Blaue Lagune vor der Nachbarinsel Comino. Der weisse Sandstrand und das Blau des Meeres wecken karibische Sehnsüchte. Allerdings erst abends, wenn Myriaden von Tagestouristen und die Flotte lauter Partyboote abgezogen sind.

Giganten aus der Steinzeit
Wandert man in Xaghra an Kaktusfeigen und anderem mediterranem Buschwerk vorbei, erblickt man das älteste Wunder der Insel: die steinzeitliche Tempelanlage von Ggantija, erbaut 3600 vor Christus, fünf Halbkreise mit Altären, auf denen wohl Tier-, aber keine Menschenopfer dargebracht wurden. Die von den Archäologen ausgegrabenen Mauern bestehen aus elegant geschichtetem Korallensandstein, im Fundament die grossen, oberhalb die kleineren Brocken, verfugt mit Schlamm.
Man weiss wenig über die Menschen, die während eines Jahrtausends hier ihrem Kult frönten, nur, dass sie irgendwann ausstarben oder abzogen, denn in der folgenden Bronzezeit blieb Gozo unbewohnt. Das grösste Wunder: ein 51 Tonnen schwerer Felskoloss, der kilometerweit zur erhöhten Tempelanlage geschoben wurde. Transporttechnik? Ein Rätsel, das auch im Ggantija-Museum nicht aufgeklärt wird.
Gleich zwei Opernhäuser

Aussergewöhnlich, was eine 10 Kilometer lange und 14 Kilometer breite Insel zu bieten hat. In der Hauptstadt Victoria (Rabat) wohnen nur 6800 Einwohner. Über dem Gassengewirr erhebt sich eine imposante Zitadelle. Innerhalb der Festungsmauern die Kathedrale, die – bitte raten! – der Heiligen Jungfrau geweiht ist.

Die weltliche Dépendance unten im Städtchen: das Aurora Opera Theatre, eine traditionsreiche Eventlocation, wo einmal pro Jahr eine Oper vor 1600 Zuschauern gegeben wird – «Aida» im Herbst 2022. Hier ist der Sitz der Socjeta Leona, die auch eine Brassband, Jugendgruppen und ein Café unterhält.

Und das Wunder: Ein paar Meter weiter trifft man auf ein zweites Opernhaus, mit der Kirche St. George verbandelt. Das Astra spielt in einem Jahr übrigens «Carmen».
Die Reise wurde unterstützt von Rolf Meier Reisen.
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