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Erforderliche Impfquote
90 ist die neue 70

«Bei der hochansteckenden Delta-Variante ist vieles schwieriger geworden»: Die Impfquote müsste noch einmal deutlich erhöht werden.
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Soll man eine Impfpflicht verhängen, wie in Österreich? Oder es doch weiter mit Überzeugung und Druck in Form von 3-G-Massnahmen versuchen? Welchen Weg man auch immer bevorzugt – das Ziel ist klar: Die Impfquote im Land muss sich deutlich erhöhen, um Engpässe in den Spitälern und Lockdown-Zustände anderswo in der Gesellschaft zu verhindern. Aber wie hoch müsste sie eigentlich werden, um auch in der kalten Jahreszeit Freiheit ohne massenhaften Tod zu ermöglichen?

Gewiss ist: Höher als zu Beginn der Pandemie gedacht. Damals gingen Expertinnen und Experten davon aus, dass eine Impfquote von 70 Prozent, wie sie jetzt fast erreicht ist, zu einer Herdenimmunität führen könnte. Herdenimmunität wäre ein Traum. Dann wären so viele Menschen immun, dass das Virus kaum noch jemanden findet, auf den es überspringen kann.

Weniger anspruchsvoll ist der Herdenschutz, bei dem das Virus zumindest deutlich an der Ausbreitung gehindert wird. Infektionsketten brechen dann mangels weiterer möglicher Opfer bald ab. Auch ohne zusätzliche Infektionsschutzmassnahmen würde in einer solchen Gesellschaft kaum noch jemand krank.

Es bräuchte über 90 Prozent

Dass eine Impfquote von 70 Prozent für dieses ehrgeizige Ziel lange nicht ausreicht, zeigt sich schon seit längerem. Selbst 80 Prozent sind aber nicht mehr genug, wie der Blick in Gebiete mit einer solchen Impfquote zeigt. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass sich das Coronavirus mittlerweile verändert hat: «Bei der hochansteckenden Delta-Variante ist vieles schwieriger geworden», sagt Ulrike Protzer, die Direktorin der Virologie an der TU und am Helmholtz-Zentrum München. Deshalb liege die Latte für die erforderliche Impfquote höher.

Hinzu kommt, dass auch Geimpfte sich häufiger anstecken und das Virus stärker weitergeben können, als man zu Beginn der Impfkampagne gedacht hat. «Um die Ausbreitung des Virus allein durch Impfungen und ohne weitere Massnahmen einzudämmen, bräuchte man wohl eine Gesamtimmunität von über 90 Prozent», so Protzer.

Geimpfte um 40 Prozent weniger ansteckend

Von 90 Prozent geht auch eine Studie aus, die der Epidemiologe Martin Eichner von der Universität Tübingen jüngst im Auftrag des baden-württembergischen Gesundheitsministeriums erstellt hat. Sein Team kalkulierte mit dem aus verschiedenen Studien extrahierten Wert, dass geimpfte Infizierte um etwa 40 Prozent weniger ansteckend sind als ungeimpfte. Ausserdem gingen die Epidemiologen davon aus, dass die Impfstoffe nach wie vor zu 90 bis 100 Prozent davor schützen, sehr schwer zu erkranken oder gar zu versterben. So kam das Team auf eine Ziel-Impfquote von 90 Prozent, mit der sich hohe Hospitalisierungszahlen verhindern liessen.

Wie viele Menschen geimpft sein müssen, hängt Eichner zufolge aber noch von einem weiteren Faktor ab: der Wirksamkeit der Impfungen. Diese lässt derzeit nach, denn vor allem bei älteren Menschen liegt die Grundimmunisierung mittlerweile mehr als sechs Monate zurück. Auffrischimpfungen seien deshalb wichtig, sagt Ulrike Protzer – nicht nur für den persönlichen Schutz der Älteren.

Auch die Booster der Jüngeren tragen zum Herdenschutz bei, so die Virologin: «Wenn jeder wieder besser geschützt ist, wird auch insgesamt das Infektionsgeschehen zurückgedrängt.» Was Deutschland also braucht, sind Impfungen rundum – für die Geimpften ebenso wie für die Ungeimpften. Nur mit einer Kombination aus Auffrisch- und Erstimpfungen wird sich am Ende ein Gemeinschaftsschutz erreichen lassen, der andere Massnahmen weitgehend verzichtbar macht.