Interaktives Tool zur Ungleichheit Hier die Armen, da die Reichen: So durchmischt ist Ihr Wohnort
Viele Schweizer Städte und Dörfer sind sozial gespalten. Das zeigen exklusive Daten zum sozioökonomischen Status.
In jeder Stadt, in jedem Dorf in der Schweiz leben privilegierte und weniger privilegierte Menschen. Doch diese Gruppen leben nicht immer einfach Tür an Tür – sondern meistens gibt es klare Grenzen.
Fachleute sprechen bei solchen Mustern der Ungleichheit von Segregation. Das bedeutet, dass sich die Menschen jeweils gesondert nach ihrem gesellschaftlichen Status in bestimmten Gegenden niederlassen. Manchmal trennt sie nur ein Bahngleis, eine Strasse oder ein Fluss.
Mit exklusiven Daten lassen sich diese Muster erstmals für die Schweiz visualisieren – Stadt für Stadt, Dorf für Dorf.
Grundlage ist ein Index zum sozioökonomischen Status, der vereinfacht gesagt für mehr als 1,5 Millionen Wohngebäude in der Schweiz zeigt, ob darin ärmere oder reichere Menschen leben.
Der Index errechnet sich aus der Miete, dem Bildungsniveau, dem Beruf sowie dem Belegungsgrad des Haushalts. Nicht enthalten sind Einkommens- und Vermögensdaten. Insofern bildet der Index Reichtum und Armut indirekt ab. Er zeigt, wo die Menschen mit einem hohen Status leben. Und wo diejenigen mit einem tiefen. Die aktuellsten Daten stammen von 2015.
Besonders deutlich sind die Muster der Ungleichheit in den grossen Städten.
David Kaufmann forscht an der ETH Zürich am Institut für Raum- und Landschaftsentwicklung. Der Assistenzprofessor hat für diese Redaktion die Ungleichheitsmuster in den einzelnen Städten begutachtet. Und er ist überrascht, wie wenig sozial durchmischt die grossen Städte sind – insbesondere in der Deutschschweiz. Das gilt vor allem auch für Bern. Kaufmann sagt, die Stadt betreibe in der Wohnbaupolitik eine «starke Diversitätsrhetorik», doch diese Durchmischung zeige sich in den Daten nicht. Insofern sei Bern sicher atypisch, «weniger städtisch» als andere Städte, vielmehr «bürgerlicher».
Für Kaufmann ist auch klar, dass der Druck auf weniger privilegierte Leute weiter steigen wird, die Städte zu verlassen, weil die Mieten schlicht zu teuer werden: Solche Verdrängungseffekte gebe es vor allem in den grossen, attraktiven Schweizer Städten, sagt der Wissenschaftler. Durchmischter seien hingegen Städte in der Romandie wie zum Beispiel Genf oder Lausanne. Da gebe es grosse Investitionen in Wohnungspolitik – und entsprechend auch mehr Sozialbauten.
Interessante Muster zeigen sich nicht nur in den grossen Zentren, sondern auch in vielen Kleinstädten.
Wohlhabende am Rand
In einigen Städten in der Schweiz zeigt sich ein spezielles Muster: In der Innenstadt wohnen die weniger gut situierten Leute, an den Rändern die privilegierten. Biel und La Chaux-de-Fonds sind zwei Beispiele. ETH-Professor Kaufmann vermutet, dass da noch der Effekt der «A-Städte» nachwirkt, wie er in den Jahren 1970 bis 2000 in vielen Schweizer Städten beobachtet wurde. A-Stadt bedeutet, dass die Reichen eher an die Ränder ziehen und die Zentren vor allem von Armen, Arbeitslosen, Alten und Alkoholikern bewohnt werden. Kaufmann sagt, solche Muster seien eher die Ausnahme. Der Grund für diese Muster: Die beiden Städte seien wirtschaftlich nicht so stark gewachsen wie andere Städte.
Wohlhabende im Zentrum
Ein häufigeres Bild in Städten ist jedoch das umgekehrte: Im Zentrum leben die Privilegierten, an den Rändern die weniger Wohlhabenden. Beispiele dafür sind Solothurn und Thun oder Freiburg in der Westschweiz. Grundsätzlich ist eine zentrale Wohnlage in einer Stadt attraktiv – laut Kaufmann vor allem auch für Pendlerinnen und Pendler.
Mosaikstädte
Die häufigste Struktur bei Schweizer Kleinstädten ähnelt jedoch einem Mosaik. Wohnquartiere für Leute mit einem hohen und solche mit einem tiefen Status wechseln sich ab. «Gerade im Vergleich mit grösseren Städten wie Bern oder Zürich sind solche regionalen Zentren besser durchmischt», sagt Wissenschaftler Kaufmann. Beispiele für solche Mosaikstädte sind Burgdorf im Kanton Bern und Kreuzlingen.
Strukturschwäche vs. Wirtschaftskraft
Offenkundig sind auch die Unterschiede zwischen strukturschwachen und prosperierenden Regionen. Im Wallis, im Jura oder im Tessin leben viel mehr ärmere Leute – zumindest gemessen am Schweizer Durchschnitt. Besonders strukturschwach ist beispielsweise die Stadt Martigny im Wallis mit ihren rund 20’000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Viel mehr Wohlhabende leben dagegen in Städten in wirtschaftsstarken Regionen wie zum Beispiel Zug (mit rund 30’000 Einwohnerinnen und Einwohnern).
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