Obergericht Zürich«8-ung, top secret»: Polizist plaudert Amtsgeheimnisse aus
Ein Beamter einer mittelgrossen Zürcher Polizei hat Gemeindeangestellte über laufende Ermittlungen informiert. Er ist sich keiner Schuld bewusst.
- Ein Polizist steht wegen Amtsgeheimnisverletzung vor dem Obergericht.
- Er übermittelte vertrauliche Informationen an Gemeindemitarbeitende per E-Mail.
- Der Polizist ist sich keiner Schuld bewusst, denn die Empfängerinnen seiner Mails stehen ebenfalls unter Amtsgeheimnis.
- Das Obergericht hätte die Strafe erhöht, ist jedoch rechtlich eingeschränkt.
Den Abschluss seines Berufslebens hat sich der 64-Jährige wohl anders vorgestellt. Seit über 40 Jahren ist er Polizist mit Leib und Seele. Doch jetzt steht er vor dem Zürcher Obergericht, wenige Monate vor seiner Pensionierung. Beschuldigt der Amtsgeheimnisverletzung.
Was der Mann getan hat, ist unbestritten und schnell erzählt. Als Polizist in einer mittelgrossen Zürcher Stadt hat er Angestellten derselben Gemeinde fünf E-Mails verschickt, in denen er Informationen aus seiner Polizeiarbeit weitergab.
Einer Kanzleimitarbeiterin schrieb er beispielsweise: «Heute Morgen früh war ich ab 0530 Uhr in Obfelden (wir überwachten den Volg… deshalb topsecret)». In einer anderen Mail informierte er sie: «Ev. interessant für Dich (8-ung/vertraulich)!! Gestern Mittag hatten wir ein Raserdelikt. Kennst du ev. den Portugiesen SC, Jg. 1995?» Der Mann wohne im selben Block wie die Kanzleimitarbeiterin und sei innerorts mit 124 km/h geblitzt worden: «Wahnsinn…u. hatte noch 3 Kleinkinder im Auto…!!»
Bloss keinen Eintrag im Strafregister
Für seine Mails kassierte der Mann einen Strafbefehl wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, die Staatsanwaltschaft brummte ihm eine bedingte Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 120 Franken auf. Er hätte es sich leicht machen und diese akzeptieren können. Schwamm drüber.
Doch der Polizist ist sich keiner Schuld bewusst. Er ficht den Strafbefehl zunächst beim zuständigen Bezirksgericht an, das die Strafe auf 20 Tagessätze zu 100 Franken senkt. Aber der Beamte will einen Freispruch. Denn eine Geldstrafe wird im Strafregister eingetragen – und damit droht ihm im schlimmsten Fall das unrühmliche vorzeitige Ende seines Berufslebens.
Am Stammtisch oder im Turnverein wäre er vorsichtiger
Deshalb steht er jetzt vor Obergericht. Und beteuert: «Ich habe nie absichtlich das Amtsgeheimnis verletzen wollen.» Selbstverständlich wäre er im Turnverein oder am Stammtisch vorsichtiger. Aber die beiden Frauen, die Mails von ihm erhalten haben, unterstünden ja auch dem Amtsgeheimnis.
In einer übersichtlichen Gemeindeverwaltung sei man im Gespräch miteinander, man vertraue sich: «Man hat Informationen auch mündlich ausgetauscht.» Etwa die Sache mit der Volg-Überwachung, da habe er der Kollegin erzählt, er habe sie aus dem Auto gesehen – und ihr halt den Grund genannt, warum er frühmorgens vor dem Laden stand. «Das ist halt meine Art, ich bin ein offener Typ.»
Dass die Kanzleimitarbeiterin dann aber den damaligen Gemeindeschreiber informierte und dieser Strafanzeige erstattete, das versteht der Polizist nicht: «Hinter meinem Rücken hat er das getan. Er hätte doch einfach mit mir reden und mir sagen können, hör mal, da machst du einen Fehler. Dann stünden wir jetzt nicht hier.»
Der Verteidiger des Polizisten argumentiert, die Gerichte hätten bisher nie wirklich geklärt, ob und unter welchen Umständen eine Amtsgeheimnisverletzung vorliege, wenn Informationen innerhalb derselben Verwaltungseinheit ausgetauscht würden. Es gebe dazu aber ein Gutachten, das klar zum Schluss komme: «Wenn Mitarbeitende derselben Einheit Interna austauschen, ist der Tatbestand per se nicht erfüllt.» Sein Mandant sei deshalb freizusprechen.
Das Obergericht hätte die Strafe erhöht, durfte aber nicht
Das Obergericht ist anderer Ansicht. Natürlich habe der Polizist nicht bösartig gehandelt, sondern einfach «leichtfertig ein bisschen zu viel geplappert», wie es der Vorsitzende Richter ausdrückte. Aber die Stadtkanzlei gehöre nun einmal nicht zur selben Einheit wie die Polizei, auch in einer kleinen Verwaltung nicht. «Die Empfängerinnen der Mails haben Informationen erhalten, die sich nicht wissen müssen.»
Dem Polizisten sei wohl auch klar gewesen, dass sein Tun heikel war, immerhin habe er auch Personendaten weitergegeben: «Da kommen wir nicht um einen Schuldspruch herum.» Wäre es dem Obergericht möglich gewesen, hätte es die Strafe sogar von 20 auf 45 Tagessätze erhöht. Doch das geht nicht, weil die Staatsanwaltschaft das Urteil des Bezirksgerichts akzeptiert hat.
Mit einem Weiterzug das vorzeitige Karriere-Ende verhindern?
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Man werde nun alle Optionen prüfen, sagt der Verteidiger unmittelbar nach der Verhandlung. Dem Polizisten stünde nun noch der Weg ans Bundesgericht offen – mit entsprechenden Kostenfolgen. Schon jetzt belaufen sich die Prozessgebühren auf über 6000 Franken, dazu kommen die Auslagen für den Wunschverteidiger.
Dafür könnte der Bald-Rentner mit einem Weiterzug einen möglichen endgültigen Schuldspruch bis zur Pensionierung hinauszögern. Zumindest bliebe er dann vor einem vorzeitigen Karriere-Ende verschont.
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