75 Verletzte bei Protesten in Barcelona
Neun von zwölf Angeklagten wurden verurteilt. Der frühere Vizepräsident Kataloniens erhält die höchste Strafe. Das Verdikt: Aufruhr.
Bei den Protesten am Flughafen von Barcelona nach der Verurteilung von Katalanen-Anführern sind 75 Menschen verletzt worden. Das gaben die Rettungsdienste des Flughafens am Montagabend bekannt, ohne Angaben zur Schwere der Verletzungen zu machen.
Demonstranten hatten sich am Flughafen heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Sie bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen und Abfalleimern, die Polizei setzte Schlagstöcke ein. Nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena wurden 110 Flüge gestrichen.
Im ebenso historischen wie umstrittenen Prozess gegen die katalanischen Separatistenführer sind neun Angeklagte zu langjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Das Oberste Gericht in Madrid verurteilte sie am Montag wegen Aufruhrs zu Freiheitsentzug zwischen neun und 13 Jahren. Die Verurteilten erhielten zudem ein Amtsverbot für die Dauer ihrer Haft.
Das Verfahren hatte die Gemüter im ganzen Land erhitzt und galt als eines der wichtigsten seit dem Übergang zur Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur in den 1970er Jahren.
Es ging dabei um die Rolle der Angeklagten bei dem von der Justiz verbotenen Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 und einem daraus resultierenden Unabhängigkeitsbeschluss der Regionalregierung.
Von einer Verurteilung wegen des von der Staatsanwaltschaft eingebrachten Vorwurfs der Rebellion, der mit Gefängnisstrafen von bis zu 25 Jahren geahndet wird, sahen die sieben zuständigen Richter ab. Rebellion setzt Gewaltanwendung voraus. Allerdings wurden einige der Politiker auch wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gesprochen.
13 Jahre Gefängnis für Oriol Junqueras
Hauptangeklagter war der frühere stellvertretende Regionalpräsident Oriol Junqueras, der auch die Höchststrafe von 13 Jahren erhielt. Genau wie acht seiner Mitstreiter sitzt er bereits seit zwei Jahren in Untersuchungshaft. Ex-Parlamentspräsidentin Carme Forcadell muss elfeinhalb Jahre ins Gefängnis.
Der Anwalt von Oriol Junqueras, Andreu Van den Eynde, schreibt auf Twitter, er habe das Urteil durch die Medien erfahren.
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Der damalige Regionalpräsident Carles Puigdemont stand nicht vor Gericht: Er war im Herbst 2017 zusammen mit anderen Politikern vor einer Festnahme nach Belgien geflohen. «Insgesamt 100 Jahre Haft. Eine Barbarei», twitterte Puigdemont als erste wütende Reaktion. Sein Nachfolger Quim Torra sagte: «Die Regionalregierung und ich lehnen diese Urteile als ungerecht und undemokratisch ab.» Man werde weiter auf eine katalanische Republik hinarbeiten.
Empörung in den Strassen von Barcelona
Nach der Urteilsverkündung blockierten aufgebrachte Unabhängigkeitsbefürworter die Strassen von Barcelona. Bei den Protesten ging die Polizei gegen Demonstranten am Flughafen vor. Bilder zeigten, wie Polizisten am Montag wiederholt Schlagstöcke gegen Kundgebungsteilnehmer einsetzten und Demonstranten am Boden festhielten. Hunderte Protestierende hatten die Sicherheitskräfte zuvor mit Steinen und Mülleimern beworfen.
Zu den Zusammenstössen kam es demnach, als Demonstranten eine Polizeiabsperrung vor dem Flughafen durchbrechen wollten. Ein Sprecher der katalanischen Regionalpolizei bestätigte, die Sicherheitskräfte hätten «Massnahmen zur Kontrolle der Menge» ergriffen, als diese die Absperrung durchbrechen wollte. Wegen der Proteste wurden nach Angaben des Flughafenbetreibers Aena etwa 20 Flüge gestrichen. Die Eingänge des Airports wurden von Demonstranten blockiert.
Tausende hatten sich am Mittag auf der zentralen Plaça de Catalunya in der katalanischen Hauptstadt versammelt, die katalanische Fahne geschwenkt und Schilder hochgehalten, auf denen sie die Freilassung der «politischen Gefangenen» forderten. ANC und Omnium Cultural kündigten für den Abend weitere Kundgebungen in der gesamten Region an. Auch in den nächsten Tagen werden zahlreiche Proteste erwartet. Demonstranten in fünf Städten sollen zu einem Sternmarsch aufbrechen, der am Freitag in Barcelona mit einem Generalstreik enden soll.
Der frühere katalanische Innenminister Joaquim Forn, der zu zehn Jahren und sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt wurde, schrieb auf Twitter: «Danke für Eure Unterstützung. Danke, weil wir wissen, dass ihr immer da seid. Wir werden nicht müde werden. Es lebe das freie Katalonien!»
Insgesamt zwölf Angeklagte
Insgesamt waren zwölf Separatisten angeklagt. Drei wurden nun wegen Ungehorsams verurteilt und müssen nicht ins Gefängnis – allerdings dürfen sie ein Jahr und acht Monate kein politisches Amt ausüben.
Der Prozess, der live im spanischen Fernsehen überragen wurde, war Mitte Juni nach vier Monaten mit den Schlussplädoyers der Angeklagten zu Ende gegangen. Diese riefen dabei fast ausnahmslos dazu auf, den Dialog zu suchen und eine politische Lösung für den Konflikt in der Region im Nordosten des Landes zu finden.
In dem Mammutprozess wurden fast 600 Zeugen vernommen, darunter der konservative frühere Ministerpräsident Mariano Rajoy, in dessen Amtszeit das Referendum fiel. Im Herbst 2017 hatte Rajoy die Regionalregierung abgesetzt und Katalonien monatelang unter Zwangsverwaltung gestellt.
Puigdemont soll international gejagt werden
Kurz nach der Verurteilung erliess der Oberste Gerichtshof in Madrid erneut einen internationalen Haftbefehl gegen den ins Exil geflohenen ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont.
Puigdemont wird wegen «Aufruhrs» und der Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht. Er hatte nach dem Referendum die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien erklärt. Durch seine Flucht nach Brüssel entzog er sich aber der Strafverfolgung in Spanien.
Regierung in Madrid hofft auf Neuanfang
In Spanien wird am 10. November ein neues Parlament gewählt. Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez hofft, das Ende des Gerichtsprozesses könne dem Dialog mit den Unabhängigkeitsbefürwortern neuen Auftrieb geben. In einer Fernsehansprache rief Sánchez am Montag dazu auf, «ein neues Kapitel» aufzuschlagen, betonte aber auch, dass niemand über dem Gesetz stehe.
Die Partei von Junqueras, die Republikanischen Linken Kataloniens (ERC), betonte jedoch, ohne eine «Amnestie» für die «politischen Gefangenen und Exilanten» sei ein Dialog unmöglich.
Der populäre Fussballspitzenclub FC Barcelona kritisierte die Haftstrafen für die neun Angeklagten. «Gefängnis ist nicht die Lösung», schrieb der Fussballverein im Onlinedienst Twitter.
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SDA/oli/fal/chk
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