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Rundgang in 9 Stationen
«Über diesen Raum kursieren viele Gerüchte» – auf Campus-Tour durch die gigantische Microsoft-Zentrale

Luftaufnahme eines grossen Bürokomplexes mit mehreren Gebäuden, Strassen und umgebender Vegetation.
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Wo ist denn hier bitte schön der Microsoft-Hauptsitz? In Redmond im US-Bundesstaat Washington gleich neben Seattle angekommen, sieht man kein strahlendes UFO in Silber und Weiss (wie bei Apple), keine verspielte und futuristische Architektur (wie bei Google) und keine gigantischen Glashalbkugeln (wie bei Amazon). Nein, es sind einfach unzählige bräunliche Bürogebäude mit vielen Bäumen, Strassen, Wohnhäusern und Kindern, die auf dem Schulweg sind.

Wären da nicht die grün-weissen Microsoft-Busse – niemand würde ahnen, dass man bereits mittendrin ist im Hauptsitz eines der erfolgreichsten Techgiganten der letzten Jahre. Genauer: der letzten fünfzig Jahre.

Denn zum Jubiläum hat Microsoft rund zwanzig Journalisten aus aller Welt zu einer Campus-Tour eingeladen.

In der Einladung hiess es, es würden Türen geöffnet, die sonst selbst für die meisten Mitarbeiter verschlossen blieben. Das ist dann tatsächlich so. Immer wieder, wenn ich auf der Tour mit Microsoft-Mitarbeitern plaudere, höre ich Sätze wie: «Da wollte ich auch mal hin!» – «Eine Kollegin arbeitet dort, aber selbst hab ich das noch nie gesehen!» – «Über diesen Raum kursieren viele Gerüchte.»

Also nichts wie los auf diesen Rundgang. Das waren die spannendsten Stationen:

Die Prototyp-Manufaktur

Aussenansicht eines modernen Bürogebäudes mit gläserner Fassade, kahlen Bäumen im Vordergrund und verschlossenem Eingang.

Seit 2012 stellt Microsoft eigene Tablets und später auch Laptops her. Erdacht werden sie in diesem Gebäude. Microsofts Windows- und Gerätechef begrüsst uns, und ehe es ins Labor und Design-Studio geht, kommt der obligate Hinweis, den wir noch oft hören werden: «Bitte keine Fotos!» Man habe zwar alle geheimen Sachen weggeräumt, aber sicher ist sicher.

Mann in blauem Pullover hält ein Tablet in der Nähe eines grossen, schwarzen Druckgeräts in einem Büro.
Verschiedene Stoffrollen in verschiedenen Farben und Materialien, gestapelt in einem Lagerregal.

Wir treffen die 3D-Druck-Profis, die die ersten groben Entwürfe für neue Geräte bauen, den Textil-Designer, der unzählige Abstufungen von grünem Alcantara-Stoff auf seinem Arbeitstisch hat, den Forscher, der daran arbeitet, dass sich Touchscreens irgendwann wie richtige Tastaturen anfühlen.

Person zeigt auf ein Display-Demonstrationsboard mit verschiedenen Bildschirmtypen auf einem weissen Tisch neben elektronischen Geräten.

Insgesamt sehr viel Aufwand und Engagement für ein Projekt innerhalb des Grosskonzerns, dem immer mal wieder die Existenzberechtigung abgesprochen wird. Schliesslich machen Acer und Dell ja schon Windows-Computer.

Der zweitleiseste Raum der Welt

Apropos viel Aufwand: In der hintersten Ecke des Hardware-Labors gibt es einen speziellen Raum. Den zweitleisesten Raum der Welt. Bis vor ein paar Jahren war es sogar der leiseste. Doch eine US-Forschungsanstalt hat Microsoft den Guinness-Rekord wieder abgejagt.

Schalltoter Raum mit schallabsorbierenden Paneelen an Wänden und Decke, beleuchtet von zwei Deckenleuchten.

Der Raum ist rundum mit schallschluckenden Schaumstoffdreiecken gepolstert. Selbst steht man auf einem Drahtnetz. Das Gefühl im Raum ist surreal. Stimmen klingen ganz ohne Hilfsmittel wie in einem Radiostudio mit einem sehr teuren Mikrofon. Microsoft nutzt den Raum, um die Geräusche von Laptop-Scharnieren zu optimieren, für Forschungsprojekte – und natürlich auch ein bisschen, um anzugeben. Wie zahlreiche Presseberichte in den letzten Jahren belegen.

Die Cybercrime-Unit

Gruppe von Menschen im Microsoft Cybercrime Center, ein Mann zeigt auf einen grossen Bildschirm.

Sind wir hier in einer amerikanischen Krimi-Serie? Der Chef von Microsofts Cybercrime-Unit erklärt uns auf grossen Touchscreens, wie seine Abteilung weltweit Internetkriminelle enttarnt und selbst staatliche Hackerteams ins Leere laufen lässt. Auf einer grossen Weltkarte sehen wir, wo gerade welche Hackergruppe ihr Unwesen treibt.

Dass wir nicht im TV sind, merkt man aber, sobald der Weltkarten-Touchscreen dann eben doch etwas ruckelt und die Fingerbedienung nicht ganz so flüssig ist wie in der TV-Welt. Und vor allem dann, wenn man die verschlossenen Büros der zahlreichen US-Untersuchungsbehörden sieht, die hier ein und aus gehen.

Das Archiv

Büroregal mit Aktenordnern und einem zerlegten Neonschild auf dem Boden liegend.

In fünfzig Jahren sammelt sich so einiges an. Fast alles davon findet man im Archiv wieder. Grosses Staunen gibt es für all die alten Software-Verpackungen voll mit Disketten und Handbüchern.

Dabei auch allerhand Absurditäten wie die Windows-XP-Gitarre oder Microsoft-Teletubbies (ja, solche Puppen gab es mal).

Elektrogitarre mit XP-Design und buntem Körper in einer Glasvitrine vor himmelblauem Hintergrund.
Eine Teletubbies-Puppe namens Po in einer Microsoft-Sammlerbox, umgeben von Softwareboxen. Die Verpackung betont Interaktivität.
Poster an einer Bürowand mit Zune-Geräten und dem Datum 14. November 2006.

Baumhütten, Bienenstöcke und ein Cricket-Feld

Ein Baumhaus aus Holz steht auf Plattformen zwischen grossen Bäumen, umgeben von dichter Vegetation.

Ein bisschen Google-Verspieltheit gibts dann aber doch noch bei Microsoft. Irgendwo zwischen braunen Bürogebäuden hängen in den Bäumen Baumhütten. Manche sind Sitzungszimmer, die man reservieren kann, andere sind offen für alle, die hier vorbeispazieren oder einfach eine Pause brauchen.

Holz-Bienenstock im Freien, befestigt auf einem Metallgestell, vor einem Gebäude mit Glasfenstern.

Ganz stolz ist man bei Microsoft auf das Bienenprojekt. Überall auf dem Campus gibt es Bienenstöcke. Der Honig wird dann untersucht, um ortsfremde Pflanzen aufzuspüren und durch lokale Gewächse zu ersetzen. Nebenher taugt der Honig auch als gutes Mitarbeiter- und Werbegeschenk.

Ein Glas mit unpasteurisiertem Honig, etikettiert mit ’Moorcroft’s Bee Kind Initiative’, auf einer weissen Oberfläche.

Im Herzen des Campus gibt es seit neustem auch ein Cricket-Feld. Der Lieblingssport von Firmenchef Nadella (siehe Punkt 7). Aber wird das auch wirklich genutzt? Im informellen Gespräch bestätigen Mitarbeiter, dass man das Feld lang im Voraus reservieren müsse, um eine Chance zu haben. Teams gäben sich sprichwörtlich die Schläger in die Hand.

Die Quantencomputer-Forschung

Frau präsentiert in einem Seminarraum vor einer Grafik über die Notwendigkeit von Quantenfehlerkorrektur, Teilnehmer hören zu.

Es ist sicher nicht nur Zufall, dass Microsoft just zum grossen Jubiläum einen Durchbruch bei der Forschung zum Quantencomputer vermelden kann. (Was hinter Microsofts Quantencomputer-Versprechen steckt)

Dass sich die Computer-Zukunft um diese unendlich leistungsfähigen Quantencomputer drehen wird, darüber sind sich Experten einig. Wie weit man schon ist und wie lang das noch dauert, ist in Fachkreisen die Debatte der Stunde.

Die verantwortliche Forscherin von Microsoft erklärt uns den speziellen Ansatz, den sie für ihren Quantencomputer gewählt haben, wie schwierig es ist, Rauschen und Fehler zu minimieren, und am Ende habe sogar ich ein bisschen das Gefühl, verstanden zu haben, warum Microsoft da seit zwanzig Jahren dran arbeitet.

Der Chef: Satya Nadella

Mann hält ein Mikrofon während er auf einem Hocker sitzt und mit einem kleinen Publikum spricht.

Ins von aussen genauso unscheinbare Gebäude mit dem Chefbüro von Satya Nadella schaffen wir es nicht. Er kommt zu uns. 40 Minuten lang beantwortet er ganz unkompliziert Fragen zu allen Aspekten rund um Microsoft und die Zukunft. Hängen bleibt vor allem ein Satz: «The good news in our industry is: There’s no such thing as franchise value.» Zu Deutsch: In der Techindustrie sollte man sich nicht zu viel auf vergangene Erfolge und Kundentreue einbilden. Wenn jemand ein besseres Produkt hat, gehen die Leute dorthin – egal, wie lang es eine Firma schon gibt und wie erfolgreich sie mal war. Microsoft hat das auf die harte Tour gelernt und als Firma das Smartphone verpasst.

Noch mal soll das Microsoft nicht passieren. Bei Cloud-Diensten ist die Firma dank der Azure-Plattform führend, bei KI (dank der Partnerschaft mit Open AI) von Anfang an vorn dabei, und beim Quantencomputer will man auch mitmischen. Die alten Zugpferde Windows und Office sind im Gespräch und bei der Tour nur noch Nebenschauplätze.

«Minecraft»-Studios

Moderne zweistöckige Büroumgebung mit offenen Arbeitsbereichen, Sitzgelegenheiten und einer Küche im Erdgeschoss.

Nächster Halt Mojang! 2014 hat Microsoft das Studio hinter dem Erfolgsspiel «Minecraft» gekauft. Eins von vielen im Rahmen der eigenen Xbox-Initiative. Der Hauptstandort von Mojang ist zwar weiterhin in Stockholm. Aber geleitet wird es inzwischen aus Redmond. Das Gebäude ist von aussen genauso unscheinbar wie alle anderen auch.

Minecraft-Szene mit einem Schwein in einem Minenwagen und einem Skelett auf einer Holzkiste in einer pixeligen Landschaft.

Aber drinnen ist alles voll mit «Minecraft»-Dekorationen und -Spielereien. Dazwischen die neue Studiochefin, die vom kommenden Kinofilm schwärmt. Auf die Frage bei der Tour, wer denn «Minecraft» auch tatsächlich spiele, stellt sich raus, ich bin der Einzige.

Diese Tür ist auch ein «Minecraft»-Portal.
Computerraum mit mehreren Monitoren, die das Spiel ’Zanzarra’ anzeigen, im Vordergrund ein Fotograf.
Holzblöcke mit Schild ’Bitte nicht auf Holzkästen klettern, hängen oder ziehen. Danke.’ an einer Wand.

Silizium-Labor und Datenzentrum

Das hätte sich Firmengründer Bill Gates vor fünfzig Jahren wohl nie gedacht, dass es bei Microsoft dereinst Räume geben würde, die man nur mit Oropax betreten sollte. In einem weiteren Bürogebäude ist nämlich das Test-Datenzentrum. Hier testet Microsoft die Server, die weltweit in viel grösseren Datenzentren im Einsatz sind.

Meine Güte, ist das laut! Auf Fotos hat man immer das Gefühl, das seien sterile und leise Hallen voller Computer. Stattdessen dröhnt es. Die Hochleistungschips von Microsoft und Nvidia wollen gekühlt sein. Das macht Lärm und braucht viel Strom.

Im dazugehörigen Labor sehen wir, wie die Rohprozessoren auf ihren runden Scheiben von TSMC, dem wichtigsten Halbleiterproduzenten, angeliefert, getestet und zerschnitten werden. Microsoft nennt es eine Testküche. Hier werden die Rezepte entwickelt, die dann weltweit bei Herstellern und in Datenzentren zum Einsatz kommen.

Was bleibt?

Solche Touren sind natürlich – mehr noch als News-Events – darauf ausgelegt, dass man nur die Schokoladenseiten einer Firma sieht. Nach der Tour durch den gigantischen Campus kann ich mir nun aber auch viel besser vorstellen, warum bei Microsoft manchmal nicht alles wie aus einem Guss wirkt. Vor Jahren waren zum Beispiel die Office-Apps auf dem iPad viel besser als auf Microsofts eigenem Surface. Vielleicht sassen die zwei Teams an völlig unterschiedlichen Enden des Campus und wussten gar nichts voneinander. Inzwischen kann das freilich nicht mehr passieren. Geräte und Windows sind jetzt eine Abteilung.

Ich hab auf der Tour aber auch gesehen, wie konsequent Microsoft die Lehren aus den zwei grössten Tiefschlägen gezogen hat: der grossen Kartellklage Ende der 90er, die fast zur Aufspaltung der Firma geführt hätte, und dem Verpassen des Smartphones. Die Firma ist – anders als ihre Konkurrenten mit den pompösen Hauptsitzen – besser geworden, alte Zöpfe abzuschneiden und mit Regulierungsbehörden den Dialog zu suchen, ehe es Bussen und Strafen regnet.

Sollte Microsoft die nächsten fünfzig Jahre überdauern, wird es mit der Firma, wie sie sich heute präsentiert, wohl nicht mehr viel gemeinsam haben. Ausser vielleicht die unscheinbaren Bürogebäude.