Abgang des Twitter-Gründers20 Stunden am Tag zu arbeiten, nannte er «Bullshit»
Nicht wegen des Zauselbarts: Im Silicon Valley ist Jack Dorsey zu einer Marke geworden – auch weil er sich der Selbstbeweihräucherung vieler Tech-Chefs verweigert.
Vernünftig. Dieses Adjektiv beschreibt Jack Dorsey so sehr, dass es sein zweiter Vorname sein sollte. Wenn Gründer und Chefs der grossen Konzerne ihre Visionen ausbreiten, bleibt er meist vorsichtig. Wenn sie sich aus Politik und gesellschaftlichen Belangen möglichst raushalten, sperrt er den Account des früheren US-Präsidenten Donald Trump zwei Tage nach dem Sturm auf das Capitol im Januar. Und sagt gleichzeitig, dass es sein Fehler gewesen sei, es überhaupt so weit kommen zu lassen: «Es ist uns letztlich nicht gelungen, für eine gesunde Debatte zu sorgen.» Und er sagt auch: «Das könnte ein gefährlicher Präzedenzfall sein.»
Nun hat der 41-Jährige seinen Rückzug vom Kurzmitteilungsdienst bestätigt. Es ist kein Wischiwaschi – viele Gründer und Chefs bleiben jeweils dann doch gern im Management oder zumindest in Verwaltungsräten –, sondern ein, wie man in den USA sagt: «clean cut», eine klare Zäsur. Sein Nachfolger als Geschäftsführer wird Parag Agrawal, der sich im Konzern vom Ingenieur zum Finanzchef hochgearbeitet hat und der laut Dorsey «an jeder bedeutsamen Entscheidung beteiligt war».
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2006 gründete Dorsey gemeinsam mit drei Mitstreitern Twitter. Die erste Nachricht «just setting up my twttr» hat er mittlerweile für mehr als 2,9 Millionen Dollar als Non-Fungible Token (NFT) – eine Art digitales Sammelobjekt – verkauft.
Dorsey führte das Unternehmen durch die ersten zwei Finanzierungsrunden, hörte aber 2008 als Geschäftsführer auf. Es hatte davor Beschwerden gegeben, dass er sich zu sehr um Yoga und Modedesign kümmern würde. 2015 kehrte er als Chef zurück und führte das Unternehmen durch die turbulenten Trump-Jahre.
«Ihr alle habt das Potenzial, den Kurs zu steuern und das Unternehmen besser zu machen.»
Dorsey wurde zu einer Marke, nicht nur wegen seines Prachtzauselbarts, sondern auch, weil er sich nicht der Selbstbeweihräucherung anderer Tech-Giganten hingab. Die Behauptung von Tesla-Chef Elon Musk etwa, 20 Stunden am Tag zu arbeiten, nannte er «Bullshit». Es sei nicht gesund, immer nur zu arbeiten und alles dem Erfolg unterzuordnen: «Du bist nur noch ein Beobachter der Welt und nimmst dir selbst Optionen.»
Debatten über die Relevanz von Twitter
Klingt vernünftig, kommt aber bei Investoren nicht immer gut an. Die wollen ja einen, der sich opfert und alles dem Erfolg zumindest des Aktienkurses unterordnet. Dorsey aber leitet den 2009 von ihm gegründeten Finanzdienstleister Square. 2020 versuchte Investor Paul Singer über einen Hedgefonds, den Chef loszuwerden. Ohne Erfolg, weil sich Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und andere Tech-Chefs (Musk zum Beispiel) für ihn einsetzten.
In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Debatten über die Relevanz von Twitter gegeben – auch wegen anderer Plattformen wie Snapchat und Tiktok, die gerade von Jungen verstärkt genutzt werden. Damit verbunden gab es die Diskussion, ob der Gründer und Wiederchef der richtige Steuermann sei.
«Ich habe hart dafür gearbeitet, dass sich dieser Konzern vom Gründer lösen kann», schreibt Dorsey nun, und er teilt den Angestellten mit: «Ihr alle habt das Potenzial, den Kurs zu steuern und das Unternehmen besser zu machen.»
Der Umgang mit Falschmeldungen, Werbe- oder bald Abofinanzierung? Die Taskliste für seinen Nachfolger ist lang. Es ist ein mutiger und unerwarteter Schritt von Dorsey, vor allem aber ist er: vernünftig.
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