Nach Musks Übernahme17 echte Alternativen für Twitter-Müde
Die Social-Media-Landschaft hat mehr zu bieten als die ganz grossen Plattformen: Wir stellen eine grosse Auswahl an Ausweichmöglichkeiten für diverse Zwecke und Temperamente vor.

Kaum hat Elon Musk Twitter definitiv gekauft, tut er bereits einiges, um eingefleischte Nutzerinnen und Nutzer gegen sich aufzubringen. So soll der blaue Haken künftig kosten – und zwar satte 20 US-Dollar pro Monat. Das Häkchen zeichnet Konten aus, bei denen die Identität des Konto-Inhabers durch Twitter bestätigt worden ist.
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Jetzt sind Diskussionen entbrannt, wohin sich Leute wenden könnten, wenn sie sich entscheiden, Twitter den Rücken zu kehren. Die Zahl der Alternativen ist – bei den grossen, dominanten Plattformen – bescheiden: Denn wer die neue Führung bei Twitter kritisiert, findet mit ziemlicher Sicherheit auch bei Facebook, Instagram, Youtube oder Tiktok ein Haar in der Suppe.
Doch abseits der Giganten mit Hunderten Millionen Nutzerinnen und Nutzern gibt es eine Reihe von kleineren, spezialisierten Netzwerken – mit ganz unterschiedlichen Gepflogenheiten.
Für technisch Versierte
Reddit wurde wie Facebook und Twitter Mitte der Nullerjahre gegründet. Die Inhalte sind nach Themengebieten gegliedert, in denen Nutzerinnen und Nutzer Beiträge aus Onlinemedien oder Fundstücke aus dem Web zusammentragen. Reddit ist eine hochaktuelle, umfassende Informationsquelle, sowohl für politische Themen als auch für Datenjournalismus oder Unterhaltung. Viele der Memes und Beiträge, die hinterher auf Twitter und Facebook ihre Kreise ziehen, stammen ursprünglich von Reddit – weswegen diese Plattform schon treffend als das «Kulturlabor des Internets» bezeichnet wurde.
Dennoch ist Reddit in der öffentlichen Wahrnehmung nicht präsent: Einerseits ist die Website fürs breite Publikum schwer zugänglich. Es gibt einen technoiden Jargon: Die Themenbereiche heissen beispielsweise Subreddit, und allgegenwärtig sind Akronyme wie ELI5 («Explain like I’m five»/«Erklärs mir, wie wenn ich fünf wäre») oder AMA («Ask me anything»/«Frag mich irgendetwas»). Oft frustrierend ist der Umstand, dass viele Subreddit-Betreiber ihre (selbst festgelegten) Regeln radikal durchsetzen und alles löschen, was ihnen nicht genehm ist. Und auf Reddit finden sich viele «NSFW»-Inhalte. Das sind Postings, die Sie nicht im Büro anklicken sollten – Pornografie ist nur ein Grund dafür.
Discord wurde 2015 als Kommunikationslösung für Videospieler erfunden. Im Zentrum stehen die sogenannten Server: Das sind Chat-Räume zu bestimmten Themen, in denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Echtzeit unterhalten. Manche Server sind nur auf Einladung hin zugänglich und andere öffentlich. Nebst den öffentlichen Unterhaltungen gibt es auch Privat-Chats zwischen zwei Leuten; Anrufe mit oder ohne Video sind ebenfalls möglich. Via Discord lassen sich auch Dokumente teilen, sodass sich Discord auch als Ersatz für Gruppen-Chats in Messengern wie Whatsapp anbietet.
Die derzeit viel diskutierte Plattform Mastodon ist die naheliegendste Alternative zu Twitter: Sie ist ebenfalls ein Kurznachrichtendienst, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie auf offener Software basiert und Nutzerinnen und Nutzer auch ihre eigenen Server betreiben können. Wie Mastodon im Detail funktioniert, beschreiben wir hier.
Für den engsten Freundeskreis und die Nachbarschaft
Ein Trend in diesem Jahr sind Plattformen, die sich als Gegenentwurf zu Facebook, Instagram und Twitter verstehen: Sie wollen der Inszenierung entgegenwirken und die Kommunikation auf Augenhöhe wiederherstellen. Bereal will die «Ehrlichkeit fördern», indem alle Freunde pro Tag ein Foto veröffentlichen – und zwar zum Zeitpunkt, der die App zufällig bestimmt und unerbittlich einfordert (Wie Instagram, bloss ohne die Selbstinszenierung). Ein ähnlicher Effekt, aber ohne die Zeitvorgabe, lässt sich mit der Locket-App fürs iPhone erzielen: Sie zeigt direkt auf dem Homescreen Fotogrüsse von Bekannten an – und zwar ohne Benachrichtigung, was der App die Dringlichkeit der Messenger nimmt. Wer mag, kann auf die Fotomitteilung mit einem eigenen Schnappschuss reagieren.
Die Halloapp wirkt wie eine Mischung aus Instagram und Whatsapp, und das kommt nicht von ungefähr: Die App wurde nämlich von zwei Whatsapp-Mitarbeitern der ersten Stunde lanciert. Mit ihr kommunizieren die Nutzerinnen und Nutzer entweder direkt oder in Gruppen. Die Gruppenansicht liefert eine Abfolge von Statusinformationen und Bildern, wie wir es von anderen sozialen Medien her kennen.
Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass die Grösse der Gemeinschaft auf 50 Leute beschränkt ist: Die Absicht ist, dass sich so niemand zum Influencer aufschwingen kann und die anderen Teilnehmer zu Followern degradiert.
Jodel ist eine «hyperlokale Community», in der sich Nutzerinnen und Nutzer aus einer Ortschaft beziehungsweise im näheren Umkreis (normalerweise mit einem Radius von zehn Kilometern) austauschen – in aller Regel anonym. Auf der Hauptseite erscheinen die neuesten und am meisten kommentierten Beiträge. Es gibt auch Kanäle (Channels) zu bestimmten Themen, mit der Möglichkeit, sich für reale Treffen zu verabreden und den Sprung aus der virtuellen in die echte Welt zu wagen.
Für Geschäftsleute und berufliche Netzwerker
Die beiden Plattformen mit der Ausrichtung auf berufliche Verbindungen und Jobsuche sind Linkedin aus Kalifornien und Xing aus Hamburg. Linkedin hat weltweit ungefähr 830 Millionen Nutzer, während Xing mit 19 Millionen hauptsächlich im deutschsprachigen Raum vertreten ist.
Die typischen Social-Media-Impulse lassen sich auch auf diesen Plattformen ausleben: Registrierte können Beiträge posten und die Mitteilungen anderer mit einem «Gefällt mir» oder Kommentar versehen. Da die Plattformen auf die berufliche Kommunikation ausgerichtet sind, ist der Umgangston (im Idealfall) sachlicher als anderswo – allerdings bekommt man es mit vielen Werbeanfragen und unerwünschten Angeboten zu tun.
Für Kreative, Wissensdurstige und Jäger und Sammler
Pinterest wurde 2010 gegründet und erlebte vor zehn Jahren einen Boom. Doch der ebbte schnell wieder ab, obwohl die Plattform weiterhin fleissig benutzt wird – rund 430 Millionen Anwender gibt es weltweit. Denn Pinterest ist nicht auf Disput ausgelegt, sondern fürs Sammeln von Bildern im Netz: Interessante Motive lassen sich thematisch sortiert zu virtuellen Pinnwänden hinzufügen. Diese Sammlungen sind normalerweise öffentlich und erlauben es, Fundstücke visuell zu organisieren.
Nutzerinnen und Nutzer legen Sammlungen zu bestimmten Themen an, die normalerweise öffentlich zugänglich sind. Pinterest hat hauptsächlich zwei Einsatzzwecke: Einerseits organisieren Leute ihre Konsumwünsche damit. Andererseits verwenden Kreative Pinterest für Inspiration, indem sie gelungene Gestaltungsvorlagen zusammentragen.

Quora ist eine Frage-Antwort-Plattform: Wer sich für ein Thema interessiert, der stellt eine Frage, die dann – im Idealfall – von einem Experten kompetent beantwortet wird. Die Plattform bietet auch Social-Media-Elemente, indem sich Nutzer folgen und Themen abonnieren können.
Schliesslich gibt es eine Reihe von spezialisierten Communitys; zum Beispiel Eyeem für Fotografen, die ihre Bilder nicht nur kommentieren lassen, sondern auch verkaufen möchten. Github ist eine Plattform für Programmcode mit einer sozialen Komponente, bei der sich Entwickler gegenseitig unterstützen. Bei Strava vernetzen sich Sportlerinnen und Sportler, teilen ihre Leistungen und feuern sich gegenseitig an.
Für Verbannte und politisch Abtrünnige
Im vergangenen Jahr sind zwei Plattformen entstanden, die als Sammelbecken für jene Nutzerinnen und Nutzer dienen, die bei Twitter wegen Verstössen gegen die Nutzungsbestimmungen verbannt worden sind: Gettr ist auch hierzulande zugänglich, das von Donald Trump gegründete Netzwerk Truthsocial steht bislang erst in den USA zur Verfügung. Es gibt allerdings zwei Probleme: Erstens kommen auch diese alternativen Plattformen nicht ganz ohne Moderation aus, und zweitens entsteht keine relevante Auseinandersetzung, wenn nicht das ganze Meinungsspektrum vertreten ist.

Seit 2018 existiert Parler. Diese Plattform hat jüngst auf sich aufmerksam gemacht, weil der Rapper Kanye West sie gekauft hat. Doch wie das «Handelsblatt» analysiert hat, ist diese Community bislang ohne Einfluss: Sie hat nur knapp 40’000 monatlich aktive Nutzer, während es bei Twitter um die 32 Millionen und auch bei Gettr und Truthsocial ein Vielfaches davon sind.
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