ÖV-Branche in der Corona-Krise15 Tage obendrauf: So werden Abokunden entschädigt
Wegen Corona sollen wir die öffentlichen Verkehrsmittel meiden. Generalabokunden erhalten nun etwas zurück. Wer ein Halbtax hat, geht leer aus.
Den öffentlichen Verkehr sollte man derzeit nicht benutzen, ausser man muss. Freizeitreisen sind tabu. Für viele Berufspendler war deshalb klar, dass sie ihr Generalabo erst einmal für 30 Tage hinterlegen, was einmalig im Jahr möglich ist. Doch nach dieser Frist stellt sich die Frage: Warum sollte man weiterhin ein Generalabo haben, wenn man es gar nicht benutzen kann?
Genau darauf hat Alliance Swiss Pass nun reagiert. Die Organisation ist ein Zusammenschluss von Transportunternehmen, aber auch von Tarifverbünden und für die ÖV-Tarife in der Schweiz zuständig. Die wichtigsten Punkte:
Das gilt für GA und Co.
General-, Verbund-, Strecken- und Moduljahresabonnemente werden pauschal 15 Tage «Kulanz» gewährt, wie die Organisation in einer Mitteilung schreibt. Das heisst: Beim Generalabo werden bei Erneuerung des Abos diese Tage dem Rechnungsbetrag angerechnet. Verbund-, Strecken- und Moduljahresabos werden um 15 Tage verlängert.
Das gilt für Monatsabos
Kunden mit Monats-Verbund-, Strecken- oder Modulabo erhalten je nach Verbund und Produkt entweder 15 Franken Entschädigung oder 15 Prozent des Abopreises zurück.
Bei diesen Abos gibt es nichts
Wer ein Halbtaxabonnement hat, geht leer aus. Die Begründung: Es sei «meist nach kurzer Zeit und wenigen
Fahrten amortisiert». Ebenfalls nichts erhalten Passagiere mit einem Ausflugsabo oder einem Seven 25.
Um die Entschädigung zu erhalten, müssen Kundinnen und Kunden Folgendes beachten:
– Die GA müssen ab dem 17.3. 2020 bis zum Ende der «ausserordentlichen Lage» ununterbrochen gültig sein.
– Bei Verbund-, Strecken- und Modulabonnementen muss am Ende der «ausserordentlichen Lage»
ein gültiges Abo vorhanden sein.
– Bei Monatsabos (Verbund-, Strecken- und Modulabonnemente) musste am 17.3. ein gültiges Abo vorhanden sein.
Damit ist klar: Wer zum Beispiel sein GA kündigt, erhält nichts. Wann die «ausserordentliche Lage» endet, wird zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert. Klar ist bereits: Die Kundinnen und Kunden müssen nicht selbst aktiv werden, wenn sie von der Entschädigung profitieren wollen. Sie würden automatisch von der Branche informiert, schreibt Alliance Swiss Pass in einer Mitteilung. Noch müssten die beteiligten Unternehmen die Entschädigungen formell genehmigen, heisst es weiter.
Der Konsumentenschutz kritisiert die präsentierte Lösung in einer Medienmitteilung als relativ komplex und lückenhaft. So stört sich die Organisation zum Beispiel an der Tatsache, dass nur eine Entschädigung erhält, wer sein GA verlängert.
Die Massnahmen der ÖV-Unternehmen kommen nicht umsonst noch vor Ostern: Denn bei vielen Kunden läuft bald schon die Hinterlegungsfrist für ihr Generalabo ab. Bis letzte Woche haben bereits 150’000 GA-Kunden ihr Abo hinterlegt. Es ist zu erwarten, dass viele dieser Kunden ohne Massnahmen der Transportunternehmen ihr Abo auf den nächstmöglichen Termin kündigen würden. Denn es ist abzusehen, dass der ÖV in naher Zukunft weiter gemieden werden soll, auch wenn andere Restriktionen vom Bund gelockert werden nach dem 19. April. Die Folgen einer solchen Kündigungswelle würde den ÖV finanziell hart treffen. Bekommen doch die Kunden ihr bereits bezahltes Geld pro rata zurück.
Bereits jetzt haben die Transportunternehmen finanzielle Einbussen zu verkraften. Momentan wird trotz Reduktion noch immer ein Grossteil der Verbindungen bei Zug und Bus aufrechterhalten. Aber die Einnahmen aus Ticketverkäufen sind drastisch gefallen. Dies weil die Nutzung um 80 bis 90 Prozent zurückging. Gerade der Freizeitverkehr war vor der Krise ein gutes Geschäft. Dies fällt nun weg. Alliance Swiss Pass schreibt, dass die Entschädigungen gesamthaft rund 100 Millionen Franken betragen würden. Dies sei «für die beteiligten Unternehmen gerade noch trag- und verkraftbar», heisst es in der Mitteilung.
Unterstützung für ÖV-Unternehmen?
Für die Unternehmen ist deshalb klar: Ihnen muss geholfen werden. Alliance Swiss Pass spricht von 500 Millionen Franken, welche den Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr im Monat fehlen.
In der «SonntagsZeitung» forderte der Verband öffentlicher Verkehr wegen dieser Ausfälle staatliche Hilfsgelder für die Transportunternehmen. «Wir verlangen vom Bund Hilfe zur teilweisen Deckung der Ertragsausfälle», sagte Ueli Stückelberger, der Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr (VÖV). Es sei klar, dass die Transportunternehmen bezüglich der Ertragseinbrüche selbst einen Beitrag leisten müssten, so Stückelberger weiter. Aber vom Bund werde es «mehrere Hundert Millionen Franken brauchen, um einen langfristigen Schaden im ÖV zu verhindern», sagte der VÖV-Direktor.
Die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs stehen in Verhandlungen mit dem zuständigen Departement Uvek und den Kantonen, hiess es an einer Pressekonferenz zum Thema.
Wie realistisch eine solche Unterstützung ist, wird sich zeigen. Eine Uvek-Sprecherin sagte gegenüber der «SonntagsZeitung», dass man die Forderungen im Kontext der bereits für die Gesamtwirtschaft beschlossenen Massnahmen prüfen werde. Und verwies auf Kurzarbeitszahlungen oder Kredite, wie sie auch anderen Branchen zur Verfügung stehen.
Doch gerade Kurzarbeit scheint in zweierlei Hinsicht umstritten zu sein. Stückelberger betonte, dass Kurzarbeit den meisten Bahn- und Busunternehmen wenig helfe, weil die Mitarbeitenden gebraucht würden. Zudem ist fraglich, welche Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr überhaupt Kurzarbeit eingeben können, wenn sie zum Beispiel öffentlich-rechtliche Firmen sind, wie etwa die SBB.
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