Abstimmung über RenteBei der 13. AHV-Rente scheren SVP-Leute aus
Die Partei bekämpft die AHV-Initiative der Gewerkschaften. Doch es gibt auch Befürworter, und erste Sektionen stellen sich quer.
Es sei kompliziert, sagt der Genfer SVP-Nationalrat Thomas Bläsi: «Ich bin der Partei verpflichtet, aber auch meinen Wählerinnen und Wählern.» Letzteren habe er versprochen, sich für die Verbesserung ihrer Kaufkraft einzusetzen. «Wir können nach den Wahlen nicht einfach alles vergessen, was wir versprochen haben.»
Was Bläsi damit meint: Er befürwortet eine 13. AHV-Rente. Über diese stimmt die Schweiz am 3. März 2024 ab. Im Grunde sei das gar kein Ausbau, sagt Bläsi. Mit dem zusätzlichen Geld würde lediglich der Kaufkraftverlust der letzten Jahre ausgeglichen, und das sei dringend nötig. «Wir müssen etwas tun. Die Leute haben wegen der Teuerung, der höheren Mieten und der höheren Krankenkassenprämien massiv weniger Geld im Portemonnaie», sagt Bläsi. Für viele werde es im Alter sehr eng.
Bläsi argumentiert damit auf der Linie des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB), der die Initiative lanciert hat: Der SGB rechnet vor, dass Rentnerinnen und Rentner mit dem Anstieg der Kosten seit 2020 jährliche Zusatzausgaben von rund einer Monatsrente zu verkraften haben.
Der SVP-Nationalrat versteht aber auch die Argumente seiner Partei. Er sei Demokrat und akzeptiere Mehrheitsbeschlüsse, sagt er. Deshalb werde er sich im Abstimmungskampf eher zurückhalten. So will sich auch die Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz verhalten: Sie werde «neutral» bleiben, sagte sie der Zeitung «Tribune de Genève».
«Gefährliches Anliegen»
Zwar fasst die SVP ihre Parole erst an der Delegiertenversammlung vom 27. Januar. Dem Vernehmen nach ist aber bereits geplant, dass sie die Nein-Kampagne anführt. Die SVP-Bundeshausfraktion hat sich klar gegen die Initiative ausgesprochen. SVP-Nationalrat Thomas de Courten bezeichnet das Anliegen auf der Website der Partei als «gefährlich». Eine 13. AHV-Rente ginge zulasten der Steuerzahler, der arbeitenden Bevölkerung und der künftigen Generationen, schreibt er.
Die Initiative lässt offen, wie die 13. AHV-Rente finanziert würde. Infrage kämen höhere Lohnbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder eine höhere Mehrwertsteuer. Für den Sozialpolitiker und ehemaligen SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi ist der Fall klar. Er lehnt die Initiative ab. «Das ist populistische Politik», sagt er. Die soziale Sicherheit sei in der Schweiz grundsätzlich vorhanden. Allenfalls brauche es gezielte Verbesserungen, aber nicht mehr Geld für alle. Bei einem Ja würde auch Christoph Blocher mehr AHV erhalten, gibt Bortoluzzi zu bedenken. «Das wäre doch absurd.»
Befürworter entgegnen darauf, Wohlhabende hätten während ihres Arbeitslebens viel mehr zur AHV beigetragen als Durchschnittsverdiener. 90 Prozent der Erwerbstätigen würden von einer Stärkung des Sozialwerkes profitieren. Bortoluzzi überzeugt das jedoch nicht: «Lösungen mit der Giesskanne sind immer falsch», sagt er. Und: «Wer das anders sieht, sollte die Partei wechseln.» Die Aussage zeigt: Befürworter in den Reihen der SVP dürften im Abstimmungskampf unter Druck geraten. Manche wollen sich schon jetzt lieber nicht äussern.
Spezielle Genfer Verhältnisse?
Ginge es nach Bortoluzzi, müsste die gesamte Genfer Kantonalsektion der SVP die Partei wechseln: Sie hat sich für die Initiative ausgesprochen. Die Gegner in der Mutterpartei erklären sich das mit den «speziellen Genfer Verhältnissen». Damit sind zum einen die hohen Lebenshaltungskosten in der Rhonestadt gemeint. Zum anderen geht es um die Tatsache, dass die SVP in Genf in Konkurrenz zur Bewegung MCG steht, die zwar in vielen Fragen rechte Positionen vertritt, sozialpolitisch aber teils links tickt.
Freilich gibt es nicht nur in Genf SVP-Vertreter, die eine 13. AHV-Rente befürworten. Auch im Wallis geniesst die Initiative Sympathien: Die Unterwalliser SVP entschied sich für Stimmfreigabe. Mit Spannung wird nun der Entscheid der Waadtländer Kantonalpartei am 11. Januar erwartet. Der Präsident sagte der NZZ, eine Prognose sei schwierig.
Gemäss einer Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo vom Herbst stösst die Initiative in der Romandie auf etwas mehr Zustimmung als in der Deutschschweiz. Die Zustimmungswerte sind allerdings in der gesamten Schweiz sehr hoch: 71 Prozent der Befragten sprachen sich für die Initiative aus. Auch die Wählerschaft der bürgerlichen Parteien sagte mehrheitlich Ja. Bei den SVP-Wählerinnen und -Wählern gaben 65 Prozent an, der Initiative bestimmt oder eher zustimmen zu wollen. In der Mitte-Partei waren es 69 Prozent, in der FDP 56 Prozent.
Zwar stossen Initiativen oft in der Anfangsphase auf hohe Zustimmung und werden später abgelehnt. In diesem Fall sei die Zustimmung aber «unüblich hoch», schreibt Sotomo. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger werden in rund zwei Monaten entscheiden.
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