Kolumne «Heute vor»Zwischen tausend Müllsäcken und tödlichen Schüssen
Anfang Dezember 1987 herrschte am Zürichsee erst wenig vorweihnachtliche Besinnlichkeit. Horgen kämpfte gegen den Müll, während in Küsnacht auf Taxifahrer geschossen wurde.
Mit dem letzten Monat des Jahres beginnt bekanntlich auch die schönste Zeit des Jahres – die Vorweihnachtszeit. Doch von Guetsli-Duft und Besinnlichkeit fehlten vor 35 Jahren sowohl am rechten wie auch am linken Seeufer jede Spur.
Statt des mit Geschenken und Leckereien gefüllten Samichlaussacks zierten über tausend aufgerissene Kehrichtsäcke das Horgner Dorfbild. «Am Freitag schien in der Glärnischstrasse der Notstand ausgebrochen. Über die ganze Strasse lag der Abfall zerstreut», berichtete der «Anzeiger des Bezirks Horgen». «Hinzu kamen lastwagenweise Sperrgut, alte Zeitungen und Laub.» All dies verunmöglichte ein Durchkommen auf der Strasse. Selbst mit Hockdruckschläuchen ausgerüstete Leute vom Wasserwerk habe man gegen die immense Kehrichtflut einsetzen müssen.
Bei näherem Hinsehen habe man allerdings bemerkt, «dass die ganze Sauerei geplant war», schreibt der Autor. Dabei handelte es sich jedoch nicht etwa um das Werk von Umweltaktivisten, sondern um eine Filmproduktion der besonderen Art. Im Auftrag des Verbandes zürcherischer Gemeinden wurde ein Film über die kantonale Verwaltung realisiert.
Ziel sei es gewesen, der Öffentlichkeit die Arbeit der Verwaltung näherzubringen und zu zeigen, was zum Beispiel ohne eine funktionierende Kehrichtentsorgung geschehen würde. Horgen fungierte dabei als einer der Schauplätze im Kanton Zürich. «Selbst der Hund von Gemeindepolizist Sämi Huber kam als Statist zum Einsatz.» Dieser habe zur Freude des Regisseurs sogar in einem der Säcke ein Huhn entdeckt und verschlungen.
Und auch in Küsnacht ereignete sich Ungewöhnliches. Dort mangelte es jedoch eher an weihnachtlicher Nächstenliebe. So ist in der rechtsufrigen «Zürichsee-Zeitung» von einer Schiesserei zwischen einem Taxifahrer und dessen Fahrgast zu lesen. Der Taxifahrer hatte den jungen Mann am Paradeplatz einsteigen lassen und anschliessend nach Küsnacht gefahren.
Doch anstatt seine Fahrt zu bezahlen, zog der Gast an seinem Zielort eine Pistole hervor und verlangte den Tagesumsatz des Chauffeurs. «Der 53-jährige Taxifahrer machte jedoch ‹todesmutig› eine Abwehrbewegung, worauf zwei Schüsse losgingen und das Auto rückwärts gegen einen Baum rollte», berichtet der Autor.
Es folgten ein blutiges Gerangel und weitere Schüsse. Schliesslich gelang es dem Chauffeur, den Täter zu entwaffnen und die Pistole an sich zu nehmen. «Zu Fuss flüchtete der Räuber, wahrscheinlich mit Kampfspuren im Gesicht und blutverschmierten Kleidern, in der kalten Dezembernacht Richtung See.» Der «todesmutige» Taxifahrer habe zum Glück überlebt. Die Polizei Küsnacht suchte jedoch vergebens nach dem Täter. Dieser schien trotz Schussverletzung noch schwerer aufzuspüren als das Christkind.
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