Kritik an US-InvestitionsprogrammZwischen den besten Freunden droht der Handelskrieg
Die EU sieht ein massives Subventionsprogramm der USA als Gefahr für den Industriestandort Europa. Beide Seiten versuchen nun, einen Handelskonflikt in letzter Minute abzuwenden.
Eigentlich bräuchte man sich angesichts der Spannungen mit China und des Kriegs Russlands in der Ukraine mehr denn je. Ausgerechnet jetzt droht ein Handelskonflikt die transatlantischen Partner USA und EU zu entzweien. Auslöser ist das milliardenschwere Klimagesetz namens Inflation Reduction Act, mit dem US-Präsident Joe Biden die Energiewende beschleunigen und grüne Technologie massiv fördern will. Mit 370 Milliarden US-Dollar sollen neue Investitionen in Fabriken für Batterien, Elektroautos oder für die Wasserstoffproduktion angelockt werden. Dabei werden nach dem Motto «America First» ausschliesslich Produktionen in Nordamerika subventioniert.
Verzerrter Wettbewerb
Die EU befürchtet, dass Unternehmen abwandern und Europa als Industriestandort massiv geschwächt werden könnte. Die Europäer versuchen nun in letzter Minute, die US-Administration zu Konzessionen zu bewegen. Emmanuel Macron hat seinen Staatsbesuch die letzten Tage bei Joe Biden genutzt, um zu lobbyieren. Die USA riskierten, den Westen mit ihrem nationalen Klimagesetz zu spalten und den Wettbewerb zulasten Europas zu verzerren, mahnte der französische Präsident. Die Subventionen seien «superaggressiv» gegenüber französischen Unternehmen. «Sie lösen vielleicht Ihre Probleme, machen meine aber schlimmer», sprach Macron Klartext an die Adresse seines Gastgebers.
Wenig Spielraum
Joe Biden zeigte sich verständnisvoll, doch das Gesetz dürfte angesichts der Mehrheiten in Washington so bleiben, wie es ist. Ein wenig Spielraum gibt es möglicherweise bei den Ausführungsbestimmungen. So können Unternehmen aus Kanada und Mexiko sich gleichberechtigt beteiligen. Auf eine ähnliche Vorzugsbehandlung hoffen nun die Europäer. Doch mehr als Hoffnungen sind es bis jetzt nicht. Diesen Montag reist eine hochkarätige Delegation der EU-Kommission mit Margrethe Vestager und Valdis Dombrovskis für den sogenannten Handels- und Technologierat in die USA. Europa sei doch ein strategischer Verbündeter der USA, sagte Vizepräsident Dombrovskis vor der Abreise. Die EU erwarte, entsprechend behandelt zu werden.
Förderprogramm als «Staubsauger»
Die EU-Staaten wollen spätestens am Gipfel der Staats- und Regierungschefs in zehn Tagen in Brüssel besprechen, wie sie reagieren wollen. Das massive US-Förderprogramm könnte wie ein «Staubsauger» wirken, so die Befürchtungen in Europa. Dabei gelten die «America First»-Vorgaben nicht nur für das Elektroauto oder die Batterie am Ende, sondern für alle Vorprodukte bis hin zu den Rohstoffen. Die USA wollen möglichst die ganze Wertschöpfungskette ins Land holen. Erste Investoren erwägen schon, ursprünglich für Europa geplante Fabriken in den USA anzusiedeln. Elon Musk plant offiziell noch immer, neben der Tesla-Gigafactory in Brandenburg bei Berlin eine Batteriefabrik aufzubauen. Zuletzt gab es aber Berichte, der Milliardär könnte seine Pläne in Deutschland auf Eis legen und, angezogen von den Steuervorteilen, die Fertigung in den USA vorziehen.
Die Meinungen gehen auseinander, wie die EU im Ernstfall auf den unfreundlichen Akt der Amerikaner reagieren könnte. Die EU hätte gute Chancen vor der Welthandelsorganisation. Wenn die USA die Vergünstigungen für Elektroautos an eine Produktion in Nordamerika knüpfen, verstösst dies klar gegen die Regeln. Ein Handelskonflikt auf offener Bühne zwischen den besten Freunden würde aber beiden Seiten schaden und zudem keine Ergebnisse in nützlicher Zeit bringen. Einige plädieren für eine harte Linie, doch dafür fehlt die wichtigste Voraussetzung, nämlich eine gemeinsame Position zwischen Deutschland und Frankreich. Emmanuel Macron plädiert für mehr europäischen Protektionismus, für ein «Buy European» als Antwort. Mit EU-Geldern würde dann die Produktion nachhaltiger Technologie in Europa subventioniert und Konkurrenzprodukte aus den USA diskriminiert.
Kein Mangel an Geld
Der Subventionswettlauf würde aber viel Geld kosten, das Nettozahler wie Deutschland oder die Niederlande nicht lockermachen wollen. Umso mehr, als die Mittel aus dem Corona-Wiederaufbaufonds oder einem Klimainvestitionspaket noch lange nicht ausgeschöpft sind. Womöglich mangelt es den Europäern gar nicht an Subventionen. Was für Investoren mindestens so sehr den Ausschlag gibt, sind die einfacheren Bewilligungsverfahren in den USA und die deutlich niedrigeren Energiepreise.
Fehler gefunden?Jetzt melden.