Zweiter Frühling am ZürichseeDer milde Herbst verleitet Obstbäume zu erneuter Blüte
Manche Apfelbäume in der Region treiben derzeit nochmals Blüten aus oder setzen trotz Herbstbeginn Früchte an. Was es damit auf sich hat.
Eigentlich ist das Jahr für Obstbäume klar in verschiedene Kapitel aufgeteilt: Zu Beginn der kalten Jahreszeit lassen sie die Blätter fallen, gehen in Winterpause und starten dann im Frühling wieder mit neuer Energie. Etwa lassen sich an Apfelbäumen die ersten rosa-weissen Blüten meist ab Mitte April erkennen.
Doch aktuell zeigt sich dieser Anblick mitten im Oktober: Auf einigen Obstfeldern in der Region und in der Schweiz scheint ein zweiter Frühling eingesetzt zu haben. Auch bei der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope in Wädenswil sind an den Trieben mancher Apfelbäume neue Blüten zu erkennen. Haben sich die Bäume etwa im Datum geirrt?
Neue Äpfel im Oktober
«Dass Bäume ein zweites Mal blühen, ist grundsätzlich nichts Aussergewöhnliches», erklärt Matthias Schmid auf Anfrage dieser Zeitung. Er ist Leiter des Versuchsbetriebs für Obstbau bei Agroscope. Aufgrund der milden Herbsttemperaturen sei es dieses Jahr aber etwas auffälliger als sonst.
Statt sich wie sonst Mitte Oktober auf die Winterruhe vorzubereiten, sind an gewissen Bäumen des Versuchsbetriebs aktuell sogar neue kleine Äpfel zu erkennen. «Das ist aber fast nur bei Jungbäumen der Fall, die dieses Jahr noch keine Früchte produziert haben.»
Ein Problem für die Bäume sieht Schmid durch das bunte Treiben nicht: «Die neuen Blüten, die man zurzeit sieht, sitzen meist an Trieben, die erst dieses Jahr gewachsen sind.» Für den Ertrag der nächsten Saison seien jedoch nicht diese, sondern ältere Triebe relevant. «Solange deren Blütenknospen geschlossen bleiben, sollte es keine Auswirkungen auf das Blühgeschehen im nächsten Frühling haben.»
Ausserdem sei das erneute Blühen sehr sortenabhängig, führt Schmid aus. So habe er bei den vielen bekannten Sorten wie Gala oder Braeburn auch dieses Jahr keine zweite Blüte gesehen.
Überschüssige Energie
Grund für die übermässige Betriebsamkeit der Bäume sei, dass sie bei den aktuellen Temperaturen eine Art Nährstoffüberschuss hätten. Dieser werde insbesondere durch die warmen und feuchten Nächte verursacht. «Weil der Baum noch genügend Energie hat, bildet er neue Blüten und Triebe», sagt Schmid.
Für eine unerwartete zweite Blüte kann es jedoch auch andere Gründe geben: So kann starkes Hagelwetter Obstbäume tatsächlich aus dem Gleichgewicht bringen. «Das Produzieren von neuen Blüten nach Hagel ist hingegen ein Stresssymptom.» Je nach Schwere könne ein Baum dann durchaus ein bis zwei Jahre brauchen, um sich zu erholen.
Im jetzigen Fall ist Schmid jedoch zuversichtlich, dass alle Bäume mit dem Temperaturabfall – der sich bereits aufs Wochenende angekündigt hat – den Herbstbeginn doch noch erkennen werden und in die Saisonpause gehen.
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