Ergebnis der Tamedia-Umfrage Zwei Wochen Papi-Zeit sind nicht genug
66 Prozent der Umfrageteilnehmer sagen Ja zum Vaterschaftsurlaub. Die Mehrheit von ihnen würde allerdings weiter gehen und den Vätern 4 Wochen, 14 Wochen oder mehr geben.
Der Vaterschaftsurlaub dürfte Ende September an der Urne grosse Zustimmung bekommen. Bei der Tamedia-Umfrage vor wenigen Tagen sagten 66 Prozent der Teilnehmer «Ja» oder «Eher Ja» zur Vorlage des Parlaments. Eine vertiefte Auswertung zeigt nun: Die meisten dieser 66 Prozent wollen den Vätern mehr geben als die zwei Wochen, welche mit dieser Vorlage eingeführt werden. 56 Prozent der Befürworter würden auch 4 Wochen, 14 Wochen oder mehr Vaterschaftsurlaub befürworten. 44 Prozent finden zwei Wochen gut. Die Umfrage war am 10. und 11. August online aufgeschaltet, gut 24’000 Teilnehmer haben sich daran beteiligt.
Je jünger die Befürworter, desto grosszügiger geben sie sich: Bei den 18- bis 34-Jährigen wollen 69 Prozent weiter gehen. Bei den 35- bis 49-Jährigen sind es noch 60 Prozent, bei den 50- bis 64-jährigen Befürwortern ist es die Hälfte. Bei den Pensionierten sind es immer noch 40 Prozent, die den Vätern vier Wochen oder mehr zugestehen würden.
Für Politologe Lucas Leemann ist dies Ausdruck davon, dass die Schweiz mit der heute fehlenden gesetzlichen Regelung gegenüber anderen entwickelten Ländern im Rückstand ist. «Es wäre schon lange an der Zeit – das ist für mich die Botschaft», sagt Leemann, der die Tamedia-Umfrage zusammen mit Fabio Wasserfallen verantwortet. Doch er warnt vor falschen Erwartungen. «Lediglich 17 Prozent der Befürworter würden auch einen Vaterschaftsurlaub von 14 Wochen befürworten.» Zudem sähen die Mehrheiten ganz anders aus, wenn man diese Frage allen Umfrageteilnehmern gestellt hätte. Wie sich die Debatte bei weitergehenden Forderungen etwa nach einer Elternzeit entwickeln würde, beurteile er als völlig offen, sagt Leemann.
Erstaunlich ist für ihn, dass auch die Generation der über 65-Jährigen, die seinerzeit eine solche Vorlage kaum befürwortet hätte, so progressiv eingestellt ist. Er erklärt es sich damit, dass die Grosseltern in die Kinderbetreuung stark eingebunden und damit nahe an der Lebensrealität von Familien mit kleinen Kindern sind.
Dass diese Lebensrealität eine Rolle spielt, spiegelt sich ebenfalls in den Umfrageresultaten: Eltern von kleinen Kindern sagen eher Ja zum Vaterschaftsurlaub als solche mit grossen Kindern. Umfrageteilnehmer mit Kindern unter 6 Jahren befürworten zu 80 Prozent den Vaterschaftsurlaub. Jene mit Kindern zwischen 7 und 15 Jahren zu 69 Prozent, jene mit Kindern über 15 nur noch zu 62 Prozent. Da ist selbst die Zustimmung der Teilnehmer ohne Kinder mit 63 Prozent noch ein wenig höher.
Jedenfalls seien 66 Prozent Zustimmung viel, sagt Leemann. Das könne sich allerdings noch ändern, wenn die Kosten vermehrt thematisiert würden. Allgemein, wenn es mehr ins Detail der Vorlage gehe. Interessanterweise seien die Kosten des jährlichen Militär-WK für Männer nie umstritten gewesen, obwohl sie die Erwerbsersatzkasse deutlich stärker belasteten als der Vaterschaftsurlaub, der pro Vater und Kind nur einmal stattfindet.
Nicht relevant bei der Haltung zum Vaterschaftsurlaub scheint die Geschlechterfrage zu sein: Männer und Frauen befürworten die Vorlage ungefähr gleichermassen und stimmen bei grundsätzlichem Ja auch in ungefähr gleicher Höhe für mehr Vater-Zeit: Männer zu 52 Prozent, Frauen zu 59 Prozent. Auch dies widerspiegle die Realität, sagt Leemann. «Paare erleben den Kinderstress gemeinsam, sie haben dieselben Interessen.»
Das gegnerische Komitee, das am Dienstag mit einem Medienauftritt in Bern seine Abstimmungskampagne lanciert, lässt sich von den Umfragewerten nicht beirren. «Wenn man fragt, obs ein bisschen mehr sein darf, lautet die Antwort meistens Ja», sagt Susanne Brunner. Das sei ein normaler Reflex. Die Zürcher SVP-Gemeinderätin hat gemeinsam mit Parteikollegin und Nationalrätin Diana Gutjahr das Referendum ergriffen und Dutzende von bürgerlichen Politikern und Unternehmern zusammengetrommelt.
Trotz der hohen Zustimmung in Umfragen ist Brunner überzeugt, dass der Vaterschaftsurlaub an der Urne scheitern wird. So, wie auch die sechste Ferienwoche 2012 abgelehnt wurde. Denn die Kosten seien weitaus höher als die erwarteten jährlichen 230 Millionen aus der Erwerbsersatzkasse. Eine Regulierungsfolgenabschätzung im Auftrag des Bundes habe ergeben, dass die indirekten Kosten bezahlter Urlaubstage die direkten Kosten um das Doppelte bis Vierfache übersteigen, sagt Brunner. Das seien Mehrkosten für die Unternehmen. Demnach würde der Vaterschaftsurlaub rund eine Milliarde Franken pro Jahr kosten.
An der repräsentativen Tamedia-Umfrage in Zusammenarbeit mit Leewas haben vom 11. bis 13. August 24’252 Personen aus der ganzen Schweiz online teilgenommen. Die Daten werden nach demografischen, geografischen und politischen Variablen modelliert. Der Fehlerbereich liegt bei 1,0 Prozentpunkten.
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