Mehreinnahmen durch OECD-SteuerreformVerteilkampf um Schweizer Steuermilliarden
Die OECD-Mindeststeuer bringt der Schweiz mehr Geld. Nun fordert die Finanzkommission des Nationalrats, der Bund solle mehr davon behalten – statt den grossen Teil den Kantonen zu geben.
In den kommenden Jahren drohen dem Bund Sparprogramme, wie es sie zuletzt vor zwanzig Jahren gab. Das schreibt die Finanzkommission des Nationalrates in einem sogenannten Mitbericht, der dieser Redaktion vorliegt. Gemäss dem Finanzplan steige das strukturelle Defizit im Jahr 2025 auf 3 Milliarden Franken. Das verlange ein «umfassendes Entlastungs- und Sparprogramm», schreibt die Kommission. Und die Ausgangslage könnte noch schwieriger sein als bisher angenommen.
Der Mitbericht richtet sich an die Wirtschaftskommission des Nationalrates, die sich zu Wochenbeginn mit der Umsetzung der OECD-Steuerreform befasst – und mit der Frage, wie zusätzliche Einnahmen verteilt werden sollen.
Die Steuerreform sieht eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent für Grosskonzerne mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro vor. In der Schweiz führt das in vielen Kantonen dazu, dass die Konzerne höhere Steuern bezahlen müssen: Der Bundesrat rechnet mit jährlichen Mehreinnahmen in Milliardenhöhe. Doch ein Grossteil davon soll an die Kantone fliessen. Darauf hatte sich der Bund mit den kantonalen Finanzdirektoren geeinigt. Gemäss diesem Kompromiss würden die Kantone 75 Prozent des Ertrags aus der Ergänzungssteuer erhalten.
Mitte-Vertreter machen sich für hälftige Aufteilung stark
Der Ständerat stimmte dem in der Herbstsession zu. Die Finanzkommission des Nationalrates ist damit jedoch nicht einverstanden. Sie will, dass Bund und Kantone je die Hälfte erhalten. Im Mitbericht argumentiert die Kommission mit den düsteren Aussichten für den Bundeshaushalt. Sie macht auch geltend, dass die Haushalte der Kantone aktuell besser dastünden als der Bundeshaushalt. Bei einer hälftigen Aufteilung würde der Bund voraussichtlich mehrere Hundert Millionen Franken pro Jahr erhalten. Dieses Geld wäre willkommen, lautet die Botschaft der Finanzkommission.
Für eine hälftige Aufteilung zwischen Bund und Kantonen machen sich Mitte-Vertreterinnen und -Vertreter stark. Sie weisen darauf hin, dass die Vorlage wegen der nötigen Verfassungsänderung eine Volksabstimmung überstehen muss. Schon in der Ständeratsdebatte sagte Mitte-Vertreter Benedikt Würth, die hälftige Aufteilung wäre die ausgewogenere Lösung als jene, die der Bundesrat vorschlägt. Er gehe davon aus, dass der Nationalrat sich das nochmals anschaue und auch eine politische Abwägung mache.
Die höheren Steuern würden die Standortattraktivität der Schweiz klar vermindern, argumentiert Economiesuisse.
Die Linke setzt sich dafür ein, dass der Bund mehr als die Hälfte erhält. Zudem möchte sie den Verteilschlüssel des Kantonsanteils ändern, damit nicht nur die reichen Kantone mit tiefem Steuerfuss profitieren. Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse wiederum fordert, dass die Einnahmen aus der Ergänzungssteuer vollumfänglich an die Kantone fallen. In jedem Fall aber müssten sie zugunsten des Standorts eingesetzt werden, schreibt Economiesuisse in einem Brief an die Mitglieder der Wirtschaftskommission. Mit anderen Worten: Mit dem Geld sollen nicht die öffentlichen Haushalte entlastet, sondern Unternehmen angelockt werden.
Die höheren Steuern würden die Standortattraktivität der Schweiz klar vermindern, argumentiert Economiesuisse. Ohne Massnahmen drohe erheblicher Schaden. Das OECD-Steuerprojekt werde nämlich nicht zu weniger Steuerwettbewerb führen, sondern den Wettbewerb in Bereiche wie die Direktförderung verlagern. Die staatlichen Einsätze dafür stiegen. So wolle etwa Deutschland die Ansiedlung des US-Chipherstellers Intel mit einem Milliardenbetrag fördern. Werde das Geld den Kantonen belassen, könnten diese ihre Attraktivität erhalten. Und das sei «nicht zuletzt im Interesse der Bundesfinanzen».
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