Zum Tod von Fritz WepperEiner von uns
Ob als Harry in «Derrick» oder als Bürgermeister in der bayerischen Provinz: Fritz Wepper war ein Quoten-Garant und Liebling des Wohlfühlfernsehens. Nun ist der Schauspieler mit 82 Jahren gestorben.

Fritz Wepper war der Marathonmann des deutschen Fernsehens, der ausdauerndste Serien-Langstreckenläufer der Öffentlich-Rechtlichen – und als solcher eine verlässliche, manche mögen vielleicht auch ächzen: unvermeidliche Grösse. Ein vertrautes, Generationen von Zuschauern verbindendes Gesicht. Durch seine Beständigkeit wurde er zum Sympathieträger, der wie kein anderer das beruhigende Gefühl einer einigen Fernsehnation wenigstens einen Abend lang zu bestärken vermochte.
Gut, es gab auch den beliebten Jan Fedder im Grossstadtrevier, und Marie-Luise Marjan wurde in 1758 Folgen Lindenstrasse von 1985 bis 2020 ohnehin zur Mutter (Beimer) der Nation. Aber Fritz Wepper gab es in seinen – ihn selbst ebenso wie die Zuschauer – prägenden Rollen bereits lange vor und auch noch nach den Serien der anderen. Man denke nur an die 20 Staffeln der Nonnenserie Um Himmels Willen mit ihm als Provinzbürgermeister Wolfgang Wöller. Hält man nun aus Anlass seines Todes kurz Rückschau, war Wepper eigentlich immer schon da.
Zum Beispiel als Harry Klein. Was für ein grossartiger Figurenname für einen kriminalistischen Ermittler in zweiter Reihe! Wepper war in dieser Rolle von 1969 bis 1974 der Assistent von Kommissar Keller (dem feinen Erik Ode) in der ZDF-Krimiserie Der Kommissar und danach der in den Rang eines Inspektors aufgestiegene Assistent von Oberinspektor Derrick in der nach diesem benannten Kultserie mit Horst Tappert, ebenfalls im ZDF. Ermittelt wurde in Münchens High Society, seriös mit Anzug und Krawatte, stets im höheren Beamtenmodus der Behäbigkeit. Wenn Harry den Wagen vorfuhr, grenzte das schon an Action.
Lange war er festgelegt auf den Subalternen, den ewigen Zweiten
Derrick, wie Der Kommissar geschrieben vom Serien-Genie Herbert Reinecker, begann am 20. Oktober 1974 und endete 1998, nach 24 Jahren und 281 Folgen. Ein legendäres Kapitel deutscher Fernsehgeschichte. Durchschnittlich schalteten zehn Millionen Menschen ein. Derrick ist bis heute die meistverkaufte deutsche Serie, ausgestrahlt in mehr als hundert Ländern. In Italien, wo Derrick besonders populär war, befand der Schriftsteller Umberto Eco dereinst, dass es ihre «Durchschnittlichkeit» sei, die die Serie so beliebt mache. Derrick sei der «Triumph des Mittelmasses».
Man muss sich den Bekanntheitsgrad vorstellen, den Fritz Wepper an der Seite von Horst Tappert in dieser Serie errang, diese weitläufige Popularität, die ihn von da an begleitete, der er zum Teil erlag, die er aber auch zu erhalten und neu aufzuladen verstand, obwohl er so lange festgelegt war auf Harry, den Subalternen, den ewigen Zweiten.
In all den Derrick-Jahren wurde Harry Klein nie befördert, nie muckte er auf gegen seinen Chef, die hierarchische Rollenverteilung war klar. Nicht einmal der viel zitierte Spruch «Harry, hol schon mal den Wagen!», der einen gewissen Harry-Kult beförderte, ist tatsächlich so gefallen. Den hat vielmehr Harald Schmidt in den Neunzigerjahren in seiner Satire-Show wie ein sprachliches Meme in die Welt gesetzt. Es gibt in Derrick nur einmal eine Szene, in Folge zwei, in der Horst Tappert im Dringlichkeitston sagt: «Harry, wir brauchen den Wagen, sofort!» Woraufhin Wepper sofort in geduckter Haltung aufbricht mit den Worten: «Ich kümmere mich drum.»

«Harry, wir brauchen den Wagen, sofort!»: Folge «Der Todesengel».
Auf Youtube kann man sich das ansehen. Da sieht man auch, was für ein fescher Kerl mit voller, gepflegter Haarpracht und einem markant eckigen Gesicht der junge Wepper war. Und dass er an der Seite von Derrick zwar nicht so viel gesagt, aber doch seine Würde bewahrt hat. Er war für den glubschäugigen Oberinspektor ähnlich wichtig wie Dr. Watson für Sherlock Holmes. Wepper hat in Interviews betont, dass er sich nie als Nebenfigur empfand. Ausserdem gab es einmal im Jahr eine Harry-Episode, ohne Tappert.
Fritz Wepper, geboren am 17. August 1941, war ein waschechter Münchner. Sein Vater, ein Jurist, kam aus dem Krieg nicht mehr zurück. Die Mutter zog ihn und seinen zweieinhalb Jahre jüngeren Bruder, den im Oktober 2023 verstorbenen Schauspieler Elmar Wepper, allein auf. Die Grossmutter hatte ein Kaufhaus in Neuhausen, trotzdem war während der Kriegsjahre der Hunger ein Begleiter. Mit neun war Fritz zum ersten Mal im Theater und sofort gebannt: «Dieser purpurne Vorhang öffnete sich. Und mit ihm öffnete sich eine Welt – ein gigantischer Einblick.» Mit elf stand er in «Peter Pan» erstmals selbst auf der Bühne und verdiente 25 Mark pro Vorstellung, damals ein Vermögen. Er kaufte sich eine lange Hose und eine Junghans-Uhr und fühlte sich von da an selbständig.
s lief ja auch alles wie am Schnürchen. Ohne eine Schauspielausbildung zu absolvieren, bekam Wepper erste Kinderrollen im Film und wurde 1959 bekannt in Bernhard Wickis preisgekröntem Antikriegsfilm «Die Brücke». Es ist die Geschichte von sieben Schulfreunden, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkrieges noch einberufen werden und den Befehl erhalten, eine strategisch völlig unwichtige Brücke zu bewachen. Wepper als Soldat Albert Mutz ist der Einzige, der dieses Himmelfahrtskommando überlebt. Wer ihn in diesem erschütternden Schwarz-Weiss-Film gesehen hat, wird sein verschmiertes, schmerzverzerrtes Jungsgesicht nicht vergessen.
In Hollywood sagten sie ihm «Okay, forget it!», als er auf TV-Verpflichtungen in Deutschland verwies
it Bob Fosses oscarprämierter Musicalverfilmung Cabaret (mit Liza Minnelli und Michael York) folgte 1972 ein weiterer Höhepunkt: Wepper als Gigolo Fritz Wendel, der sich in einem Nebenstrang des Films in die Jüdin Natalia Landauer (Marisa Berenson) verliebt, sie schliesslich heiratet und sich in einer Zeit des aufkommenden Nationalsozialismus selbst als Jude zu erkennen gibt. Eine Hollywood-Karriere ist bekanntlich nicht daraus geworden. Wepper durfte 1973 nicht einmal zur Oscarverleihung reisen. Er erzählte, dass Helmut Ringelmann, der Produzent von Kommissar und Derrick, zu ihm gesagt habe: Fritz, solche Rollen solltest du nicht spielen. Als Wepper später einen Besuch in Hollywood nachholte und wohl auch ins Geschäft hätte kommen können, gab der Krimi-Assistent ehrlich an, dass er noch Fernsehverpflichtungen in Deutschland habe. Woraufhin man ihm bekundete: «Okay, forget it!»
Damals hat der bodenständige Fritz Wepper endgültig die Weichen gestellt für seine Dauerserienkarriere im deutschen Fernsehen. «Ich halte meine Verabredungen ein und bin damit immer gut gefahren», erklärte er sich in Interviews. Dass er 2002 die Chance bekam, an den Fliessband-Erfolg von Derrick anzuknüpfen, diesmal in der Rolle des schlitzohrig-intriganten Bürgermeisters Wöller in Um Himmels Willen, darin sah Wepper einen Glücksfall – endlich war er im komödiantischen Fach. Sein schauspielerisches Vorbild war immer Walter Matthau.

Fast 20 Jahre lang hat er die Rolle gespielt, einen verschlagenen, sich aufmandelnden Provinzabsolutisten im fiktiven Ort Kaltenthal, Typ niederbayerischer Hundling und neoliberaler Möchtegern-Optimierer. Folge für Folge fetzte er sich mit den pfiffigen Schwestern vom örtlichen Kloster, deren Mauern er wahlweise in ein Kongresszentrum, eine Müllverbrennungsanlage oder ein Casino umwandeln wollte. In den ersten fünf Staffeln war seine direkte Gegenspielerin Jutta Speidel als Schwester Lotte, danach Janina Hartwig alias Schwester Hanna. Ein Gespann wie Donna Camilla und Peppone, beim Publikum ungeheuer erfolgreich. Die Serie holte regelmässig fünf bis sechs Millionen Zuschauer vor den Bildschirm. Dass sie 2021 mit der 20. Staffel eingestellt wurde, kommentierte Wepper mit «grosser Enttäuschung».
Ging er auf Verbrecherjagd, triumphierte stets die Bürgerlichkeit
2017 war – nach zehn Jahren und 15 Folgen – auch schon die ARD-Serie Mord in bester Gesellschaft eingestellt worden, in der Wepper als seriöser Psychiater Dr. Wendelin Winter dröge Krimifälle löste, meist nur mit Kombinationsgabe und Menschenkenntnis. An seiner Seite: Sophie Wepper, seine Tochter, in der Rolle einer jungen Journalistin. Auch dies ein angewitzeltes Produkt des leichten, seichten Wohlfühlfernsehens, für das Wepper ein Garant war. Ging er auf Verbrecherjagd, triumphierte stets die Bürgerlichkeit. Das war auch in der ZDF-Reihe Zwei Brüder so, in der er von 1994 bis 2001 gemeinsam mit seinem Bruder Elmar ermittelte. Das Familiäre, hier war es Programm.
Fritz Wepper war ein Mann aus der Mitte – auch körperlich keiner, der herausragt -, und ein Liebling des Boulevards. Dass er ein Weinkenner, Jäger und Fliegenfischer war, erfuhr man genauso aus der Klatschpresse wie andere Details aus seinem Leben am Tegernsee. Mit seiner Frau Angela, die er eine Zeit lang für eine andere verlassen hatte, war er fast 40 Jahre verheiratet. Als sie 2019 starb, heiratete er in aller Stille die «andere», die von ihm eine Tochter hat: die Regisseurin und Kamerafrau Susanne Kellermann. Zu seinem Achtzigsten drehte sie das Filmporträt Mein Fritz. Wepper war in den vergangenen Jahren gesundheitlich schwer angeschlagen. Über seine Herzoperationen und seinen Krebs wurde ausführlich berichtet. Zuletzt lag er in einem oberbayerischen Hospiz. Am Montag ist er gestorben. Er wurde 82 Jahre alt.
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