Die Häme ist verfehltZum Glück gibt es Novak Djokovic
Beliebt ist der weltbeste Spieler nicht, aber er bereichert das Tennis. Ohne ihn wäre es langweiliger, Roger Federers Karriere zu verfolgen.
Die Schadenfreude über die Disqualifikation Novak Djokovics am US Open war in der Schweiz gross; überhaupt hat der Serbe hier einen schweren Stand. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass er Roger Federer etliche empfindliche Niederlagen beigebracht hat.
Doch nicht nur deswegen schlägt der Weltnummer 1 viel Abneigung entgegen. Denn obwohl Rafael Nadal gegen unseren Nationalhelden sechs Grand-Slam-Finals und damit zwei mehr als Djokovic gewonnen hat, geniesst er eindeutig mehr Akzeptanz und Sympathien als der zweite grosse Rivale des Baselbieters. Die zuweilen offen zur Schau gestellte extreme Aggression Djokovics kommt – genau wie jene von Serena Williams – nicht nur, aber ganz besonders in der Schweiz schlecht an. Genau wie das bizarre Ritual nach gewonnenen Matches. Und die Ansage, Federer möglichst viele Rekorde entreissen zu wollen.
Man muss den Gewinner von 17 Grand-Slam-Titeln nicht mögen, aber er belebt das Geschäft.
Trotzdem – oder eher: Gerade deswegen ist Djokovic für den Tennissport eine Bereicherung. Es wird gern das Klagelied gesungen, es fehle heute an speziellen Typen, die aus der Masse der stromlinienförmigen Musterprofis herausragten. Djokovic ist so einer; er ist ein Mann mit Ecken und Kanten, der es wagt, sich zu exponieren, und daher immer mal wieder ins Fettnäpfchen tritt.
Man muss den Gewinner von 17 Grand-Slam-Titeln nicht mögen, aber er belebt das Geschäft. Nicht von ungefähr gibt es in den meisten Filmen einen Bösewicht, einen, der den Blutdruck der Zuschauer erhöht. Djokovic spielt diese Rolle im Tennis; er ist die Antithese zu Federer und Nadal, den hoch anständigen, bescheidenen Superstars.
Durch den Sport lassen sich Emotionen erleben, die der Alltag kaum bieten kann. Voraussetzung ist freilich, dass der Beobachter Partei ergreift. Wer sitzt schon stundenlang vor den Fernseher, wenn ihm der Ausgang eines Spiels egal ist? Gegensätze sind reizvoll.
Die Duelle zwischen dem impulsiven John McEnroe und dem coolen Björn Borg sind unvergessen, genauso wie die Boxkämpfe von Muhammad Ali, den «Tänzer im Ring», gegen die «Kampfmaschinen» Joe Frazier und George Foreman. Fussballfans streiten derweil, wer den nun besser sei, der schmächtige Ballstreichler Lionel Messi oder der brillante Modellathlet Cristiano Ronaldo.
Djokovic lockt unzählige vor den Fernseher. Und sei es nur, weil viele hoffen, ihn verlieren zu sehen
Viele, die den fünften Satz des Wimbledon-Finals 2019 zwischen Federer und Djokovic verfolgten, spürten im Magen einen Klumpen, als hätten sie eine Bocciakugel verschluckt. Das ist zwar kein gutes Gefühl, aber es schlägt Langeweile und Monotonie. Der 33-Jährige aus Belgrad ist der perfekte Spielverderber, weil ihn viele als nicht allzu sympathisch empfinden und er unfassbar gut Tennis spielt.
Ohne ihn wäre die Karriere Federers langweiliger. Federer wird sein Comeback schon darum akribisch vorbereiten, weil er gegen seine Rivalen bestehen will. Ohne Nadal und Djokovic hätte der 39-Jährige vielleicht längst aufgehört. Der Serbe hat den Tennisfans zudem etliche faszinierende Matches mit Stan Wawrinka beschert, wobei der Waadtländer den Favoriten zweimal in Grand-Slam-Finals schlug. Zudem lockt Djokovic rund um den Globus auch gegen weniger prominente Gegner unzählige Leute vor den Fernseher. Und sei es nur, weil viele hoffen, ihn verlieren zu sehen. Zum Glück gibt es Novak Djokovic.
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