Fahrt durch ganze StadtZürichs bunteste Velo-Demo macht eine klare Ansage
Am «Ride for Your Rights» werden am Mittwoch 10’000 Velofahrende erwartet. Sie fordern mehr Sicherheit, mehr Velowege und klimafreundliche Mobilität.
Eine Veloausfahrt? Ist denn schon wieder Freitag? Viele Stadtmenschen dürften sich am Mittwoch etwas irritiert am Kopf kratzen, wenn sie in der Innenstadt Tausende von Demonstrierenden auf Velos kreuzen. Es handelt sich nicht um die mittlerweile stadtbekannte Critical Mass. Sondern um den Ride for Your Rights. Die offiziell genehmigte Velodemonstration will auf einer 10-Kilometer-Runde durch die Innenstadt mehr Rechte fürs Zweirad einfordern.
Konkret fordern die Organisatoren: das Recht auf Sicherheit (angstfreies Velofahren für Menschen von 8 bis 80 Jahren), das Recht auf ein gesundes Klima (Vorrang für emissionsfreie Mobilität) und das Respektieren des Volkswillens (umgehende Umsetzung der Verkehrswende, konkret der Velorouten-Initiative).
Mit diesem Forderungskatalog grenzt sich der Ride for Your Rights deutlich von der Critical Mass ab. Bei jener rollen jeweils am letzten Freitag des Monats Velosympathisanten durch Zürich, laut Eigenaussage «als spontanes, grosses Verkehrsaufkommen von Velos». Der Event wuchs in den vergangenen Monaten enorm, im Mai waren gegen 10’000 Zweiräder unterwegs.
Sternfahrt aus allen Stadtkreisen zum Demostart
Die Critical Mass hat sich damit zum Happening entwickelt. Lukas Bühler sagt: «Sind wir ehrlich: Sie ist ein Umzug von sehr schönen, sehr jungen Menschen.» Der Klimawissenschaftler ist kein Critical-Mass-Kritiker, im Gegenteil: Er rollt jeweils selber mit und realisierte dabei die Grenzen dieser Zusammenkunft. «Bei der Critical geht es mehr um ein urbanes Lebensgefühl, ohne politische Forderungen. Das ist am Ride for Your Rights anders», sagt Bühler, einer der Mitorganisatoren.
Dass der Ride for Your Rights am 22. September stattfindet, ist kein Zufall. An diesem Tag wird in vielen Ländern der Car-free Day gefeiert. In Zürich hat dieser seit 2008 Tradition, organisiert von der Grünen Partei. 2020 fiel er jedoch Corona zum Opfer – und 2021 erachteten viele bisherige Organisatoren, dass die schnell gewachsene Critical Mass doch genüge, um den Stadtzürcher Velobedürfnissen Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das sehen Bühler und seine Mitstreiter anders: «Es braucht diesen Ride for Your Rights umso mehr!» Nach einer Sternfahrt aus allen Stadtkreisen treffen sich die Demonstranten beim Helvetiaplatz, wo dann die offizielle Demofahrt startet. Die von der Stadt genehmigte 10-Kilometer-Runde führt an vielen veloneuralgischen Punkten vorbei, Hardbrücke inklusive.
Auch zwei Stadtratskandidaten stehen fürs Velo ein
In den Ride for Your Rights ist auch Stadtratskandidat Dominik Waser stark involviert. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Junge Grüne bei der Stadt die Demonstrationsbewilligung beantragt hat. Je grösser der Auftritt der Velofahrenden der Stadt am Mittwoch ist, umso eher kommt auch er seinem Ziel einen Schritt näher: Er will das Velo zum zentralen Wahlkampfthema für den Stadtrat kommenden Februar machen, für den er kandidiert.
Waser sagt: «In den grossen europäischen Velostädten war es das Stadtpräsidium, dass die Veloförderung als Ziel definierte – und dann umsetzte. Das fordern wir auch von der Zürcher Regierung.» So ähnlich hat es die Bewegung Velomenschen vergangene Woche auch in einem eingeschriebenen Brief an Stadtpräsidentin Corine Mauch formuliert, der dieser Zeitung vorliegt. Waser wird nicht der einzige Stadtratskandidat sein, der an der Velodemonstration mitrollt: Auch SP-Kandidatin Simone Brander hat ihre Teilnahme zugesichert. Beide werden zum Abschluss auf dem Helvetiaplatz zu den Demonstranten sprechen.
Unterstützt von fast allen linken Vereinigungen
Vor rund einem Jahr schlossen sich Bühler und Waser mit Gleichgesinnten als Velomenschen zusammen. Gemeinsam setzen sie sich für die Sache des Zweirads in Zürich ein. «Wir sind eine lose Gruppierung, ‹Grassroots-Style›, ohne Strukturen», beschreibt es Velokurierin Olivia Senn, «bei uns sind alle aktiv, die gerne Velo fahren.» Nach dem Einsetzen der Pandemie demonstrierten sie monatlich für Pop-up-Velowege, während des Lockdown auch mal nur zu fünft – stets so, wie es eben erlaubt war.
Das wird am Mittwoch anders sein. «Wir rechnen mit über 10’000», sagt Mitorganisator Bühler. Der Ride for Your Rights ist zwar die 13. Demo der Velomenschen, wird aber von fast allen linken und velofreundlichen Vereinigungen unterstützt. Sie wollen damit die eigene Stadtregierung aufrütteln.
Bühler weiss die Anliegen der Velomenschen sehr prägnant zu formulieren: «Bei uns engagieren sich Linksgrüne, die frustriert sind mit dem offiziellen linksgrünen Kurs der Stadt. Viele Politiker haben immer noch nicht gecheckt, dass das Velo kein Nischending mehr ist.» Er denkt dabei aktuell etwa an die Mühlebachstrasse im Seefeld, die der Stadtrat nun doch nicht von den Autos befreien will. Seine Mitstreiterin Olivia Senn fügt hinzu: «Es gibt ja Schweizer Städte, deren Velonetz ganz okay ist, etwa Bern oder Basel. Zürich ist dagegen nur frustrierend. Es macht keinen Sinn, dass es nicht vorwärtsgeht.»
Am Ride for Your Rights selber werden die velopolitischen Parolen nicht ganz so laut zu hören sein. «Die Demo soll nicht klassisch-kämpferisch daherkommen, wir wollen vielmehr das Velofahren zelebrieren», so Organisator Bühler.
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Die Botschaft der gelb gehaltenen Plakate, die in der ganzen Stadt auf den Anlass hinweisen, ist darum freundlich-herzlich: Darauf sind Ballone zu sehen, ein gelbes Velo, das zu den herbstlichen Blättern passt. «Grösste und farbigste Velo-Ausfahrt 2021», steht da ebenfalls. Einen Katalog von Forderungen haben sie aber sehr wohl, auch gestützt auf das deutliche Ja zur Velorouten-Initiative.
Den Velomenschen war es dabei wichtig, inklusiver zu sein, als es etwa die Critical Mass ist. «Wir haben explizit auch Organisationen angeschrieben, die dort nicht vertreten sind: ältere Leute, Gehbehinderte, Geflüchtete und Familien», sagt Bühler. Und Waser fügt an: «Denn sie alle sollen sich künftig beim Velofahren in Zürich wohlfühlen.»
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