Nachbarschaftsstreit im UnterlandZahnärztin engagierte Privatdetektiv für ihre Luxusautos
Hat eine Frau aus Rache wiederholt mit Absicht ihre Autotüre gegen die Fahrzeuge der Nachbarin geschlagen? Ja, fand das Obergericht und sprach die Frau schuldig.
Die beiden Schweizerinnen waren Nachbarinnen. Sie lebten in einem bevorzugten Quartier einer Gemeinde im Zürcher Unterland – beide in Einfamilienhäusern, die beim Kauf rund 2,3 Millionen Franken gekostet haben. Die eine – heute 50-jährig – arbeitet am Flughafen und ist mit einem hohen Verwaltungsangestellten ihrer Wohngemeinde verheiratet. Die andere – vier Jahre jünger – leitet als Zahnärztin eine grosse Praxis und hat ein Faible für Autos der Oberklasse. Um diese geht es im Rechtsstreit, der am Zürcher Obergericht verhandelt wurde.
VW gegen Porsche
Denn in der Einfamilienhaussiedlung teilte man sich die Tiefgarage. Und so kam es, dass der ältere VW der 50-Jährigen direkt neben den wechselnden Geschäftsautos der Zahnärztin stand. Der VW-Fahrerin wird in der Anklageschrift vorgeworfen, mit den edlen Fahrzeugen ihrer Nachbarin nicht eben pfleglich umgegangen zu sein. Sie soll die Fahrertüre ihres VW «bewusst und gewollt» derart heftig geöffnet haben, dass diese mit Wucht gegen die Seite der dort korrekt abgestellten Personenwagen der Zahnärztin prallte.
Im Juli 2019 stellte die Geschädigte erstmals eine Delle und einen Lackschaden am Porsche Cayenne fest. Sie liess den Schaden für 2759 Franken reparieren. Eine Woche später entdeckte sie eine neue Beule, weitere folgten. Über ein Jahr soll das so gegangen sein. Immer wieder liess die Klägerin die Fahrzeuge reparieren, gemäss ihren Angaben für total 12’000 Franken.
Videoüberwachung und Detektiv im Auto
Die Zahnärztin begann, ihren Garagenplatz mit einer Videokamera zu überwachen, und sie engagierte einen Privatdetektiv. Der setzte sich ins Auto der Auftraggeberin. Sein Rapport beschreibt, wie eine Frau in Uniform auf dem Nachbarparkplatz ins Auto stieg. Dabei habe sie die Türe so heftig gegen das Fahrzeug der Zahnärztin geschlagen, dass dieses gewackelt habe.
Auch das Forensische Institut Zürich rückte zum Ort des Geschehens aus: Der Spurenbericht hält «auffallend viele» Schäden am Audi Q5 fest. Am VW Passat fanden sich gemäss Gutachten Lackspuren, «welche sich mikroskopisch nicht vom Lack des Audi und des Porsche Cayenne unterscheiden lassen».
Am Anfang stand ein Grenzstreit
F¨ür den Bülacher Richter gab es im Januar 2023 genug Indizien für die Schuld der nicht vorbestraften 50-Jährigen. Diese hat dagegen Berufung eingelegt. Am Mittwoch vor Obergericht bezeichnet sie ihr Verhältnis zur Nachbarin als neutral. Als die Vorsitzende nachhakt, räumt sie einen Streit um den Grenzverlauf zwischen den beiden Grundstücken ein. Dies sei aber lange her: «Möglich, dass ich im Stress die Autos mal berührt habe, aber nie mit Absicht und nie so heftig, um einen Schaden zu verursachen.» Wie die Dellen und Lackschäden dann entstanden sein sollen, fragt die Richterin. «Das weiss ich nicht.»
«Ein Lackstift hätte genügt»
Der Anwalt der Beschuldigten fordert einen Freispruch. Auf den Fotos seien an den teuren Autos unglaublich viele Schäden erkennbar. Längst nicht alle könnten zweifelsfrei seiner Mandantin zugeordnet werden. Es sei anzunehmen, dass die Zahnärztin der Beschuldigten die Schäden unterjubeln wolle. «Viele hätte man mit einem Lackstift ausbessern können.» Die Videoaufnahmen würden gegen das Datenschutzgesetz verstossen.
Dem widerspricht der Anwalt der Zahnärztin. Die Aufnahmen seien zulässig gewesen, da es sich nicht um sensitive Daten gehandelt habe. «Sie wurden auch erst erstellt, nachdem Schäden entstanden waren.»
Wieder kein Freispruch
Das Obergericht kommt zum Schluss, dass die Videoüberwachung gerechtfertigt war, weil es sonst einen Beweisnotstand gegeben hätte. Das gelte auch für die Beobachtungen des Privatdetektivs. «Dies war keine systematische Observation», betont die Vorsitzende. Die Lackübertragungen zwischen den Fahrzeugen seien erwiesen.
Das Gericht verurteilt die Beschuldigte wegen mehrfacher Sachbeschädigung zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 50 Franken, also insgesamt 6000 Franken. Die Probezeit wird auf zwei Jahre festgelegt. Damit wird das Urteil aus Bülach bestätigt. Dieses hatte die Luftverkehrsangestellte zudem verpflichtet, der Privatklägerin insgesamt knapp 20’000 Franken Entschädigung zu zahlen.
Die Frauen leben nicht mehr im gleichen Quartier. Die Familie der Zahnärztin hat ihr Haus verkauft und ist weggezogen. Laut ihrem Anwalt hat sie der mittlerweile über dreijährige Rechtsstreit psychisch zu stark belastet. Gegen das Urteil kann noch Beschwerde beim Bundesgericht erhoben werden.
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