Die Fussball-EM und ihre FansZu welcher Sorte Fussballfan gehören Sie?
Fussballfreak oder Fussballmuffel? Die ZSZ hat rund um die Fussball-EM fünf Typen ausgemacht, die immer wieder anzutreffen sind.
Die Expertin
Die Expertin blüht zwar auf, wenn sie täglich drei Fussballspiele sehen kann. Doch eine EM ist für sie auch Stress: Jetzt reden plötzlich alle mit und meinen, eine Ahnung zu haben. Eigentlich schaut sie sich die Spiele am liebsten alleine an. Und wenn doch Freunde dabei sind, dann nur, wenn man sich auf eine Übertragung im Deutschen oder Englischen TV einigen kann. Die Schweizer Kommentatoren hält die selbst ernannte Expertin schon lange nicht mehr aus, zu dilettantisch findet sie diese.
Sie braucht eh keine TV-Experten, denn selber hat sie das grösste Wissen. Auch wenn nicht EM ist, zieht sie sich mindestens drei Livespiele pro Wochenende rein und schaut die Zusammenfassungen aller Partien von Premier League, Bundesliga, Primera División und Serie A. Sie kennt Transfergeschichte, Passquote, Anzahl Saisontore und Marktwert nahezu aller Spieler. Auch vergangene Europa- und Weltmeisterschaften könnte sie noch im Schlaf rekonstruieren, sogar jene, die vor ihrer Geburt stattfanden. Daher ist die Expertin fast ein bisschen froh, wenn der EM-Trubel vorbei ist und sie wieder unter ihresgleichen über Fussball fachsimpeln kann. (aj)
Der Emotionale
Fussball ist Leidenschaft für den Emotionalen. Schiesst sein Team ein Tor, rennt er schreiend durchs Public Viewing und duscht alle mit Bier ab, die das nicht wirklich wollen. Er liebt den öffentlichen Auftritt. Es sollen ruhig alle mitbekommen, wie er leidet oder dass er Cristiano Ronaldo hasst. Natürlich ist er auch im Autokorso vorne dabei. Nur wenn gehupt wird, ist es schliesslich ein richtiger EM-Sieg. Was kümmern ihn schon die spiessigen Nachbarn.
Läuft es schlecht, ist er hässig, als wäre es eine persönliche Beleidigung, wenn die Schweiz gegen Italien 0:3 verliert. Dann kann er schimpfen über Fussballmillionäre, Coiffeurbesuche und neue Tattoos. Zu viel Ablenkung bei diesen verwöhnten Jüngelchen statt volle Konzentration aufs Spiel. Er würde das natürlich ganz anders machen.
Der Emotionale ist kein Ahnungsloser. Er versteht durchaus etwas vom Fussball. Aber nüchterne Analysen sind ihm einfach zu langweilig. Sein neuster Feind ist der Videoschiedsrichter. Diese Spassbremse nimmt mit seiner pingeligen Genauigkeit die Emotionen aus dem Spiel. Das geht doch nicht, Schiri! (paj)
Der Modefan
Kaum ist das neuste Trikot auf dem Markt, hat der Modefan dieses schon bestellt. Überhaupt weist die Garderobe des Modefans keine Lücken auf in Sachen Trends der Fussballsaison. Von Kopf bis Fuss kann er sich in Fussballklamotten hüllen. Da kann es schon mal zu einem bunten Mix aus Trikot und Fanschal kommen. Wahlweise trägt er den Bierhut oder die Perücke in Länderfarbe auf dem Kopf. Selbst die Schminke darf nicht fehlen. Gekonnt malt er sich die Länderflagge auf die Wange oder über das ganze Gesicht.
Doch damit nicht genug. Er kann, egal ob im Stadion oder beim Public Viewing – denn der Aufwand muss auch gesehen werden –, mit den neusten Gadgets auftrumpfen. Da werden Fahnen als Umhang um den Hals geknüpft oder zum Schwenken mittransportiert. Sollte die Aufmachung nicht genügend Aufmerksamkeit erzeugen, hat der Modefan schnell noch eine Vuvuzela oder Fussballtröte zur Hand. Vom Spiel selbst hat der Modefan nicht wirklich viel Ahnung. Abseits kann er nicht von Abstoss unterscheiden. Viel spannender ist für ihn die Frage, warum sich Granit Xhaka und Manuel Akanji plötzlich die Haare blondiert haben. Das könnte doch glatt ein neuer Trend werden. (duc)
Die Begleiterin
Schaut der Fussballfan zu Hause EM, hat er häufig Begleitung. Die Partnerin oder der Partner guckt mit. Eher desinteressiert, aber man will den Abend doch gemeinsam verbringen. Nicht das Spiel ist spannend, eher die engen Trikots der Italiener oder das schlecht gespielte Theater, das die gefoulten Spieler aufführen. Es fallen Bemerkungen wie «das erinnert mich an Seifenopern» oder «diese Memmen würden keine Yogastunde durchhalten». Zwischendurch wird gestrickt oder mit dem Smartphone gespielt. Die Begeisterung für das Spiel kann die Begleiterin nicht nachvollziehen. Das ist aber egal, die Koexistenz auf dem Sofa funktioniert. Der Fan freut sich, dass die Begleiterin die Stimmung nicht total vermiest. Im Verlauf des Spiels werden die Bemerkungen professioneller, es fallen Namen vergangener Spieler wie Totti oder Nesta, fast könnte sie mit den Kommentatoren mithalten, und der vermeintliche Experte staunt. Er grinst. Mit ihr Fussball zu schauen, ist doch deutlich angenehmer als mit einer Expertenrunde, die alles besser weiss. (paj)
Der Gleichgültige
Der Gleichgültige wundert sich. Eigentlich wollte er ein paar Freunde zu einem gemütlichen Scrabble-Nachmittag einladen. Warum nur sagen alle ab? Bis jemand den Gleichgültigen darauf aufmerksam macht, dass «im Fall» dann das Spiel der Schweizer Fussballnati stattfindet. Kein Wunder, hat der Gleichgültige das nicht gewusst: Er kann mit der EM nichts anfangen und mit den divenhaften Fussballspielern sowieso nicht. Warum 22 Personen 90 Minuten lang einem runden Ding nachjagen, sich nach einem Tor alle auf einen Haufen werfen und umarmen – und das während der Corona-Pandemie! –, kann er nicht nachvollziehen. Das Mail der Arbeitsgspäändli, beim Firmentippspiel mitzumachen, hat er ungelesen gelöscht. Seine Tipps würden eh nur einem Blick in die Kristallkugel gleichen, und blamieren will er sich dann doch nicht. Also entfernt er sich bei jedem Gespräch, bei dem es um dieses langweilige Thema Fussball geht.
Scrabble spielt der Gleichgültige dann übrigens alleine. Und sowieso muss ja auch noch die Wäsche gewaschen und der Boden feucht aufgenommen werden. (pkl)
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