Lukaschenko bei Putin in SotschiZu Besuch bei seinem letzten Freund
Der Druck auf Alexander Lukaschenko wächst nach dem Flugzeugzwischenfall. Gestern reiste der weissrussische Machthaber nach Russland, um sich der Unterstützung des Kreml zu versichern.
Gestern ist Alexander Lukaschenko in sein Flugzeug gestiegen und ins russische Sotschi geflogen. Nichts Ungewöhnliches so weit, der weissrussische Machthaber trifft Wladimir Putin in diesem Jahr schon zum dritten Mal. Sicher war sein Flug am Freitag aber einsamer als gewöhnlich: Der Himmel über Belarus ist leerer, seit Lukaschenko vergangenen Sonntag eine Ryanair-Maschine zur Landung zwang.
Europäische Fluggesellschaften meiden das Land, und die staatliche Fluglinie Belavia darf nicht mehr in die EU-Staaten fliegen. Minsk drohen zudem noch weitere Sanktionen.
In Sotschi beklagte Lukaschenko nun den Druck des Westens, Belavia würde bestraft, obwohl sie nichts mit dem Vorfall zu tun habe. Putin stimmte ihm zu, bei der Reaktion des Westens handle es sich um «einen emotionalen Ausbruch».
Auf ein Bad im Schwarzen Meer
Der Besuch in Sotschi war schon länger geplant; für Lukaschenko bekam er nun eine neue Dringlichkeit: Der weissrussische Machthaber musste sich vergewissern, dass Putin weiterhin hinter ihm steht. Dieser betonte bei dem Besuch nun mehrfach, dass er Lukaschenko in der Konfrontation mit dem Westen unterstütze – und lud den Amtskollegen an der Schwarzmeerküste zum Baden ein.
In Sotschi sollte es laut Kremlsprecher Dmitri Peskow auch um Sofia Sapega gehen. So heisst die Freundin des Bloggers Roman Protassewitsch, beide sassen an Bord der Maschine, beide wurden in Minsk festgenommen. Sofia Sapega ist anders als Protassewitsch russische Staatsbürgerin, sie studiert in Vilnius. Auch von ihr veröffentlichten die Behörden ein offenbar erzwungenes Geständnis auf Video. Sie schafft es kaum, in die Kamera schauen, während sie durch den Text hetzt. Die 23-Jährige gesteht, Redaktorin eines Telegram-Kanals zu sein, der Namen und andere Daten von Mitgliedern des weissrussischen Sicherheitsapparats veröffentlicht.
Ihr wird Anstiftung zum Hass und, laut der russischen Zeitung «Nowaja Gaseta», das Organisieren von Massenprotesten vorgeworfen. Damit drohen ihr 12 oder 15 Jahre Haft. Dabei sei sie während der Proteste gar nicht im Land gewesen, politisch nicht engagiert, sagte ihre Mutter mehreren Medien. Sie habe einen Appell an Wladimir Putin geschrieben, sich für ihre Tochter einzusetzen.
Fraglich, ob er das tut. Kremlsprecher Peskow blieb vage, natürlich werde man die Rechte russischer Bürger schützen. Aber wegen der «besonderen» Beziehungen zwischen Russland und Belarus sei das auf verschiedene Weise möglich. Ausserdem gebe es ja ein Geständnis.
Das Flugzeug wurde vor der Drohung umgeleitet
In Moskau fiel die Reaktion auf die Flugzeugentführung recht gedämpft aus. Man solle die Situation «nicht vorschnell» bewerten, sagte Aussenminister Sergei Lawrow am Tag darauf, nannte den weissrussischen Ansatz «absolut vernünftig». Die Frage, inwieweit Moskau Lukaschenkos Manöver abgenickt, dabei geholfen oder gar nichts davon gewusst haben könnte, lässt sich nicht klären, die Einschätzungen der Experten gehen auseinander. Russland unterstützt nach eigenen Angaben eine internationale Untersuchung.
In den ersten Darstellungen Lukaschenkos, er habe wegen der Meldung einer Bombendrohung aus der Schweiz gehandelt, gab es Widersprüche. Die Ryanair-Maschine war nämlich noch vor Eingang der Drohung umgeleitet worden, wie der E-Mail-Dienst Protonmail gestern in Genf bestätigte. Von einem Server dieses Dienstes war die angebliche Warnung versendet worden.
Welche internationalen Folgen das Manöver haben würde, das habe Minsk wahrscheinlich nicht vorausgesehen, schreibt der weissrussische Politikexperte Artjom Schrajbman für das Moskauer Carnegie Center. «Das Regime ist im Überlebensmodus, das hat seinen Tunnelblick verstärkt.» Alle Energie fokussiere es auf eine Sache: «seine Feinde zu neutralisieren.»
Lukaschenko isoliert sich so immer stärker, ist immer dringender auf Moskau angewiesen. Und Putin unterstützt ihn. Der Handel zwischen beiden Ländern habe zugenommen, «das ist eine gute Tendenz», sagte Putin nun in Sotschi. Ohne finanzielle Hilfe aus Russland wäre es Lukaschenko längst unmöglich, seinen gewaltigen Unterdrückungsapparat aufrechtzuerhalten.
Lukaschenko verkauft sich Moskau dafür als letzter Puffer zwischen dem Kreml und einem feindlich gesinnten Westen. Lukaschenkos Nachricht an Putin sei, so Schrajbman, «dass es niemals einen stärker antiwestlich eingestellten weissrussischen Führer geben wird, also sollte er ihn wertschätzen».
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