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ZSC-Sportchef Sven Leuenberger
«Wir sprachen nicht von Dynastie – doch diesen Spielern reichte ein Titel nicht»

Sven Leuenberger, Sportchef der ZSC Lions, nach dem Champions Hockey League-Finale gegen Faerjestad BK in Zürich, mit Medaille.
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In Kürze:
  • Auch für Sportchef Sven Leuenberger endet die Saison 2024/25 perfekt.
  • Dennoch möchte er nächste Saison etwas anders machen.
  • Der Titel der U20 freut ihn aus einem besonderen Grund.

Als Sven Leuenberger 2017 Sportchef der ZSC Lions wurde, hegte er ein Vorurteil, das auch bei seinem bisherigen Arbeitgeber Bern verbreitet gewesen war: «Gegen den ZSC gewinnst du, wenn du härter aufs Tor gehst und physischer spielst als sie.» Er fragte jene neuen Spieler, die ebenfalls von einem anderen Schweizer Club zu den Zürchern gewechselt hatten. Und stiess auf Bestätigung.

Als der ZSC Ende Saison dann im Playoff von Rang 7 zum Titel gestürmt war, freute Leuenberger darum vor allem das kämpferische Element, das die Mannschaft nach dem Trainerwechsel zu Hans Kossmann auszeichnete.

Eishockey prägte die Familie

Leuenberger, der frühere Nationalverteidiger, hat eine Philosophie schon früh eingetrichtert bekommen. Eine, die ihn bis heute prägt. Der 55-Jährige stammt aus einer Eishockeyfamilie, sein Vater Fredy kümmerte sich ebenfalls um die sportlichen Belange seines Heimatclubs in Uzwil. Und auch wenn das alles im kleineren Rahmen geschah und der General Manager damals noch bloss «TK-Chef» war, gab es für Leuenberger senior eine Maxime: «Damit es funktioniert, muss der Charakter der Mannschaft stimmen.»

Sven Leuenberger wechselte vor seinem 19. Geburtstag zum grossen SCB und damit dem Club, mit dem er später vierfacher Champion wurde. Seine Meistermannschaften hatten eines gemein: «Die Team-First-Mentalität war stets ausgeprägt.»

Auch als Sportchef wurde er später viermal Meister mit dem SCB. Die Philosophie blieb, dies sah man auch an der Auswahl der Ausländer. Leuenberger war bereits in Zeiten, als die Imports vor allem Tore schiessen mussten, nicht abgeneigt, Zwei-Weg-Stürmer zu verpflichten, die auch in der Defensive ihre Stärken hatten.

Sven Leuenberger, Sportchef der ZSC Lions, feiert mit einer Zigarre den Gewinn der Schweizermeisterschaft 2023/2024 gegen Lausanne HC. Datum: 30. April 2024, Ort: Zürich.

Als er nach Zürich kam, ärgerte er sich über Spieler, die nicht gerne Schüsse blockten oder nur so taten, als würden sie es versuchen, sich in Wahrheit aber so schmal wie nur möglich machten. Der Anspruch war gross: die DNA der ZSC Lions verändern. Als Sportchef, der nicht nur das Denken verändern wollte, sondern auch nahe bei Spielern und Trainern war, machte er sich damit früh angreifbar.

Der Meistertitel im ersten Jahr bei den ZSC Lions (dem dritten hintereinander für ihn nach 2016 und 2017 mit dem SCB) reichte noch nicht, um vor Kritik gefeit zu sein – die Arbeit des Sportchefs kann in der ersten Saison sowieso kaum richtig beurteilt werden. Dazu kamen 2019 bis 2023 die Trennungen von gleich drei Trainern (Serge Aubin, Arno Del Curto, Rikard Grönborg), aber keine weiteren Titel. Jener 2024 wurde zwei Jahre nach dem Umzug in die Swiss Life Arena nicht nur für den Club, sondern auch für Leuenberger zur Erlösung.

Die Luxus-Situation der ZSC Lions

Seine Philosophie ist geblieben. Leuenberger will Teams in dieser Reihenfolge aufbauen: einen guten Goalie, «weil ohne guten Goalie wirst du nicht Meister». Dann vier bis fünf Topverteidiger, weil im Durchschnitt einer in der Regel eh verletzt ist. Center für die ersten drei Linien sowie mindestens zwei weitere Stürmer, die bei Bedarf in der Mitte einspringen können, ohne dass der Leistungsabfall zumindest während rund zehn Spielen zu gross wird.

Leuenberger nennt Justin Sigrist, Vinzenz Rohrer oder Nicolas Baechler als gute Beispiele: «Wenn im Final ein Juho Lammikko ausfällt, dann können diese problemlos als Center der 3. Linie einspringen.» Leuenberger mag die «Sackmesser-Stürmer»: Angreifer, die nicht in erster Linie als Skorer glänzen, aber in allen möglichen Lagen einsetzbar sind. Fast alle aktuellen ausländischen Offensivkräfte der Lions entsprechen dieser Beschreibung, sie sind zwar in der Skorerliste nicht zuvorderst, sorgen aber für eine Breite, die kaum ein anderes Team erreicht.

Leuenberger weiss aber auch um die Luxus-Situation der ZSC Lions: «Wir können so denken, weil wir mit Denis Malgin und Sven Andrighetto zwei Schweizer Stürmer haben, die offensiv top produzieren.» Es ist dieses Duo, um das die Zürcher von fast allen beneidet werden. Es sind aber auch diese Künstler und Freigeister, die hin und wieder spezielle Betreuung brauchen.

In einem Bereich könne er mit diesem Spielertyp mitfühlen, sagt Leuenberger: Auch er sei ein «Vulkan» gewesen, einer, der nicht immer nur gut reagierte, wenn es nicht nach Wunsch lief. Dies kann auf Aussenstehende auch irritierend wirken, je nachdem sogar auf Mitspieler.  «Ich weiss, wie diese Spieler denken», sagt Leuenberger. «Sie wollen gewinnen, nicht andere beleidigen. Hin und wieder muss man sie aber darauf hinweisen, dass sie der Mannschaft auch Energie nehmen können, selbst wenn sie das nicht beabsichtigen.»

Patrick Geering von den ZSC Lions feiert mit Sportchef Sven Leuenberger den Gewinn der Schweizermeisterschaft 2024/2025 nach dem Eishockey-Playoff-Finalspiel gegen Lausanne HC in Lausanne.

Der Grat ist schmal. Für Kritiker sind Künstler schnell einmal Diven. Und zu viel Talent kann zum Problem werden, wenn nicht jeder seine Rolle im Team akzeptieren kann. Leuenberger erlebte dies als Profi bei seinem zweijährigen Abstecher nach Lugano, bevor er dann wieder ohne Titel zum SCB zurückkehrte.

Er sagt: «Je bodenständiger der Rest der Mannschaft ist, desto mehr Freigeister mag es vertragen. Doch in einem Team mit einem labilen Fundament wird es schwierig.» Für ihn gebe es eh nur in einem Fall Probleme: «Wenn Spieler Allüren haben, aber nicht abliefern.»

Was beeindruckt den Sportchef besonders am aktuellen Team? «Die Selbstmotivation. Die Spieler haben eine klare Vision: Sie wissen, was sie wollen, und das holen sie sich.» Nie seien intern Worte wie «Dynastie» gefallen – als Dynastie gilt im Eishockey ein Team, das vier Mal hintereinander Meister wird. Doch Leuenberger hat schon vor einem Jahr festgestellt: «Den Spielern reichte ein Titel nicht, sie wirkten nicht schon zufrieden. Und sie wollten auch den Sieg in der Champions League.»

Und dennoch lauern selbst für das talentierteste oder auch das am besten balancierte Team der Liga Gefahren. Als die Belastung mit Meisterschaft und Champions League im Januar den Tribut forderte und die Spieler reihenweise verletzt oder krank ausfielen, waren für Leuenberger zwei Dinge entscheidend: einerseits die zweiwöchige Pause dank der Play-Ins: «Ich glaube nicht, dass wir ohne diesen Unterbruch im Playoff weit gekommen wären.»

Das Team war mental müde geworden, auch Leistungsträger und Topspieler wie der sonst so solide Verteidiger Dean Kukan begannen, regelmässig ungewohnte Fehler zu produzieren. «Irgendwann fuhren die Spieler wie Zombies auf dem Eis herum», beschreibt es Leuenberger. Es sei ein schwierig zu bewältigender Zustand: «Du willst zwar, bist aber im Kopf nicht mehr fähig.»

In Zürich soll mehr rotiert werden

Darum blickt der Sportchef bereits Richtung nächste Saison. Denn das Mammutprogramm könnte sich für den doppelten Titelverteidiger wiederholen. Eine Idee Leuenbergers, trotz des Wissens, dass diese Risiken berge und mehr Niederlagen zur Folge haben kann: noch mehr rotieren, die Eiszeiten noch besser verteilen. Oder gar selbst Leistungsträgern wie Geering, Weber, Andrighetto oder Malgin hin und wieder eine Pause verordnen und dafür noch mehr jüngere Spieler einsetzen.

Doch zunächst darf nun gefeiert und genossen werden. Leuenberger ist stolz auf die Entwicklung des ganzen Clubs. Auch acht Jahre nach seiner Ankunft habe sich in der Aussenwahrnehmung eines wohl nicht verändert: «Die Leute sagen sicher immer noch, dass der ZSC für sehr gute Skills steht.» Er weiss auch, dass in diesem Bereich höchstens zwei bis drei Teams mithalten können: «Die meisten Gegner müssen uns im physischen Bereich attackieren.»

Der Unterschied zu früher? «Wir sind immer noch nicht die Brachialsten, aber man bringt uns damit nicht mehr aus dem Konzept.» Das Team sei im Durchschnitt grösser und schwerer geworden, mit Grant und Lammikko verfüge es über zwei der physisch stärksten Center der Liga. Was Leuenberger besonders freut: «Diese neue DNA haben wir in die ganze Organisation gebracht.» Er verweist auf den Titel der U20-Mannschaft: Gegner Biel sei im Final besser aufgestellt gewesen, die ZSC Lions aber hätten wie Löwen gekämpft. «Solche Titel freuen mich am meisten.»