Bayers Meisterstück mit dem ZSCNa also, auch ein Schweizer kann es!
Er kam aus dem Schatten und gewann mit den ZSC Lions Meisterschaft und Champions League. Marco Bayers Double ist auch ein Triumph über die Zweifel gegen Schweizer Trainer.

- Marco Bayer durchbrach die kanadische Phalanx und führte den ZSC zum Titel.
- Er emanzipierte sich je länger, desto mehr von seinem Vorgänger Marc Crawford.
- Mit 52 ist er damit als Coach ganz oben angekommen.
- Ob er ZSC-Headcoach bleiben darf, entscheidet die Clubführung in den nächsten zwei Wochen.
Die Szene flimmerte vor der Overtime des zweiten Finalspiels in der Swiss-Life-Arena über den riesigen Videowürfel. Marco Bayer lief mit einem Lächeln im Gesicht von der Garderobe zurück in die Arena und klatschte mit Teamarzt Gery Büsser ab. Scheinbar ganz entspannt, obschon so viel auf dem Spiel stand.
«Das ist die pure Freude am Eishockey», erklärte er später, darauf angesprochen. «Es gibt doch nichts Schöneres als Playoff. Das soll man geniessen. Ich weiss nicht, wie oft ich das noch erleben darf.»
Der 52-Jährige bekam nach Weihnachten die Chance seines Trainerlebens. Marc Crawford trat aus gesundheitlichen Gründen Knall auf Fall zurück und flog nach Vancouver ab, nachdem er schon Monate mit sich gerungen hatte, und Bayer stieg von der Anonymität als Coach des Farmteams GCK Lions ins Rampenlicht der Swiss-Life-Arena auf.
«Jeder Mensch sollte Visionen haben», sagt er. «Meine war, irgendwann in der National League zu coachen. Aber ich setzte mich nicht unter Druck. Es braucht auch ein bisschen Glück, um zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Deshalb sagte ich mir immer: Wenn der Zeitpunkt kommt, ist es der richtige.» Nun war er gekommen.
Sein Einstand war indes alles andere als einfach: Die Zürcher verloren, noch durcheinander nach dem plötzlichen Abgang Crawfords, die ersten drei Spiele unter Bayer. Unter anderem das Derby in Kloten nach einem 4:1-Vorsprung. «Es gibt ein paar Dinge, die wir ansprechen müssen», sagte er damals an einem Dienstag spät in der Swiss-Arena mit ruhiger Stimme.
Ein erknorztes 1:0 drei Tage später in Langnau war sein erster Sieg als ZSC-Coach, danach ging es allmählich bergauf, mit periodischen Rückschlägen. Auch weil eine Grippewelle und die Doppelbelastung mit Liga und Champions League am Team nagten.
Dreieinhalb Monate später hat Bayer alles gewonnen, was man gewinnen kann. Am 18. Februar siegte er mit den ZSC Lions im Champions-League-Final gegen Färjestad in einem Spiel auf höchstem Niveau 2:1. Nun führte er sie mit einem Finalsieg über Lausanne zur Titelverteidigung.
Es hiess immer, die ZSC Lions könnten nur mit kanadischen Coachs Meister werden. Kent Ruhnke, Larry Huras, Harold Kreis, Bob Hartley, Marc Crawford (zweimal) und Hans Kossmann hiessen die Zürcher Meistertrainer der Playoff-Ära. Nun hat es mit dem Dübendorfer erstmals ein gebürtiger Schweizer geschafft.
Der Prophet im eigenen Land hat es nie einfach. Das mussten schon viele Schweizer Coachs erleben. Wer akzentfrei «Let’s go» schreien kann oder schwedische Kollektivgedanken predigt, geniesst automatisch mehr Autorität. Es brauchte schon eine aussergewöhnliche Persönlichkeit wie Arno Del Curto, um zu zeigen, dass auch Schweizer Titel gewinnen können. Patrick Fischer setzte diesen Weg im Nationalteam fort und coachte die Schweizer zweimal zu WM-Silber – 2018 in Kopenhagen und 2024 in Prag.
Nationalcoach Patrick Fischer freut sich für ihn
«Es freut mich extrem, dass Marco bei den ZSC Lions diese Chance bekam», sagt der Nationalcoach. «Er hatte sie sich auch verdient. Schon als Assistent von Lars Leuenberger beim SC Bern wurde er ja Meister (2016). Da leistete er eine gute Arbeit. So wie später auch als U20-Nationaltrainer.»
Fischer kennt Bayer gut, an den Weltmeisterschaften 2021 und 2022 in Riga und Helsinki war dieser als U20-Nationalcoach sein Assistent im Nationalteam: «Ich schätzte ihn sehr. Er ist gut organisiert und strukturiert, leidenschaftlich, er hat ein grosses Hockeywissen und einen guten Draht zu den Spielern. Daher überrascht es mich nicht, dass er nun auch mit Zürich so Erfolg hat.»
Eishockey war schon früh Bayers Bestimmung. Er schnürte die Schlittschuhe als Junior beim EHC Dübendorf, wo sein Vater Werner ein bulliger Stürmer in der 1. Liga gewesen war. Die Mutter unterrichtete auf der Kunsteisbahn «Im Chreis» Eislauf. Die elterliche Prägung half. Marco und sein drei Jahre jüngerer Bruder Claudio wurden beide Eishockeyprofis. Claudio wurde Goalie, Marco wurde beim ZSC von Arno Del Curto vom Stürmer zum Verteidiger umfunktioniert und wurde mit Kloten zweimal Meister (1995, 1996).
Marco Bayer war ein laufstarker, kreativer Verteidiger und kam als Spieler in der halben Schweiz herum. Er spielte für Davos, Chur, den ZSC, Kloten, Zug, Ambri, Rapperswil und Langnau. Und seine Tour de Suisse endete auch nicht mit seiner Aktivkarriere. Er wirkte danach als Coach auf verschiedenen Stufen in Langnau, Rapperswil, Bern und Kloten, zwei Jahre als Sportchef bei den SCL Tigers und als U20-Nationalcoach, ehe er 2023 Headcoach bei den GCK Lions wurde.
Marco Bayers Dank an seine Familie
Wer seinen Lebensunterhalt im Eishockey verdienen will, muss Opfer auf sich nehmen. Sein Wechsel zum ZSC-Farmteam bedeutete auch, dass er die meiste Zeit von seiner Frau getrennt ist, da sie in ihrem gemeinsamen Haus im Kanton Bern wohnen blieb und in Langnau arbeitet. Die drei erwachsenen Kinder sind schon ausgezogen.
Bayer ist seit 27 Jahren mit seiner Partnerin zusammen und sagt: «In diesem Job braucht es jemanden, der versteht, wie es im Hockeybusiness läuft. Hinter jedem Coach steht eine starke Frau und eine Familie, die das auch mitträgt. Ich schätze das extrem.» Und im Playoff war seine Familie nun auch vermehrt an den Spielen in der Swiss-Life-Arena dabei und sah ihm bei der Arbeit zu.
Eine grosse Herausforderung für Bayer war es, sich von Crawford zu emanzipieren. Es ist längst nicht so, dass beim ZSC alle Spieler Fan vom Kanadier gewesen waren. Aber Crawford ist eine starke, charismatische Persönlichkeit mit einem eindrücklichen Leistungsausweis. Telefonierte Bayer anfangs noch oft mit seinem Vorgänger, um dessen Meinung zu den Spielen einzuholen, die dieser im fernen Vancouver schaute, suchte er zuletzt eher Abstand. Auch Fragen nach Crawford beantwortete er je länger, desto weniger gern.
Das ist verständlich, musste doch Bayer sein eigenes Profil schärfen. Punkto Hockeyphilosophie ist er dem Kanadier sehr ähnlich. Geprägt von Del Curto propagiert auch er ein aktives Spiel, Tempo und viel Puckbesitz. Oder wie er es ausdrückt: Zürich-Hockey. Und wie Crawford schreckt er nicht davor zurück, seine Linien durcheinanderzuwirbeln und die Stars zu forcieren, wenn es nicht läuft. Punkto Kreativität im Coaching übertraf er seinen Vorgänger im Playoff sogar.
Im Umgang mit den Spielern ist Bayer indes weniger schroff als Crawford. Auch diesbezüglich habe ihn Del Curto stark beeinflusst: «Menschlich war Arno unglaublich gut. Er hatte immer ein offenes Ohr für uns Spieler, und zwar nicht nur immer aufs Eishockey bezogen. Auch Alpo Suhonen schätzte ich von seinem Führungsstil her sehr. Bei ihm ist es fast familiär zu- und hergegangen. Mir hat das extrem gutgetan. Darum bin ich heute auch so: Ich bin kein Polterer, ich will die Spieler an die Hand nehmen und sie spüren lassen: Ich bin für sie da. Es ist ein Miteinander.»
Mit dieser Philosophie hat er die ZSC Lions zu ihren erfolgreichsten Monaten der Clubgeschichte geführt. Ob das reicht, dass der Coach bleiben darf, ist noch offen. Er hat in der Organisation einen Vertrag bis 2027 unterschrieben, aber noch ist nicht definiert, ob er nächste Saison die ZSC Lions oder die GCK Lions coacht. Die Clubführung hat sich 14 Tage Bedenkzeit ausbedungen, um das nach der Saison zu entscheiden.
Erster Schweizer Meistertrainer beim ZSC seit 1961
So oder so hat Bayer Historisches geschafft. Er ist der erste gebürtige Schweizer Meistercoach des ZSC seit Otto Schläpfer 1961, der auch ein Double gewann: Meisterschaft und Cup. Der Bündner war damals sogar Spielertrainer. Als begnadeter Goalgetter hatte er seine Autorität dank seines spielerischen Könnens, wie sich Peter Meier erinnert, einer der Meisterstürmer von damals.
Wie Andres Ambühl habe Schläpfer das Sommertraining nicht sonderlich gemocht. «Aber auf dem Eis war er unheimlich kräftig. Er war unser Turm in der Schlacht.» Im Training habe er es damals eher einfach gehalten – sehr zur Freude des Teams. «Meistens machten wir unsere Lieblingsübung», erzählt Meier schmunzelnd. «Ein Puck, und wir spielten fünf gegen fünf.»
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