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Handel vor Jahrtausenden
Zahnstein als Schatztruhe

Gewürze waren bereits vor Tausenden Jahren Handelsware. 
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Über Zahnstein lässt sich einiges sagen; ihn aber als «Schatztruhe» zu bezeichnen, würde wohl den wenigsten Menschen einfallen. Doch Philipp Stockhammer, Professor für prähistorische Archäologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, schwärmt geradezu vom Zahnstein. «Eine Fundgrube für Wissenschaftler, die sich mit den Ernährungsgewohnheiten der Menschen in früheren Jahrtausenden beschäftigen», sagt Stockhammer.

In der kürzlich erschienenen Ausgabe der Proceedings of the National Academy of Sciences hat ein Team internationaler Wissenschaftler neue Erkenntnisse aus der Analyse von Zahnstein aus Gräberfunden in den israelischen Ausgrabungsstätten Megiddo und Tel Erani veröffentlicht. Sie brachte verblüffende Ergebnisse: Schon im zweiten vorchristlichen Jahrtausend, also in der Bronze- und frühen Eisenzeit, hatten die Menschen im östlichen Mittelmeerraum Zugang zu Gewürzen und Nahrungsmitteln, die aus Südasien oder sogar aus China importiert werden mussten. Im Zahnstein aus dem Gebiss von Skeletten, die in den Fundstätten von Megiddo und Tel Erani ausgegraben wurden, fanden sich neben Resten von Weizen, Hirse, Sesam und Datteln auch Spuren von Sojabohnen, Bananen und Kurkuma.

Zahnstein speichert Mikroben

Die Bioarchäologin Christina Warinner von der Harvard-Universität erkannte 2014 als Erste das Potenzial des Zahnsteins für die Erforschung prähistorischer Nahrungsmittel. Zahnstein versteinert schon zu Lebzeiten des Menschen, ist leicht auffindbar und speichert Mikroben, Eiweissfragmente, Fettmoleküle und Pflanzenreste, aus denen sich nicht nur die Ernährungsgewohnheiten, sondern auch die Krankheitsgeschichte des jeweiligen Individuums rekonstruieren lassen.

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Die Forscher um Philipp Stockhammer und Christina Warinner nahmen für ihre Analysen Proben von 16 Individuen, 13 aus Megiddo und 3 aus Tel Erani. Megiddo, etwa 40 Kilometer südöstlich der modernen Stadt Haifa, war ein bedeutender und reicher kanaanäischer Stadtstaat, in dem sich zwei wichtige Handelsstrassen kreuzten. Die Grabfunde in Megiddo, die von den Archäologen analysiert wurden, stammen aus der Zeit von 1650 bis 1400 vor Christus. Tel Erani, etwa 60 Kilometer südwestlich von Jerusalem, war wesentlich kleiner und ländlicher geprägt als Megiddo.

Der Nachweis von Spuren ganz spezifischer Pflanzen in so geringen Materialmengen wie Zahnstein ist nur dank neuester Analysemethoden möglich. «Das ist wissenschaftliches Neuland», sagt die Bioarchäologin Ashley Scott, die Erstautorin der Studie. «Wenn ein Protein erst einmal Tausende Jahre überlebt hat, gestaltet sich dessen Identifikation als grosse Herausforderung. Unsere Studie zeigt, welches Potenzial in mikroskopischen und molekularen Methoden bei der Erforschung von Elementen des globalen Handels liegt, die ansonsten keine archäologischen Spuren hinterlassen.»