Tagebuch der Super LeagueWenn Shaqiri plaudert und Constantin kocht
Die Schweizer Liga hat viel zu bieten, besonders in einer englischen Woche. Ein Streifzug zwischen St. Gallen und Genf, Nebel und Sonne, Jubeln und Jammern.
Montag: Ansage mit Joe Mansueto
Im Fernsehen läuft zur Mittagsstunde eine Wiederholung des «Sportpanoramas» vom Vorabend. Xherdan Shaqiri sitzt als Gast im Studio, gut gelaunt nach seiner Gala am Samstag beim 6:1 des FC Basel in Winterthur. Zwei Tore hat er da erzielt und drei andere vorbereitet. Auf dem Platz habe er noch immer die gleiche «Spitzbubigkeit», sagt er. «Ich bin ein riskanter Spieler. Man wird so geboren.»
Im Tessin hält Joe Mansueto Hof, angemessen im Kunst- und Kulturzentrum von Lugano. Er ist der schwerreiche Onkel aus den USA, der den lokalen FC seit drei Jahren unterhält. Am Vortag ist er erstmals bei einem Spiel seines FCL im Stadion gewesen und hat gleich das überzeugende 2:0 gegen ein schwaches YB miterlebt.
Eine knappe Stunde dauert seine Pressekonferenz. «Gute Frage», sagt er, «interessante Frage», «sehr gute Frage». Er zeigt sich bestens informiert. Zählt die Erfolge auf, die Plätze 4, 3 und 2 in der Liga, die drei Cupfinals. Sieht seine Erwartungen übertroffen. Lobt seine Angestellten, keinen mehr als den heutigen Verwaltungsrat Georg Heitz, und das trotz seiner verpassten Playoffs mit Chicago, wie dem «Corriere del Ticino» besonders aufgefallen ist.
Am Ende bleibt von Mansueto vor allem eine Botschaft: Er hat den Club gekauft, um die Meisterschaft zu gewinnen. «Certainly», stellt er klar, mit Sicherheit. Es wäre die erste seit 1949.
Dienstag: Bock umstossen mit Ogi Zaric
GC verabschiedet Joshua Laws mit einem 4-Zeilen-Communiqué durch die Hintertür. Der australische Verteidiger war zuletzt in die U-21 degradiert worden. Saulo Decarli, einer seiner Nachfolger, steht bislang allerdings nicht für eine Qualitätssteigerung.
In Winterthur bereitet sich Ognjen, kurz: Ogi, Zaric auf den Ausflug nach St. Gallen vor. Das Vorschauinterview mit ihm ist wie immer auf Youtube aufgeschaltet. 721 Fans schauen es sich an. In den Knochen steckt dem jungen Trainer noch das Debakel gegen Basel. «Gibt nix zum Schönreden», sagt er, «aber das Positive an einer englischen Woche ist, dass man sofort reagieren kann. Ich spüre in der Mannschaft, dass wir den Bock umstossen.» Es wird auch Zeit. Aus den letzten 17 Meisterschaftsspielen vermeldet der FCW 2 Siege, 14 Niederlagen und 13:41 Tore.
Es bleibt die Gelegenheit, sich den neuen Podcast des FCZ anzuschauen. Die Besitzer Ancillo und Heliane Canepa machen ihre Aufwartung, über eine Stunde lang. Er sagt: «Wir sind abhängig von dem, was auf dem Rasen passiert. Ich kann nicht selbst auf den ‹Tschuttiplatz› gehen und ein Goal machen – auch wenn ich manchmal das Bedürfnis habe. Vielleicht mache ich das auch mal.» – «Nein, das machst du nicht!», sagt sie, als würde sie ihn beim Wort nehmen.
Am Abend gewinnt Lausanne im Nebel von Yverdon 3:0. «Er zimmert den Ball in den Winkel», sagt der Blue-Reporter beim Treffer von Fousseni Diabeté. «Vaud, c’est nous!», verkünden die siegreichen Lausanner auf ihrer Website, das Waadtland sind wir. Derweil fragt sich Lematin.ch wegen des fetten Nebels, ob dieses Spiel überhaupt stattgefunden habe.
Mittwoch: Leiden mit Mohamed Dräger
Sion empfängt den FCZ zum zweiten Heimspiel innerhalb von drei Tagen. Gegen St. Gallen gab es noch eine emotional aufgeladene Schlussphase mit vier Roten Karten, drei davon für Goalie, Assistenztrainer und Sportchef von Sion. Wer erstaunlicherweise zu beruhigen versuchte, war Christian Constantin, lange bekannt als Chef aller Hitzköpfe. Dafür windet ihm nun Blue-Experte Rolf Fringer «ein Chränzli». Es folgt ein weiterer ernüchternder Abend für die Walliser. Sie sind gegen den FCZ absolut chancenlos und verlieren 0:2.
Munterer geht es in Bern zu und her. Basel schiesst das erste Tor und verpasst das zweite nur um ein paar Zentimeter. YB reagiert mit dem Ausgleich. «Und dann kommt Mohamed Dräger», wie die «Basler Zeitung» danach gross titelt.
Dräger wird in der 75. Minute als Rechtsverteidiger eingewechselt, erstmals seit fünfeinhalb Monaten. In der 81. Minute flankt Lewin Blum, und im eigenen Fünfmeterraum nimmt Dräger den Ball volley formvollendet ab und schiesst ihn unter die Latte des eigenen Tors. In seinem Leiden klammert er sich am Netz fest, als könnte ihm das Halt geben.
YB gewinnt nach einem zweiten Basler Eigentor 3:2. «Es fühlt sich weiter wie im Europapark an», sagt Captain und Sprachrohr Loris Benito. «Rauf unter runter.» Trainer Joël Magnin erklärt: «Die Mannschaft hat gezeigt: Wenn wir umfallen, stehen wir wieder auf. Was wir jetzt machen? Stehen bleiben!»
Im Kybunpark läuft das nächste Nebelderby der Woche. Ogi Zaric setzt beim FCW auf neue Spieler und vor allem auf eine massierte Defensive, wie das längst nötig gewesen ist. Matteo Di Giusto bringt den FCW in Führung. St. Gallen schafft die Wende zum 2:1. Aber dieser FCW geht nicht unter. Labinot Bajrami gelingt der Ausgleich, Di Giusto verpasst das Siegtor. Zaric trauert dem Sieg nach.
Lukas Görtler ist der Captain einer St. Galler Mannschaft auf schwieriger Mission, sich selbst wiederzufinden. Er sagt: «Das 2:1 fühlt sich an wie eine Erlösung. Fünf Minuten später fällt das 2:2. Du stehst auf dem Platz und kannst es kaum glauben. Ich stehe aber nicht hier, um zu lamentieren. Das ist Fussball. Ich bin positiv, weil wir alles gute Typen sind. Wir reissen uns nicht an den Köpfen. Wir sind eine Einheit, die alles versucht, um wieder rauszukommen.»
Donnerstag: Auf der Intensivstation mit GC
Fabio Celestini feiert seinen 49. Geburtstag. Und gleichzeitig sein Ein-Jahr-Jubiläum als Trainer beim FC Basel. So weit hat es keiner seiner fünf Vorgänger unter David Degen gebracht.
Die «Tribune de Genève» widmet sich der Führung von Servette. Sie erinnert an den Sommer, als sich René Weiler quasi gleich selbst vom Trainer zum Sportchef befördert hatte, um mehr Einfluss auf die Entwicklung des Vereins nehmen zu können. Thomas Häberli war seine überraschende Trainerwahl, ein diskreter Mann aus dem Luzerner Hinterland, und dieser Häberli wurde deshalb als Marionette des selbstbewussten Weiler gesehen.
Seither hat es Rückschläge gegeben, das Aus in der Europacup-Qualifikation, das 0:6 gegen Basel, vor allem die Cup-Niederlage in Schaffhausen. Und doch gehen die Genfer einen hoffnungsvollen Weg. Die «Tribune» diagnostiziert: «Bei Servette werden die Fäden zu zweit gezogen. Weiler und Häberli sind weit entfernt von einer vulgären Marionettenspieler-Nummer.» Am Abend schafft Servette trotz Überlegenheit nur ein 2:2 gegen den FC Luzern und ist schon nicht mehr Leader.
Die Grasshoppers haben nach dem trostlosen 0:3 in Lausanne eine interne Aussprache hinter sich, die Wirkung zeigt. Trostlos ist jetzt gegen Lugano im Letzigrund in erster Linie die Zahl von 3641 Zuschauern. GC kämpft sich gegen den Titelkandidaten zu einem 1:1. Trainer Marco Schällibaum sagt: «Wir müssen wissen, dass wir auf der Intensivstation sind. Aber wir sind noch am Leben. Und wenn man lebt, kann man kämpfen. Und wenn man kämpft, kann man etwas erreichen.»
Freitag: Lernen mit Ricardo Moniz
Nach zwölf Runden ist weiter nur ein Trainer entlassen worden. Patrick Rahmen hat es bei YB getroffen. Dafür halten sich Didier Tholot, Schällibaum und Zaric trotz trostloser Bilanz.
Mohamed Dräger fehlt in Basel beim Training. Er wird Vater.
Über dem Heerenschürli in Zürich-Ost scheint die Sonne. Pressetermin mit Ricardo Moniz. Ein Journalist interessiert sich für den Anlass beim Leader. Dafür ist Stefan Maierhofer da. Der frühere österreichische Nationalstürmer, einst ein Wandervogel, den es auch nach Aarau verschlug, ist fünf Tage hier, um für die Uefa-Pro-Lizenz zu hospitieren.
Mit Moniz gewann er vor zwölf Jahren bei RB Salzburg die Meisterschaft. «Er ist noch genau gleich wie damals», sagt er über seinen alten Lehrmeister. «Wie der im Training noch mitläuft und mitmacht! Und diese Energie! Und das mit 60! Er ist halt eine andere Generation. Er ist extrem direkt, ja. Aber das ist gut. Wenn ein Spieler dreimal keinen guten Ballkontakt hat, muss man ihm sagen, dass das Scheisse ist. Denken Sie, dass Pep Guardiola anders ist?»
Moniz kommt, schneller Gang, dunkler Anzug. Er ist sofort auf Betriebstemperatur. Auszüge aus zwanzig Minuten: «Gegen YB haben wir die dritte Chance, uns abzusetzen. Zweimal haben wir sie vergeben. Jetzt wird das nicht mehr akzeptiert. Wir müssen zuschlagen.» – «Ich mag keine Mitläufer. Ich habe keine Mitläufer. Aber jetzt müssen wir das beweisen. Wir müssen unseren Zuschauern Spektakel bieten.» – «Der Schweizer Fussball ist fantastisch. Die Schweiz ist ein ‹sleeping giant›», ein schlafender Riese. Oder: «Der FCZ als Titelfavorit Nummer 1? Ja, das finde ich.»
Samstag: Schweigen mit Constantin
Der FC Basel fertigt ein heillos überfordertes Winterthur 5:0 ab. «Ein guter und super Match von uns», bilanziert Xherdan Shaqiri. Der FCZ gewinnt auch sein drittes Heimspiel in Folge nicht, bei Gegner YB trifft nur Joël Monteiro, als er einen Schuh nach Mirlind Kryeziu wirft.
Am Abend die Erinnerung an ein SMS an Christian Constantin, nachdem Sion Ende Juli Lausanne 4:0 abgefertigt hat. «Werdet ihr jetzt Meister?», ist die Frage. «Wir haben jetzt schon den Abstieg verhindert», antwortet er. Beides ist nicht ernst gemeint.
Inzwischen schweigt Constantin, seit mehreren Wochen. Die Serie von acht sieglosen Spielen muss ihn kochen lassen, aber er versteckt seine Gefühle. Er hat sonst keine Hemmungen, sich von einem Trainer zu trennen, nur bei Didier Tholot ist das anders: Ihm ist er fast schon freundschaftlich verbunden.
Tholot reagiert in St. Gallen auf das 0:2 gegen Zürich, wechselt sieben Spieler und das System. Der Rahmen ist grossartig, mit diversen aufwändigen Choreos der heimischen Fans. Der Match ist zuerst langweilig, dann immerhin besser. St. Gallen geht durch Chadrac Akolo in Führung, Sion gleich durch einen Handselfmeter von Ali Kabacalman aus. Und das 1:1 bedeutet: Beide sind kein wenig weiter.
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