Wahlkampf liegt auf EisWo ist Joe Biden?
Inmitten der Coronakrise ist der wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidat in seinem Keller abgetaucht.
Der Präsident füllt täglich die amerikanischen TV-Bildschirme aus, er redet und redet bis in die Abendstunden hinein. Dass Donald Trump bisweilen dummes Zeug absondert, tut nichts zur Sache: Er ist präsent, zumal ihm der Kongress soeben ein Füllhorn zur Hand gegeben hat, dessen Dollar-Billionen sich jetzt über die Amerikaner ergiessen.
Der arme Joe Biden hingegen hat sich bis auf weiteres in seinem Haus in Wilmington im Staat Delaware verschanzt. Dann und wann meldet sich der voraussichtliche Gegner Trumps aus dem Keller seines Domizils, wo ein kleines Videostudio eingerichtet wurde. Wie soll Biden unter diesen Umständen mit dem Präsidenten um die Aufmerksamkeit der vom Coronavirus gestressten Amerikaner konkurrieren? Er kann es nicht.
Sieben Monate vor den US-Wahlen führt der wahrscheinliche demokratische Präsidentschaftskandidat einen Wahlkampf im Fegefeuer, sogar sein Hauptquartier in Philadelphia ist wegen der Seuche aufgelöst worden. Spenden einsammeln kann Biden nur noch Online, vorbei die Zeiten, da er, der doch so gern andere Menschen berührt und betätschelt und küsst, bei Dinnerparties von reichen Gönnern Geld eintreibt.
Volk soll nicht auf Trump hören
Joe Bidens Wahlkampf liegt auf Eis, sein Widersacher im Weissen Haus aber inszeniert eine tägliche Coronavirus-Show derart penetrant, dass ihn US-Kabelkanäle wie CNN und MSNBC zuweilen ausblenden. Biden meldet sich zwischenzeitlich aus seinem Keller via TV zu diesem und zu jenem zu Wort. Er beklagt «Falschinformationen» zur Coronakrise und will, dass das Volk nicht auf Trump, sondern «auf Wissenschaftler und Ärzte» hören soll.
Oder er bezichtigt Ron DeSantis, den republikanischen Gouverneur von Florida, endlich etwas gegen die rasche Ausbreitung des Erregers in seinem Staat zu unternehmen. Besonders interessant ist nichts daran, es fehlt dem Mann im Keller die Bühne mitsamt dem Megafon.
Was also kann er tun? Leider nicht viel: Wegen der Verschiebung der restlichen demokratischen Vorwahlen dürfte es Juni werden, ehe Joe Biden die nötige Zahl der Delegiertenstimmen erreichen und zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten gekürt werden wird. Zwar macht sein im Rennen verbliebener Rivale Bernie Sanders keine Anstalten, ihm die Kandidatur streitig zu machen. Ausgeschieden aber ist Sanders bislang nicht.
Biden könnte Aufmerksamkeit erregen, falls er vorzeitig seinen Vizepräsidentschaftskandidaten vorstellen würde, wahrscheinlich eine Frau. Oder er könnte in der Tradition britischer Politik ein «Schattenkabinett» ernennen, dessen Mitglieder sich zu brennenden Themen äussern.
Andererseits könnte er in seinem Keller verweilen und darauf hoffen, dass sich Donald Trump irgendwann im Verlauf der Seuche selbst einen Strick drehen wird. Darauf zu wetten aber ist eine riskante Strategie. Falls es überhaupt eine Strategie ist.
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