Kantonspolizei in WädenswilWo die Polizei im Zentrum steht
Seit 100 Jahren im selben Haus: Im zentral gelegenen Posten der Kantonspolizei wurde schon manch spektakulärer Fall bearbeitet. Aber wie lange noch?
Das Haus wirkt, als wäre es aus einer Kinderzeichnung gefallen: mit Giebeldach, grünen Fensterläden und kleinem Balkon. Niedlich ist sein Äusseres, drinnen aber geht es meist um unschöne Geschichten. Das Gebäude an der Stegstrasse 2 ist der Wädenswiler Posten der Kantonspolizei Zürich. Und dies seit exakt hundert Jahren. Am 1. April 1920 hat der Kanton die Liegenschaft übernommen, wie aus der Chronik der Polizeistation hervorgeht. Zu zweit fing man an – heute arbeiten hier zehn Polizisten.
Ihr Standort ist zentral, zwischen Zugerstrasse und Einkaufszentrum «Di alt Fabrik» gelegen. Das sei von Vorteil, sagt Kreischef Chris Shaw. «Der Posten ist gut sichtbar und in der Stadt bekannt.» Darum kämen auch überdurchschnittlich viele Leute an den Empfangsschalter, um sich beraten zu lassen.
Weiter als bis zum Empfang kommen in dem Haus aber nur wenige Externe. Vorbehalten ist der tiefere Einblick vor allem Delinquenten oder Zeugen, die befragt werden müssen. Das geschieht in hellen Büros – jeder Mitarbeiter hat sein eigenes. Auch zwei kleine Zellen mit vergitterten Fenstern finden sich im Haus. Das Herzstück des Polizeipostens aber sei zuoberst, sagt Shaw und führt in eine wohnliche Küche unter dem Schrägdach. «Hier halten wir jeden Morgen unser Briefing ab.»
Eine tote Millionärsgattin
Am Küchentisch sitzend reden Chris Shaw und Bezirkschef Fredy Marty über Fälle, die sich im Einzugsgebiet dieser Polizeistation ereignet haben. Es ist mit Wädenswil, Schönenberg, Hütten, Richterswil und Samstagern flächenmässig eines der grössten im Kanton. Zu den jüngsten aufsehenerregenden Geschehnissen zählt zum Beispiel das Tötungsdelikt in der Au. Und auch die Festnahme des in Schönenberg wohnhaften Mannes, der in Frankfurt einen Buben und dessen Mutter vor einen Zug stiess. Beides passierte letzten Juli.
Das Archiv des Polizeipostens erinnert noch an andere aussergewöhnliche Fälle. So etwa an den Bahnunfall im Winter 1948, als ein Personenzug mit neun Waggons in Wädenswil einen Prellbock durchbrach und in ein Verwaltungsgebäude prallte. Das Haus stürzte ein, 27 Menschen starben, über hundert wurden verletzt.
Ein besonderer Kriminalfall hatte sich 1976 ereignet: Bei einem Brand in einem Holzlager in Wädenswil entdeckten die Polizisten in den Flammen eine Leiche. Es war die Frau eines Millionärs, die in derselben Nacht in Lachen entführt und anschliessend umgebracht worden war. Zehn Monate dauerten die Ermittlungen, dann wurden die Täter in Deutschland überführt.
«Das gäbe Widerstand»
In etwa dieselbe Zeit fällt der Archiveintrag, wonach «auch der für die Grossstadt typische Straftatbestand der Zuhälterei in unserer ‹ländlichen› Gegend nicht mehr unbekannt» sei. Hinzu kam die Drogenszene, die die Polizisten vor allem in den 70er- und 80er-Jahren auf Trab hielt.
Und heute? «Was enorm angestiegen ist, ist die Zahl der Betrugsfälle im Internet», sagt Fredy Marty, «die Cyberkriminalität beschäftigt uns stark.» Ebenso die häusliche Gewalt. Die Arbeit für die Polizei, sie nimmt zu. Kleiner geworden ist hingegen die Anzahl der Polizeistationen. Um die Jahrtausendwende wurden die Posten der Kantonspolizei in Richterswil, Schönenberg und im Hirzel aufgehoben und die Mitarbeiter umplatziert.
Wann fällt der alte Posten Wädenswil einer weiteren Zentralisierung zum Opfer? Das sei kein Thema, sagt der Bezirkschef. «Die dezentralen Standorte verschaffen uns Bürgernähe.» Das sei auch von den Gemeinden gewünscht. «Bei einer Aufhebung gäbe es bestimmt politischen Widerstand.» Kreischef Chris Shaw seinerseits betont, wie wichtig es sei, «kurze Wege» zu den lokalen Behörden, Stadt- und Gemeindepolizeien zu haben. Dennoch: Ewig wird die Kapo wohl nicht mehr in ihrer Liegenschaft an der Stegstrasse bleiben. Ein Wechsel in ein neueres Gebäude innerhalb Wädenswils sei beabsichtigt, konkrete Pläne gebe es aber nicht.
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