Auch eine persönliche Niederlage für Sergio Ermotti
Das Bundesgerichts-Urteil im Frankreich-Fall könnte Folgen haben für den Finanzplatz. Und es schwächt die Position des UBS-Chefs.
Zehn Jahre nachdem die Schweiz das Bankgeheimnis in Steuerfragen aufgegeben hat, hat nun das Bundesgericht die Grenze der Amtshilfe einmal mehr ausgeweitet (zum Bericht).
Künftig genügt es in der Schweiz für die Gewährung von Amtshilfe, dass ein ausländischer Staat Kontenlisten einer Bank vorlegt. Im Fall von Frankreich waren das Listen mit Nummern von mutmasslich Steuerpflichtigen aus den Jahren 2006 bis 2008. Mehr nicht. Allein das Halten eines Schweizer Bankkontos hat den Verdacht begründet, die Steuerpflichten verletzt zu haben. Das ist bemerkenswert.
Man stelle sich vor: Die UBS muss nun 45'000 Kundendossiers aus den Jahren 2006 bis 2008 aufbereiten, alleine weil die Franzosen ihre Bürger im Generalverdacht der Steuerhinterziehung haben, sobald sie ein Bankkonto in der Schweiz haben. Nun mag das bei vielen zutreffen, doch sicher nicht auf alle 45'000. Ein Grossteil dieser Konten stammt wohl von Grenzgängern, deren Lohn korrekt versteuert wurde. Grenzgängern wird die Steuer direkt vom Lohn abgezogen.
Auch Treuhänder sind im Visier
Noch letzten Sommer hat das Bundesverwaltungsgericht die Datenherausgabe darum für unzulässig befunden. Dass es überhaupt zum Prozess vor Bundesgericht kam, ist der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) zu verdanken, denn sie wollte Rechtssicherheit auch für weitere Fälle. Die hat sie vom Bundesgericht nun bekommen, und es sieht danach aus, als würde das Bundesgericht sogenannten Fishing Expeditions, also Beweisausforschungen, Tür und Tor öffnen.
Das Bundesgerichtsurteil wird eine Welle neuer Amtshilfegesuche zur Folge haben, mit allen Konsequenzen für die betroffenen Banken. Diese werden teure Vergleiche abschliessen müssen. Auch Bankmitarbeitende und Treuhänder müssen mit Strafverfolgung rechnen, denn ihre Namen erscheinen in den Dossiers.
Aus Sicht der UBS ist das Urteil aus einem weiteren Grund eine schwere Niederlage. Noch immer droht der Bank in Frankreich eine Busse von über 5 Milliarden Franken wegen angeblicher Beihilfe zur Steuerhinterziehung und Geldwäscherei. Zwar hat das Bundesgericht entschieden, dass die Kontenlisten nicht im Geldwäschereiverfahren gegen die UBS verwendet werden dürfen, aber wie das durchgesetzt werden soll, ist unklar. Bisher foutierten sich die Franzosen jedenfalls um solche Regelungen. Die UBS befürchtet darum, dass es wieder so kommen könnte. Darum wird der genaue Wortlaut des Entscheids sehr wichtig sein.
SVP-Richter gab den Ausschlag
Die Niederlage vor Bundesgericht ist aber auch eine persönliche Niederlage für UBS-Chef Sergio Ermotti. Er hat sich im Vorfeld mehrmals klar dazu geäussert und die Behörden, namentlich die ESTV, scharf kritisiert. Das hat nichts bewirkt, genauso wenig wie sich die Franzosen von seinen Argumenten beeindrucken liessen, sondern Anfang Jahr zum Entsetzen der UBS eine 5-Milliarden-Busse aussprachen.
Ermotti und seine Berater müssen sich vorwerfen lassen, die Situation gründlich falsch eingeschätzt zu haben. Dies könnte den CEO weiter schwächen, denn eine überzeugende Geschäftsidee, wie die UBS in die Zukunft zu führen sei, hat er in letzter Zeit nicht mehr gefunden. Entsprechend schwach ist der Aktienkurs.
Positiv am Urteil ist, dass der Prozess in Lausanne nicht den Parteilinien entlang lief. Den Ausschlag gab Richter Yves Donzallaz; er gehört der SVP an und hat in früheren Fällen gegen die Auslieferung von Kundendaten gestimmt. Sein Votum war denn auch die eigentliche Überraschung beim Prozess. Es scheint so, dass in Lausanne in so grundsätzlichen Fragen doch nicht nur die politische Zugehörigkeit eines Richters darüber entscheidet, wie das Urteil ausfällt, sondern die unabhängige Beurteilung der Rechtsgrundlagen.
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