Jüdische Gemeinde plant Sabbat-ZoneWarum Wiedikon vielleicht bald von einer Nylonschnur umspannt wird
Was New York und Amsterdam haben, soll es bald auch in Zürich geben: Eine Sonderzone für bestimmte Aktivitäten, die nach den jüdischen Gesetzen verboten sind.
Am heiligen Sabbat arbeiten orthodoxe Juden nicht. Ausserdem gelten weitere Regeln. So dürfen Gläubige etwa ausserhalb ihrer Wohnung keine Gegenstände tragen oder Kinderwagen und Rollstühle benutzen.
Innerhalb eines sogenannten Eruv wäre das in Zukunft möglich. Mit einem Nylonfaden wird eine symbolisch abgeschlossene Zone geschaffen, in der sich orthodoxe Jüdinnen und Juden auch am Sabbat freier bewegen können. Was es in New York, Amsterdam oder Wien schon gibt, wollen die jüdischen Gemeinden jetzt auch in Zürich.
Der Eruv soll Teile der Quartiere Wiedikon, Enge und Wollishofen umspannen und insgesamt 18 Kilometer lang sein. «Im Idealfall könnten orthodoxe Familien so etwas leichter und entspannter unterwegs sein», sagte Cédric Bollag, der Leiter des Projekts gegenüber der NZZ.
Alle jüdischen Zürcher Gemeinden unterstützen das Projekt
In der jüdischen Zürcher Gemeinschaft sei schon mehrmals angedacht worden, einen Eruv zu errichten, schreibt das jüdische Wochenmagazin «Tachles». Nun haben Cédric Bollag und seine Frau Naomi die Idee für Zürich erneut aufgenommen. Bereits vor zwei Jahren kontaktierten sie den Stadtrat. Dieser begleite das Projekt wohlwollend, sagt Bollag. In den kommenden Wochen würden Architekten die Pläne ausarbeiten und Baugesuche einreichen.
«Die Errichtung eines Eruv ist in Zürich grundsätzlich machbar», sagte Stadtrat Richard Wolff zu «Tachles». Für die Baumassnahmen brauche es Bewilligungen, die auf dem üblichen Weg eingeholt werden müssten. Lägen die Bewilligungen vor, brauche es für den Aufbau etwa zwei Monate, sagt Projektleiter Cédric Bollag. Alle jüdischen Gemeinden der Stadt Zürich stünden hinter dem Projekt.
Den grössten Eruv der Welt gibt es in Manhattan. Der begann vor mehr als 20 Jahren. Während der Zürcher Eruv 14 Quadratkilometer gross werden soll, umfasst dieser ein Gebiet von 40 Quadratkilometern. Jeden Donnerstag fährt ein Rabbiner die Strecke ab und notiert alle Stellen, an denen die Schnur gerissen und somit nicht mehr koscher ist. Am Tag darauf kommt er mit zwei Handwerkern wieder, so schreibt es das Magazin der «Süddeutschen Zeitung». Auch in Zürich würde neben dem Aufbau der Unterhalt des Eruv die grössten Kosten verursachen. Mit einem Kostenrahmen von 1 bis 1,5 Millionen Franken rechnet Projektleiter Cédric Bollag. Der Zürcher Eruv soll privat finanziert werden.
Der Eruv soll ins Stadtbild passen
Auf die Idee eines Eruv kamen Juden schon vor längerer Zeit, als die Städte wuchsen und die Menschen in immer grösseren Gruppen lebten. So wurde festgelegt, dass eine Siedlung auch als gemeinschaftlicher Wohnbereich gelten kann, wenn sie von einer Mauer umschlossen ist. Dort gelten dann weniger strenge Regeln. Später wurde als symbolische Grenze auch eine Schnur anerkannt. «Der Eruv ist ein typischer talmudischer Kniff», sagte der neu gewählte Stadtparlamentarier Jehuda Spielman (FDP) gegenüber der NZZ. Der Talmud schreibe Regeln für Orthodoxe vor, die in der Gegenwart nicht immer leicht umzusetzen seien. Deshalb brauche es manchmal ein bisschen Kreativität. «Das mag, wie etwa bei den Nylonfäden, von aussen lächerlich wirken. Doch für uns hat es einen tieferen Sinn.»
Wer nicht weiss, was ein Eruv ist, wird diesen wahrscheinlich auch in Zukunft in Zürich nicht bemerken. Der Nylonfaden wird nämlich in etwa zehn Metern Höhe gespannt. «Er soll sauber ins Stadtbild passen», sagte Projektleiter Cédric Bollag der NZZ. In Zürich gibt es denn auch schon heute einen kleinen Eruv, von dem viele noch nie etwas gehört haben. Bei der Synagoge an der Freigutstrasse sind seit Mitte der 1990er-Jahre zwei Fäden in der Luft gespannt.
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