Gedanken an PogromnachtJuden empört über Pegida-Event
In Dresden wurde wegen Corona eine öffentliche Gedenkveranstaltung am 82. Jahrestag der Pogromnacht abgesagt. Grünes Licht hingegen erhielt eine fremdenfeindliche Veranstaltung. Die Jüdische Gemeinde reagiert «mit grosser Fassungslosigkeit».

Wegen Corona hat die Stadtverwaltung in Dresden eine öffentliche Veranstaltung zum Gedenken an die Pogromnacht vom 9. November 1938 abgesagt. Die fremdenfeindliche Bewegung Pegida hingegen hat die Erlaubnis erhalten, in der Altstadt zu demonstrieren, was für heftige Kritik sorgt.
Die Jüdische Gemeinde Dresden hat «mit grosser Fassungslosigkeit und voller Empörung» darauf reagiert, dass «Pegida» am Jahrestag der Novemberpogrome auf dem Dresdner Altmarkt demonstrieren darf. Es dürfe nicht unwidersprochen bleiben, «dass erneut Hass und Hetze auf öffentlichen Plätzen Dresdens verbreitet werden dürfen», erklärte die Gemeinde am Sonntagabend in Dresden.
Zu der Veranstaltung der fremdenfeindlichen Bewegung wird am Montag demnach auch der Rechtsextremist und frühere Brandenburger AfD-Chef Andreas Kalbitz erwartet. Kalbitz war einer der Wortführer des rechtsnationalen «Flügels» um den Thüringer AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Im Mai hatte ihn der AfD-Bundesvorstand wegen der Mitgliedschaft in der inzwischen verbotenen rechtsextremen «Heimattreuen Deutschen Jugend» (HDJ) aus der Partei geworfen.
Kritisiert wird die Gewichtung und das politische Zeichen, das dadurch gesendet werde: «Der 9. November wird für uns als jüdische Gemeinschaft, aber auch für viele andere demokratische Kräfte in unserer Gesellschaft immer eingebrannt sein als der Tag, an dem in Deutschland 1938 die Synagogen brannten», heisst es seitens der Gemeinde. Dem seien Jahre voller Hass und Hetze gegen Juden sowie gegen andere Minderheiten und Andersdenkende vorausgegangen.
Gedenken in Jerusalem an Opfer
Mit auf die Altstadtmauern projizierten Botschaften ist in Jerusalem der Opfer der Pogromnacht von 1938 in Deutschland gedacht worden.
Zu sehen waren dort am Montagabend Texte wie «Synagogen und Gebetshäuser in der ganzen Welt werden heute noch immer angegriffen. Gemeinsam werden wir die Welt vereinigen gegen Antisemitismus, Rassismus, Intoleranz und Hass, indem wir Licht über die Dunkelheit des Hasses strahlen».
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten Nationalsozialisten in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen in Brand und misshandelten, verschleppten und ermordeten jüdische Mitbürger.
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte nach Angaben der Organisatoren: «Am 82. Jahrestag der Pogromnacht erinnern wir uns an die Nacht, die den Beginn des Holocausts darstellte.»
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 steckten Nationalsozialisten in ganz Deutschland Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen in Brand und misshandelten, verschleppten und ermordeten jüdische Mitbürger.
«Ein widerwärtiger Gewaltausbruch»
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief anlässlich des Jahrestages zu konsequentem Handeln gegen Antisemitismus auf. Die Pogrome «waren ein widerwärtiger Gewaltausbruch, der auf lange Jahre der Diskriminierung, Einschüchterung und Anfeindung folgte. Sie waren ein Vorbote der unfassbaren Verbrechen der Schoah, die meine Landsleute einige Jahre später verüben sollten», sagte Steinmeier in einer Videobotschaft, die bei einer Gedenkveranstaltung in Jerusalem gezeigt wurde. In einem gemeinsamen Video mit seinen Kollegen aus Österreich und Israel, Alexander Van der Bellen und Reuven Rivlin, mahnte Steinmeier zum Kampf gegen Antisemitismus.

Die Aktion in Jerusalem war Teil der Kampagne #LetThereBeLight, die die Organisation «Marsch der Lebenden» initiiert hat. Weltweit waren Gotteshäuser und Privatpersonen aufgerufen, sich daran zu beteiligen. Hunderte Synagogen, Kirchen und Moscheen kündigten nach Angaben der Organisatoren an, über Nacht ihre Lichter nicht zu löschen.
Auschwitz Komitee: Demokratie und Toleranz verteidigen
Für das Internationale Auschwitz Komitee ist der 82. Jahrestag der Pogromnacht auch ein Aufruf, Demokratie und Toleranz gegen Hass und Gleichgültigkeit zu verteidigen.
«Bis zum heutigen Tag ist für jüdische Überlebende dieser Schreckensnacht die Erinnerung an die Gleichgültigkeit der allermeisten ihrer Nachbarn das Entsetzlichste, womit sie bis heute nicht fertig geworden sind», erklärte der geschäftsführende Vizepräsident Christoph Heubner laut einer Pressemitteilung am Montag in Berlin.
Die Überlebenden engagierten sich gerade deshalb gegen antisemitischen Hass und die mörderische Gewalt, die aus ihm in Deutschland, Frankreich und Österreich hervorgebrochen sei.
Die Berliner Staatssekretärin für Justiz, Daniela Brückner, gedachte Montag der Pogromnacht von 1938. Am Jahrestag der nationalsozialistischen Novemberpogrome legte sie gemeinsam mit dem Ansprechpartner des Landes Berlin für Antisemitismus, Prof. Samuel Salzborn, einen Kranz am Gedenkstein für die ehemalige Synagoge Schöneberg in der Münchner Strasse ab. Berlins Justizsenator Dirk Behrendt, der an der Niederlegung teilnehmen wollte, war kurzfristig verhindert, sagte ein Sprecher.
Deutscher Antisemitismusbeauftragter: An Pogromnacht erinnern
Der Antisemitismusbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Felix Klein, hat anlässlich des Jahrestags der Pogromnacht dazu aufgerufen, die Erinnerung an die Verbrechen gegen Juden wachzuhalten.
«Die allgemeine Gleichgültigkeit oder auch Unterwürfigkeit gegen die Diskriminierung, die in Deutschland stattgefunden hat, ist ein Versagen, das wir uns heute anschauen sollten, um auch die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen», sagte Felix Klein am Montag im rbb-Inforadio.
«Wir haben Antisemitismus leider nicht überwunden, auch nach 1945 nicht», betonte Klein. Er ermunterte Betroffene und Zeugen antisemitischer Vorfälle, diese zu melden. «Denn nur so kann sich etwas ändern. Wir müssen das Problem sichtbar machen, um es auch als Gesellschaft zu überwinden.» Es sei wichtig, heute anders mit Diskriminierung und Ausgrenzung umzugehen, als die Menschen das vor 82 Jahren getan hätten.
Juden in Bahrain gedenken erstmals Opfern
Die kleine jüdische Gemeinde des Golfstaats Bahrain hat am Montag den Opfern der Pogromnacht von 1938 in Deutschland gedacht. «Dies ist das erste Mal, dass wir diese Veranstaltung haben, um uns an die Opfer zu erinnern», sagte das Oberhaupt der 35-köpfigen Gemeinde in der Hauptstadt Manama, Ebrahim Nonoo, der Deutschen Presse-Agentur. Die einzige Synagoge in dem mehrheitlich muslimischen Land wurde mit Kerzen beleuchtet, um am 82. Jahrestag der Pogromnacht ein Zeichen gegen Antisemitismus, Rassismus, Hass und Intoleranz zu setzen.
Bahrain hat erst vor Kurzem ein historisches Annäherungsabkommen mit Israel geschlossen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate und der Sudan verständigen sich jüngst mit Israel auf eine Annäherung.
SDA
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