Das rät Chefgärtner Martyn FalconerMit diesem Strauch riecht es bei Ihnen wie in Wimbledon
Der Rasen ist der Star im Tennisparadies, aber die Blumen sorgen für die liebliche Atmosphäre. Was alles dahintersteckt, und was Hobbygärtner lernen können.
Um fünf Uhr morgens liegen die Tennisfans noch im Bett und träumen von Erdbeeren mit Schlagrahm, Picknick auf dem Henman Hill und Aufschlag-Volley. Im All England Club herrscht dann schon geschäftiges Treiben. Chefgärtner Martyn Falconer und seine 21-köpfige Crew pflegen und wässern die Blumen auf der riesigen Anlage und setzen neue, wo sie zerdrückt wurden oder Löcher entstanden sind. «Manchmal fragt man sich, ob jemand ein paar Blumen mitgenommen hat», sagt Falconer. Trotz der Warnschilder. «Aber die meisten gehen sehr respektvoll mit ihnen um.»
Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Der 44-Jährige ist zuständig für die Blumen, nicht für die Rasenplätze. «Das ist ein ganz anderes Team», stellt Falconer klar. «Manchmal ziehen wir sie auf: Ihr seid nur für eine Pflanze zuständig, wir hingegen für Tausende.»
Man könnte es so ausdrücken: Die Rasenplätze sind die Stars von Wimbledon, aber die Blumenpracht sorgt für das Flair. Überall hängen Töpfe mit Pflanzen in den Farben von Wimbledon: violett, weiss und grün. Manchmal als Variation gelb dazu. Die bunten Hortensien bringen noch mehr Farbe ins Spiel. Und der Efeu, der den Centre Court kleidet, ist je nach Sonneneinstrahlung und Jahreszeit weinrot oder grün.
Die Engländer lieben ihre Gärten. «Schon im viktorianischen Zeitalter brachten wir Pflanzen aus der ganzen Welt nach Grossbritannien», sagt Falconer, der 2017 berufsbegleitend einen Master-Abschluss im Gartenbauwesen machte. «Es ist eine kulturelle Sache. Alle haben hier einen Garten, und jede und jeder ist ein kleiner Experte auf diesem Gebiet. Wir haben im Vereinigten Königreich viele gute Leute, die das Gartenbauwesen pflegen und das Fachwissen mehren.»
Die Anlage Wimbledons wird das ganze Jahr bepflanzt, schliesslich finden hier Führungen statt und wollen die Mitglieder, die viel Geld bezahlen, sich in einem gepflegten Ambiente bewegen. Aber so reichhaltig wie jetzt blüht es nur während der Championships. Gut sechs Wochen vor Turnierstart treffen die ersten Blumenlieferungen ein, insgesamt über 28’000 Pflanzen werden jedes Jahr eigens für die Zeit des Tennisturniers bestellt. «Dazu kommen noch 9000, 10’000 Petunien für die hängenden Blumenkörbe», rechnet Falconer vor.
Viele Pflanzen werden aus den Niederlanden importiert, bei den Hortensien beherrschen die Niederländer den Markt. Die Blumen werden in Rotterdam aufs Schiff verladen. Wie viel das alles kostet, will oder darf der Chefgärtner nicht sagen. Er sagt nur: «Wimbledon ist es das wert.»
Nach den Championships können die Mitarbeiter die Blumen kaufen, der Erlös geht an die Wimbledon Foundation, die andere Stiftungen unterstützt. Die restlichen Blumen werden an Altersheime, Schulen oder Gemeinschaftsgärten verschenkt. «Bei uns gibt es so gut wie keinen Abfall», sagt Falconer.
Für den Vater zweier Töchter ist es die 24. Ausgabe von Wimbledon, die zehnte als Chefgärtner. Lange war eine externe Firma für den Blumenschmuck verantwortlich, 2014 übernahm das Turnier die Bepflanzung und Falconer den Lead. Obschon er aufgrund seines Namens eher als Falkner prädestiniert gewesen wäre. Rufus, der Falke, vertreibt in Wimbledon ja die Tauben und hat sogar seinen eigenen Instagram-Kanal. «Falkner statt Gärtner?» Falconer lächelt gequält über den Scherz. Er hat ihn wohl schon einige Male gehört.
Jedenfalls ist er stolz darauf, dass er und seine Crew in den letzten Jahren immer mehr Lob für ihre Arbeit bekamen. So sichtbar wie jetzt waren die Blumen noch nie. Die Tradition wurde in Wimbledon jahrelang etwas vernachlässigt. Als Falconer als neuer Chef antrat, erinnerte er die Führung daran, dass das Motto von Wimbledon lautet: Tennis in einem englischen Garten. Er bekam mehr Budget und mehr Mitspracherecht, bei den neu erstellten Courts wurde auch darauf geachtet, wie man sie mit Blumen schmücken kann.
Sein Lieblingsort im All England Club ist die Terrasse des Clubhauses, wo sich die Champions jeweils mit dem Pokal feiern lassen: An die Hauswand schmiegt sich der Efeu, der Balkon ist blumenbehangen. «Da ist es besonders wichtig, dass alles stimmt», sagt Falconer. «Denn diese Fotos gehen um die Welt.»
Am beliebtesten bei den Gästen sind die mit Blumentöpfen behangenen Lauben zwischen Centre Court und Court 1, wo man sich auf Bänken ausruhen und sich einen prickelnden Schluck aus dem Champagner-Plastikkelch gönnen kann. Wer auch seinen Geruchssinn anregen möchte, wird in der Nähe bei der mit dem Chinesischen Sternjasmin bepflanzten Pergola fündig. Wer bei Regen unter der Pergola steht, riecht den Jasmin noch intensiver. Man wird gewissermassen vom süssen Duft besprüht.
Der Strauch ist im Stadtteil Wimbledon sehr beliebt, vielerorts ist er an Hauswänden zu finden. Allerdings sollte man den Sternjasmin nur riechen und nicht berühren (oder sich danach die Hände waschen), weil er giftig ist. Daher wird dessen Anpflanzung in Haushalten mit Kindern oder Haustieren nicht empfohlen.
Und welchen Tipp kann Falconer, der Gärtner mit Master-Abschluss, noch geben? Er selbst kultiviert zu Hause einen Bonsaibaum und sagt: «Hortensien kann ich sehr empfehlen. Efeu eher nicht, denn er wächst rasant und gibt viel Arbeit.» Spricht er mit den Blumen, was ja helfen soll? Falconer schmunzelt. «Kommunikation ist wichtig. Aber ich beschränke mich dabei auf mein Team.»
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