Rückkehr nach Ohrfeigen-Skandal Will Smiths neuer Film verdient den Oscar – doch was ist mit ihm?
Grausam bildstark: Mit dem Sklavendrama «Emancipation» schielt Apple TV nach dem Filmpreis. Blöderweise hat sie aber auf den Prügel-Mann gesetzt.
Worte haben Macht. Und doch hat es die Welt verändert, dass man die Realität mit dem Fotoapparat für die Ewigkeit festhalten konnte; beispielsweise, weil man sich plötzlich ein Bild machen konnte von Grausamkeit.
Zu den wichtigsten Fotografien aus dem amerikanischen Bürgerkrieg gehört eine, die «The Scourged Back» heisst. Man sieht darauf einen Schwarzen, er wendet der Kamera seinen Rücken zu, über den sich unzählige tiefe Narben von Peitschenhieben ziehen. Es wurde erstmals im Juli 1863 in einer Zeitschrift veröffentlicht und entwickelte dann ein Eigenleben als Karte, die verschickt und geteilt wurde bis zum Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs. Das Bild erzähle seine Geschichte besser als Harriet Beecher Stowe es gekonnt hätte, die «Onkel Toms Hütte» geschrieben hatte, stand auf der Rückseite einer dieser Karteneditionen zu lesen, «denn es erzählt sie den Augen».
Der Mann auf dem Bild, Gordon, auch «Whipped Peter» genannt, ist die zentrale Figur in Antoine Fuquas Film «Emancipation», den Apple nun auf seinem Streamingdienst veröffentlicht hat (im Kino läuft er leider nur in den USA). Das Foto ist die Inspirationsquelle, es gibt einige Zeitungsartikel aus 1860er-Jahren – aber viele Details über das Leben des Mannes auf dem Foto sind nicht bekannt.
Am Anfang des Films wird Peter (Will Smith) aus der Baracke gezerrt, die er mit seiner Frau und seinen Kindern teilt, der Plantagenbesitzer will seine Steuern mit ihm zahlen. Peter wird seiner Familie entrissen und auf eine Eisenbahn-Baustelle gebracht, und da ist alles noch schlimmer, als es auf der Plantage schon war. Die Truppen aus dem Norden rücken näher.
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Hier gibt es keine «Vom Winde verweht»-Romantik, keinen einzigen Weissen, den auch nur im Ansatz sein Gewissen beisst, kein Licht. Selbst Steve McQueens «12 Years a Slave» liess irgendwann einen Abolitionisten aus dem Norden ein wenig Wärme in den kalten Süden bringen. Auf so viel Rührseligkeit hat Antoine Fuqua verzichtet.
«Emancipation» spielt in einer unwirtlichen Welt, in der es nur ums Überleben geht, sie ist brutal und menschenverachtend. Einmal erzählt der Aufseher, der Peter am meisten quält, wie sein Vater eine Sklavin ermordete, weil der Sohn ihr Essen zugesteckt hatte. Und diese Erfahrung hat ihn nur noch kälter gemacht.
Das ist manchmal in seiner Grausamkeit schwer zu ertragen.
Peter gelingt irgendwann die Flucht in die Sümpfe, er will nach Baton Rouge, zu Lincolns Truppen, aber der Krieg ist ja noch in vollem Gange – wenn er sie erreicht, wird er weiterkämpfen müssen. Ein kleines blondes Mädchen sitzt mit ihrer Familie auf der Veranda, als sie Peter in der Ferne hört, und das niedliche Gesicht verzerrt sich zu einer hässlichen Fratze, als sie zu kreischen beginnt: «Ausreisser!» Seiner Befreiung kommt Peter manchmal ein wenig näher, aber dann tauchen neue Verfolger auf, neue Gegner, neue Kämpfe. Das ist zwar wahrhaftig und realistisch – aber manchmal in seiner Grausamkeit schwer zu ertragen.
Es wäre, bei diesem Foto als Ausgangspunkt, geradezu sträflich, würde Fuqua nicht versuchen, sich von Louisiana ein Bild zu machen. Antoine Fuqua hat dafür den mit drei Oscars ausgezeichneten Kameramann Robert Richardson geholt, mit dem auch Martin Scorsese und Quentin Tarantino arbeiten. Das Ergebnis ist ein ganz ungewöhnliches Farbkonzept – manchmal sieht «Emancipation» fast aus, als wäre der Film in Schwarz-Weiss gedreht. Nur manchmal, wenn sich Peter der Freiheit ein wenig nähert, schimmert plötzlich ein wenig Grün in den Bäumen.
Apple ist erst vor drei Jahren ins Filmgeschäft eingestiegen und hat im März gleich den Oscar für den besten Film bekommen, für «Coda» – allerdings war der Film fertig eingekauft. Es werden nur wenige Filme im eigenen Haus gemacht – «Emancipation» sieht man nun deutlich die Ambition an, dafür aber in der Oberliga zu produzieren. Ein historisches Stück über die Sklaverei, gut gespielt, anstrengend, aber mit einem grossartigen visuellen Konzept – «Emancipation» ist eigentlich klassisches Oscar-Material.
Aber da ist noch Will Smith
Nur ist es natürlich trotzdem fraglich, ob daraus etwas wird. Und das liegt am Hauptdarsteller Will Smith. Es ist sein erster Film seit dem Oscarsieg als bester Schauspieler im März für «King Richard», und normalerweise verleiht so ein Oscar dem nächsten Film durchaus Flügel. Nur hat Smith eben, kurz bevor er die Trophäe entgegennahm, Chris Rock für einen schlechten Witz über seine Frau geohrfeigt, weshalb er nun für «Emancipation» eher eine Bürde ist.
Will Smith hat für diesen dämlichen Auftritt durchaus büssen müssen; seinem Rauswurf aus der Academy, die die Oscars vergibt, kam er durch Austritt zuvor, Netflix legte ein Filmprojekt auf Eis – «Emancipation» war da allerdings schon abgedreht. Kurz vor dem Filmstart ist Smith nun im Fernsehen aufgetreten, um die Wogen noch ein wenig zu glätten, in der «Daily Show» bei Trevor Noah. Dort hatte Smith aber zu seiner Verteidigung wenig vorzubringen, und so musste Noah die Antworten seines Interviewgastes jeweils ausführlich umformulieren, bis sie einigermassen sinnvoll klangen.
Das muss man alles vergessen, wenn man «Emancipation» anschaut, diese Eskapaden passen nicht zum Film: Peter ist ein freundlicher, warmherziger Mann, der sich weigert, zu zerbrechen – und mit mehr Hingabe, als Will Smith es tut, kann keiner diese Rolle spielen. Er hätte sich also etwas Nachsicht verdient, und alle anderen Mitwirkenden – Film ist Teamwork – sowieso. Ein vorbehaltlos grossartiger Film ist dennoch nicht entstanden – und die Sklaverei als Filmthema ist ein schwieriges Terrain.
«Emancipation» ist kein nachdenklicher Film. Er versucht gar nicht erst, mehr in den Mittelpunkt seiner Geschichte zu stellen als den Kampf darum, leben und überleben zu dürfen. Antoine Fuqua, der mit Denzel Washington «Training Day» gemacht hat und mit Gerard Butler «Olympus Has Fallen», ist ein Spezialist für harte Action, und irgendwie ist Peters Flucht eine Version davon. Die Sequenzen, in denen Peter seine Verfolger austrickst und ein Krokodil besiegt, sind Action pur. Ist das genug, um von Sklaverei zu erzählen?
Andererseits: In manchen Teilen der USA ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit so politisiert, dass eine einfache Dramatisierung, ohne Grautöne und inhaltliche Schnörkel und politische Exkursionen, vielleicht sogar die bessere Geschichtsstunde sein kann. Eine, die sich auf die Macht der Bilder verlässt.
«Emancipation» läuft auf Apple TV+
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