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Fiaker in Wien
«Das geschissene Oaschloch bringt uns alle in Verruf»

Pferdekutsche von oben gesehen, nahe dem Stephansdom Nordturm in Wien, Österreich.
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In Kürze:
  • In Wien fuhr ein Fiaker mit seiner Kutsche auf die Stadtautobahn – mit 1,7 Promille Alkohol im Blut.
  • Die Polizei entzog ihm sofort seine Lizenz – und erwischte ihn wenig später erneut: dieses Mal in einem Elektrofahrzeug.
  • Ein Fiaker-Insider sorgt sich um den Ruf der Branche, die seit längerem in der Kritik steht.

Sie ist schon seit einigen Jahren nicht besonders gut, die Stimmung unter den Wiener Fiakern. Die Tierschützer, die Pandemie, ihre Konkurrenz durch die «E-Wagerln» – all das machte die Lage rund um Spittelberg und Hofburg nicht besser. Und jetzt noch das: Vergangene Woche verirrte sich, wie die Wiener Polizei bestätigt, ein Droschkenlenker auf die Stadtautobahn und verursachte dort einen Stau. «Der 64-jährige Mann, bei dem eine Alkoholisierung festgestellt wurde (1,7 Promille), gab an, dass er sich verfahren hatte», so eine Polizeisprecherin. Der Kutscher wurde eingeholt und mit Blaulicht bis zur nächsten Ausfahrt eskortiert sowie – nach Entzug seiner Fahrlizenz – angezeigt. Nur etwa drei Stunden später tauchte er allerdings erneut als Lenker eines Gefährts auf. Diesmal sass er, mit mittlerweile 1,8 Promille, am Wiener Heldenplatz am Steuer eines jener elektrobetriebenen Fahrzeuge, mit denen man sich auch durch die alte Kaiserstadt chauffieren lassen kann. Von der Polizei erhielt er eine weitere Anzeige.

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Betrunkener Fiaker fällt unter Kollegen schon länger unangenehm auf

Nun ist die Aufregung gross. Ein Vertreter der seit 1693 sehr angesehenen Fiaker-Branche, namentlich will er nicht genannt werden, klagt am Telefon: «Das geschissene Oaschloch bringt uns alle in Verruf.» Man kenne den Mann seit Jahren, leider habe er trotz diverser Verfehlungen seine Konzession wieder zurückerhalten. Zwar habe es einen ähnlichen Vorfall mit einem betrunkenen Lenker bereits vor 30 Jahren gegeben, damals sei es «der Sepp» gewesen, der sich alkoholisiert auf eine Wiener Schnellstrasse verirrt habe. Eine «grössere Gschicht» sei allerdings nie daraus geworden: Kaum jemand habe seinerzeit über eine Filmkamera verfügt, die das Ereignis hätte dokumentieren können. Zudem habe unter allen Beteiligten Einigkeit darüber geherrscht, die Sache mit dem Sepp besser unter den Tisch zu kehren.

Schliesslich sei der Berufsstand des Fiakers – der Name geht zurück auf den irischen Einsiedlermönch Fiacrius  – immer ein sehr angesehener gewesen. Berühmte Originale wie Karl Mayerhofer (er starb 1905 nach einer Kollision mit einem Motorwagen am Schottentor) oder Josef Bratfisch (der singende Leibfiaker des Kronprinzen Rudolf) gehören an der Donau bis heute zur Folklore.

Die jüngste Irrfahrt allerdings ging als Video schnell viral und führt nun zu Entsetzen. Dass es unter Wiener Fiakern, so berichtet der Branchenkenner, schon immer «Spiegeltrinker» gegeben habe – also Lenker, die sich nur bei regelmässiger Alkoholzufuhr in der Lage sahen, Wind, Wetter und anderen Herausforderungen zu trotzen –, sei bekannt. «Unfälle kamen zuletzt meist dann vor, wenn die Kutscher nüchtern waren», so wird erzählt. «Denn dann wurden sie plötzlich nervös, und das übertrug sich auch auf ihre Pferde.»

Rossbollen, Tierschutz, kaputter Asphalt: Nicht alle Wiener mögen die Fiaker

Spätestens ab dem Jahr 2000 habe ihr Image in der Öffentlichkeit mehr und mehr gelitten. Die Diskussion über den vielen Pferdemist in der Stadt sei immer lauter geworden, auch über die Belastungen, denen die Tiere vor allem im Sommer ausgesetzt seien, und über die Schäden, welche Kutschenräder und Hufe am Asphalt verursachten. In der Folge wurde die Zahl der Konzessionen verringert (aktuell sind es laut einem Sprecher der Wiener Wirtschaftskammer 130 Konzessionen bei 24 Fiaker-Unternehmen). Zudem wird streng kontrolliert – schon das blosse Nichtmitführen eines Fiaker-Fahrausweises kann teuer werden, ebenso wie ein kurzer Halt im Halteverbot oder das Nichttragen der vorgeschriebenen Fiaker-Melone.

Da es zudem an Nachwuchs mangelt, vor allem bei jungen Menschen, die sich auch mit Pferden gut auskennen, plagen die Branche allerlei Probleme. Zudem fluten mittlerweile zehn weitere Fuhrunternehmen die Wiener Innenstadt mit ihren sogenannten «E-Wagerln», mit denen bereits 16-Jährige Touristen durch die Stadt befördern dürfen, wie die Wirtschaftskammer bestätigt.

Polizei und Behörden werden nun wohl mit noch mehr Kontrollen antworten. Wenn es überhaupt einen positiven Aspekt an dem Vorfall mit dem Fiaker auf der Autobahn gebe, so der Fiaker-Insider, «dann doch der, wie ungeheuer cool dessen erfahrene Rösser geblieben sind. Aber die Pferde waren eh schon immer die wahren Helden unserer guten alten Wiener Kutschentradition.»