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Wie sinnvoll sind Absagen von Grossveranstaltungen?

Grossveranstaltungen sind verboten, aber die Party im Club geht weiter: In Japan haben sich nun Dutzende Personen während kleiner Livekonzerte angesteckt. Bild: Dominique Meienberg (Plaza Club Zürich, 6.8.2017)
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Ende Februar hat der Bundesrat in der Schweiz sämtliche Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten. Nach etwas Zuwarten ziehen die Nachbarländer nun langsam nach – gemäss Schweizer Vorbild. Frankreich verbot am Sonntag alle Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern. Und auch der deutsche Gesundheitsminister empfahl am Wochenende eine Absage für Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern. In der Bundesliga wird es nun erstmals Geisterspiele geben, Bayern setzt die Empfehlung aus Berlin eines Verbots à la Schweiz – ein klarer Plan mit eindeutigem Kriterium.

Doch wissenschaftlich gesehen, ist die pauschale Regelung zur Eindämmung des Coronavirus nicht ganz so eindeutig zu bewerten. Zwar bergen grosse Veranstaltungen mit vielen Teilnehmern aus unterschiedlichen Regionen das Risiko, dass Menschen sich mit dem neuen Erreger infizieren und ihn in alle Himmelsrichtungen verbreiten. Doch wieso wird die Grenze ausgerechnet bei 1000 Teilnehmern gezogen?

Bundesrat Alain Berset sagte am 28. Februar ganz offen, es gebe eine gewisse Willkürlichkeit bei der Limite. Irgendwo habe man eine Grenze festlegen müssen. Der französische Gesundheitsminister Olivier Véran sprach von einer symbolischen Limite – Frankreich hatte zuvor die Grenze bei 5000 Teilnehmern festgelegt und am Sonntag mit der Schweiz gleichgezogen. Der deutsche Gesundheitsminister Spahn wiederum berief sich bei seiner Begründung dann schlicht auf Frankreich und die Schweiz. Es sei verständlicher, wenn es in Europa eine einheitliche Grösse gebe.

Mit der Einheitlichkeit war es am Dienstag schnell vorbei, als der österreichische Sebastian Kurz alle Veranstaltungen mit mehr als 100 Menschen in geschlossenen Räumen und mit mehr als 500 Menschen im Freien untersagte.

Andere Faktoren entscheidend

Keine dieser Zahlen taucht in den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO oder in den Empfehlungen von Behörden für Infektionskrankheiten wie beispielsweise dem deutschen Robert-Koch-Institut (RKI) auf.

Darüber hinaus ist die Besucherzahl nur einer unter mehreren Faktoren, von denen abhängt, wie gross das Infektionsrisiko auf einer Veranstaltung ist. Das RKI führt noch eine Reihe weiterer Kriterien auf. Sie lassen sich unter der Frage zusammenfassen: Wer kommt wo zusammen, um was zu machen? Es ist demnach entscheidend, woher die Teilnehmer kommen: aus einem Risikogebiet oder alle aus einer Region, in der es noch nie einen Fall gab? Ausserdem wichtig: Werden viele gefährdete Menschen auf der Zusammenkunft erwartet?

Es kommt auf den Abstand an

Einen Einfluss auf das Risiko hat auch die Beschaffenheit des Veranstaltungsorts. In engen, geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen können sich Erreger leichter verbreiten als an Plätzen, an denen es Menschen möglich ist, Abstand voneinander zu halten. Vor allem aber zählt, wie sich die Teilnehmer verhalten. Wie vielen anderen Menschen kommen sie wie lange wie nahe?

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Bildlich gesprochen: Wenn Kollege Kestenholz infiziert auf einer Betriebsversammlung sitzt, wird er vielleicht einige Mitarbeiter auf den Nachbarstühlen anstecken. Doch die Chancen sind recht gross, dass er nicht allzu viele infiziert und man diese Menschen schnell identifizieren und gegebenenfalls unter Quarantäne stellen kann. Stürzt sich Kestenholz dagegen in das Gedränge einer öffentlichen Party, tanzt er dort, umarmt andere, schüttelt Hände und hinterlässt Keime auf allen möglichen Gegenständen, kann er deutlich mehr Menschen anstecken. Es kann zudem sehr schwer sein, die Infizierten anschliessend ausfindig zu machen.

Japan: Ansteckungen in Musikclubs

Das zeigt sich aktuell auch im Beispiel Japan. Nachdem Grossveranstaltungen wegen des Coronavirus abgesagt wurden, haben sich nun kleinere Musikclubs als ein Herd der Ausbreitung herausgestellt. Es gebe Anzeichen dafür, dass auf Livekonzerten im Raum Osaka in Restaurants und winzigen Häusern, in denen Fans dicht gedrängt stehen, das Virus verbreitet worden sei, teilte die lokale Regierung am Dienstag mit.

Osaka meldete am 27. Februar den ersten Coronavirus-Fall. Vergangenen Sonntag gab es bereits 55 Virus-Erkrankungen, von denen 49 auf vier kleine Musikveranstaltungsorte zurückgingen. Die Infizierten sind den Angaben zufolge in den 30er- und 40er-Jahren und zeigten lediglich minimale oder auch gar keine Symptome.

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Um die Ausbreitung des Coronavirus einzuschränken, haben japanische Behörden nicht nur Grossveranstaltungen untersagt, sondern auch Schulen, Zoos und Themenparks geschlossen. Das traditionelle Frühjahrs-Sumo-Turnier findet unter Ausschluss von Zuschauern statt, ebenso wie andere Sportveranstaltungen.

Faktoren beeinflussbar

Das deutsche Robert-Koch-Institut stellt klar, dass die Faktoren, ob eine kleinere Veranstaltung zur Virusverbreitung beiträgt, ein Stück weit beeinflussbar sind. So können unter Umständen potenziell Infizierte oder besonders gefährdete Menschen von Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Eine gute Belüftung kann das Risiko von Ansteckungen senken, ebenso wie Aufklärung und ausreichende Möglichkeiten, die Hände zu waschen oder zu desinfizieren.

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All dies sollte berücksichtigt werden, wenn entschieden wird, ob eine Veranstaltung erlaubt, verkleinert, mit Auflagen versehen oder aber abgesagt wird. In der Schweiz liegt dies derzeit in der Hand der Kantone. Die Empfehlungen lauten, alle «Veranstaltungen mit vielen Personen in engem körperlichem Kontakt» abzusagen.

Die Veranstalter oder Bands folgen dem mehrheitlich, wie ein Blick in die Kalender der Ticketverkäufer zeigt: Bei Starticket und Ticketcorner sind etliche Anlässe bis Mitte April bereits abgesagt oder auf unbestimmte Daten verschoben.

In vielen Clubs geht die Party aber weiter, sie wollen freiwillig nicht schliessen, erschweren dafür den Einlass, indem sie ihre Gäste registrieren.

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REUTERS/Berit Uhlmann/anf