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Pharma-Mann gibt sich staatsmännisch
Wie Roche-Chef Schwan die Krise nutzt

Ein überlegter Stratege: Roche-Chef Severin Schwan.
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Der Roche-Chef ist auf allen Kanälen: In den Zeitungen und im Fernsehen erläutert Severin Schwan die Neuigkeiten zu den Corona-Tests seines Konzerns. So viele Interviews wie jetzt während der Pandemie hat er noch nie gegeben, dabei ist er einer der dienstältesten CEOs der Schweiz und der Pharmabranche. «Wir tun alles, was wir können, um dazu beizutragen, gegen das Virus zu kämpfen», betont er immer wieder.

Roche ist sonst bekannt für sein Understatement. Der Konzern ist zwar der grösste Pharmagigant der Welt (Umsatz 61,5 Milliarden Franken) und baut am Basler Rheinufer die beiden höchsten Türme der Schweiz (205 und 178 Meter) – tritt aber sonst so diskret wie möglich auf. Die Roche-Hochhäuser werden extra in Weiss gehalten, damit sie am Himmel kaum auffallen. Doch nun lässt Schwan alle Zurückhaltung fallen und sagt Sätze wie: «Ich neige sonst nicht zu Superlativen, aber unser Test ist sensationell.»

Die höchsten Türme der Schweiz: Der Hauptsitz von Roche am Basler Rheinufer. Das zweite, noch im Bau befindliche Hochhaus wird noch höher als das erste. Die Aufnahme zeigt den Stand von Anfang März 2020.

Roche hatte schon im Februar beim Ausbruch des Coronavirus in China rasch reagiert und als Erstes einen Test auf das neue Coronavirus auf den Markt gebracht und mit eigens organisierten Frachtflügen in den chinesischen Provinzen verteilt. Dann folgten der schnelle, massentaugliche Covid-Test für Roches vollautomatisiertes Diagnostikgerät und ein Lob von US-Präsident Donald Trump. Seit dieser Woche nun ist der Konzern mit einem Test auf Antikörper am Markt, bei dessen Ankündigung Schwan nicht vor Sensationslust zurückschreckte.

Der 53-jährige Schwan ist derzeit der Mutmacher aus der Pharmabranche. Weil es keine Impfung gibt und die Wirkung der bestehenden Medikamente, auch von Roches Actemra, auf das neue Virus noch geprüft wird, sind Tests alles, was die Industrie bieten kann.

11,7 Milliarden Franken gibt Roche jährlich für Forschung und Entwicklung aus und ist damit Branchenprimus. Das meiste Geld fliesst in die Krebsforschung, die Neurologie und die Immunologie – also in Krankheiten, die in den Industriestaaten bislang dominierten und die höchsten Gewinne versprachen. In die Erforschung übertragbarer Krankheiten wird dagegen wenig investiert. Immerhin hat der Konzern – anders als Novartis – noch eine Abteilung für Infektionskrankheiten. Was Roche bei Corona jedoch gut dastehen lässt, sind sein Diagnostikbereich und dessen schnelle Reaktion auf das Virus.

Schwan bei der Grundsteinlegung für das neue Roche-Forschungszentrum in Basel diesen Februar.

«Für Schwan ist das die Gelegenheit seines Lebens», sagt Pharmaspezialist Olav Zilian vom Aktienhändler Mirabaud Securities. «Den Regierungen wird durch die Pandemie bewusst, wie entscheidend das Gesundheitssystem ist.» Über hohe Prämien klagt im Moment niemand, stattdessen rufen alle nach einem Medikament. «Schwan katapultiert sich damit auf eine staatsmännische Ebene», so Zilian.

Der Roche-Chef ist nun in der Position, um Investitionen ins Gesundheitssystem anzumahnen. «Grossbritannien hat im Vergleich zur Schweiz die Hälfte der Diagnostikplattformen», sagt er. Roche liefert den Antikörpertest zuerst an Staaten mit der nötigen Infrastruktur, denn ohne Geräte und Fachkräfte machen Tests keinen Sinn. Es gibt zwar auch andere Konzerne und auch kleine Firmen, die hochzuverlässige Antikörpertests anbieten, aber Roche kann die Produktion am besten hochfahren. Und kann nun entscheiden, welche Staaten er als Erstes beliefert.

Deutschland hat diese Woche für den Mai 3 Millionen und für die folgenden Monate je 5 Millionen der Antikörpertests bestellt. Produziert werden diese im bayerischen Penzberg. Dabei ist noch nicht klar, ob Menschen mit Antikörper auch tatsächlich immun sind gegen Sars-CoV-2 und ob sie die Krankheit nicht doch weiter übertragen können. Bislang ist einzig sicher, dass sich mit dem Test die Verbreitung des Virus überwachen und damit auch die Lockerungsmassnahmen kontrollieren lassen. Michael Nawrath von der Zürcher Kantonalbank rechnet bis Ende 2021 mit einem 3 bis 4 Prozentpunkte höheren Umsatz in der Diagnostiksparte. Der Gewinn mit den Tests fällt für Roche dabei vergleichsweise gering aus.

«Severin Schwan ist kein gewöhnlicher CEO, der sich vor allem auf seine Intuition verlässt», schreibt Hans Clevers dieser Zeitung. Der niederländische Professor für Molekulargenetik sitzt im Roche-Verwaltungsrat, zu dem Schwan auch gehört. Wenn ein Thema auf Schwans Pult lande, berate er sich mit Experten, frage viel und höre gut zu. «Dürftige Antworten akzeptiert er nicht», so Clevers. Vor allem in der ersten Zeit der Corona-Krise habe sich gezeigt, dass Schwan zeitnahe Entscheidungen treffe, die vom Verwaltungsrat und vom Topmanagement mitgetragen werden.

«Regierungen und Anleger werden ihm das nicht vergessen.»

Michael Nawrath, Pharmaexperte der Zürcher Kantonalbank

Es ist anzunehmen, das hinter Schwans öffentlicher Präsenz auch eine Strategie steht: Mit seinem Verantwortungsprofil prägt er sich ringsum ein. «Regierungen und Anleger rechnen ihm das hoch an und werden das auch später nicht vergessen», sagt Nawrath. Er höre auch von grossen Investoren, dass sie von Roches Vorgehen beeindruckt seien, erklärt der ZKB-Analyst. Das spiegelt auch die Börse wider: Der Roche-Titel hat seit Anfang Jahr 12 Prozent zugelegt, Novartis dagegen hat 9 Prozent abgegeben, obwohl Jahresergebnis und Ausblick des Basler Konkurrenten auf dem Papier besser aussahen.

Vom guten Draht zu Regierungen könnte Schwan am meisten profitieren: Dann, wenn es wieder um die Medikamentenpreise geht. Oder um die Notlager. Schon während der Vogelgrippe (2005) und der Schweinegrippe (2010) deckten sich viele Staaten mit Roches Tamiflu ein. Später stellte sich heraus, dass das Grippemittel nutzlos für diese Fälle war. Tamiflu wurde jedoch zum Megablockbuster – mit Umsätzen von fast 20 Milliarden Franken.