Die richtige Hilfe im Ukraine-Konflikt Stelle ich lieber eine Wohnung oder zwei Zimmer zur Verfügung?
Viele Menschen wollen sich nützlich machen und helfen ukrainischen Flüchtlingen im Alltag. Wir haben die aktuellsten Informationen zusammengetragen.
Der Krieg in der Ukraine macht viele betroffen. Sie wollen der Ohnmacht mit Taten entgegenwirken. Doch mit der dauernd wechselnden Lage verändert sich die Nachfrage laufend. Das müssen Sie wissen, wenn Sie helfen wollen:
Welche Möglichkeiten des Engagements gibt es derzeit?
In Zürich sind nach wie vor Gastgeberinnen und Gastgeber sowie Freiwillige gesucht.
Wie werde ich Gastgeber?
Für die Unterbringung und Betreuung von geflüchteten Personen sind Kanton und Gemeinden zuständig. Das Sozialamt des Kantons Zürich hat zu diesem Zweck eine Ukraine-Anlaufstelle eingerichtet. Sie nimmt Angebote für Beherbergungen entgegen. Diese werden den einzelnen Gemeinden weitergeleitet, welche wiederum die Angebote prüfen. Die Stelle ist telefonisch (043 259 24 41) an Werktagen von 8.30 bis 11.30 Uhr und von 13.30 bis 16.30 Uhr erreichbar. Derzeit ist die Nummer wegen der vielen Anrufe aber oft besetzt. Angebote werden deshalb vorzugsweise per Mail unter ukraine@sa.zh.ch hinterlegt.
Angebote zur Unterbringung in der Stadt Zürich nimmt auch die Asylorganisation AOZ auf ihrer Website entgegen. Sie hat zudem unter 044 415 60 10 eine Ukraine-Hotline eingerichtet, die von Montag bis Sonntag jeweils von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr besetzt ist. Mails nimmt die AOZ unter ukraine@aoz.ch entgegen. Auf der privaten Plattform der Schweizer Organisation Campax.org mit Sitz in Zürich können Interessierte ebenfalls Angebote erfassen. Die Angaben werden direkt dem Sekretariat für Wirtschaft SEM weitergeleitet. Auf Campax.ch wird zwischen privaten und nicht privaten Unterkünften – Hotels, Kloster oder Naturfreundehaus – differenziert.
Welche Räumlichkeiten sind gefragt?
Derzeit sind in der Stadt Zürich vor allem Wohnungen und nicht Einzelräume gesucht. Die Stadt will, dass geflüchtete Personen, die länger bleiben wollen, ihre eigene Wohnung mieten können.
Die Stadt platziert ausserdem keine Geflüchteten bei Privaten. Die Abklärungen sind für die Stadt zu aufwändig. Dazu würde etwa gehören, ob die Gastfamilie für die Aufnahme von Flüchtlingen geeignet ist, die Zimmer zu besichtigen, den Strafregisterauszug zu prüfen und Vorgespräche zu führen.
Auch die Stadt Winterthur quartiert keine geflüchtete Personen bei Privaten ein.
Welche Bedingungen muss ich als Gastgeberin erfüllen?
Als Gastgeberin muss man eine Beherbergung von mindestens drei Monaten garantieren können. Die Wohnung beziehungsweise das Haus muss so gross sein, dass sich alle betroffenen Personen zurückziehen können. Idealerweise haben die Geflüchteten ganze Wohnungen zur Verfügung. Bereits bei der Online-Registrierung werden Angaben wie zur Anzahl Badezimmer oder Mitbenutzung der Küche verlangt. Die Gemeinden prüfen dann, welche Angebote sich für die Unterbringung eignen. Aber auch auf der sozialen Ebene müssen Gastgeber bereit sein, den Aufgenommenen genügend Raum zu lassen: Diese sollen dann erzählen und am Tagesablauf der Gastgeber teilnehmen, wenn ihnen danach ist, und sich jederzeit zurückziehen dürfen.
Soll ich privat ukrainische Geflüchtete aufnehmen?
Von der Idee, privat Geflüchtete aufzunehmen, raten die Stadt und auch die Flüchtlingsorganisationen ab. Grund dafür ist vor allem die komplexe finanzielle Situation, welche die Entschädigung nur minimal regelt. Grundsätzlich steht jedem Flüchtling mit Status S eine Asylsozialhilfe zu. Wie hoch diese ist, variiert von Kanton zu Kanton. Man geht davon aus, dass eine Einzelperson einen Grundbedarf von 600 Franken hat. Der Zuschuss für die Lebenskosten bei der Gastfamilie wird in diese Pauschale mit eingerechnet (zum Beispiel in Form eines Untermietvertrages) und der Flüchtenden ausbezahlt.
Werde ich als Gastgeber für die Unterbringung entschädigt?
Eine Kostenübernahme für die Beherbergung in privaten Haushalten ist bisher nicht vorgesehen. Eine Gastfamilie müsste also aktiv von den Geflüchteten Miete verlangen, um von der Stadt für die zusätzlichen Kosten finanzielle Entschädigung zu erhalten. Wird eine ganze Wohnung angemietet, wie es etwa die AOZ macht, erhalten Gastgeber einen Mietzins.
Was muss ich tun, wenn ich ukrainische Verwandte beherberge?
Nichts weiter. Das ist erlaubt, egal, ob die Wohnung gemietet ist oder in Ihrem Besitz ist. Wird für die Unterbringung Miete verlangt, muss dies der örtlichen Polizei gemeldet werden. Denn dann gelten die Personen als Untermieter. In diesem Fall lohnt es sich, einen Untermietvertrag zu erstellen.
Wie viel bezahlen ukrainische Geflüchtete in den öffentlichen Verkehrsmitteln ?
Neuerdings ist der öffentliche Verkehr für aufgenommene Flüchtlinge aus der Ukraine kostenlos. Diese Regelung gilt bis Ende Mai 2022 für alle Binnenreisen in der 2. Klasse auf allen Strecken des GA-Anwendungsbereichs in der Schweiz, wie Alliance SwissPass auf seiner Website schreibt.
Als Fahrausweise gelten entweder er ausgestellte Ausweis für den Schutzstatus S, Ersatzausweise bis zum definitives Ausweis S oder das Gesuch um vorübergehende Schutzgewährung (S-Status).
Damit wird die seit dem 1. März 2022 gültige Regelung ausgeweitet, die den ukrainischen Personen ein kostenloses Nutzen des öffentlichen Verkehrs während der Einreise bis zum Bestimmungsort und auf der Durchreise erlaubt.
Wo in Zürich kann ich mit geflüchteten Personen aus der Ukraine Schutzstatus S beantragen?
Für die Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ist der Schutzstatus S seit Samstag, 11. März, aktiviert. Neu können die Geflüchteten ein Onlineformular ausfüllen und erhalten dann einen Termin für die Registrierung. So können Wartezeiten an den Schaltern reduziert werden. Krankenversichert sind sie bereits ab Eingang des Onlineformulars. Die Registrierung erfolgt dann im Bundesasylzentrum Zürich an der Duttweilerstrasse 11 bei der Zürcher Hochschule der Künste. Das Zentrum hat unter 058 480 14 80 zudem eine telefonische Hotline eingerichtet. Auf der Webseite des SEM ist ersichtlich, wie viele freie Registrierungskapazitäten es derzeit im Zentrum gibt (schwarz=keine, orange=geringe, grün=hohe).
Alternativ können Geflüchtete den Schutzstatus S auch an der Empfangsstelle des Kantons Zürich in der alten Kaserne beim Zürcher Hauptbahnhof beantragen. Sie ist von Montag bis Sonntag von 8 bis 20 Uhr durchgehend geöffnet.
Der Schutzstatus S berechtigt Geflüchtete aus der Ukraine zum Aufenthalt in der Schweiz, ohne dass sie ein Asylverfahren durchlaufen müssen. Gedacht ist er für all jene Personen, die sich längerfristig in der Schweiz aufhalten wollen. Der Status gilt vorerst für ein Jahr, kann aber, je nach Situation im Heimatland, verlängert werden.
Die Registrierung und Sicherheitsprüfung des Schutzstatus S dauert bis zu drei Tagen.
Für die Registrierung mit dem Schutzstatus S haben geflohene Ukrainerinnen und Ukrainer 90 Tage Zeit – so lange dürfen sie auch ohne Visum in der Schweiz sein.
Wie kann ich die Kinder von geflüchteten Familien für die Schule anmelden?
Grundsätzlich haben alle Kinder in der Schweiz Anrecht auf Schulbildung. Sind die Familien registriert, werden die Kinder automatisch einer Schule zugewiesen. Bei Familien, die privat untergebracht sind und noch nicht registriert sind, können Gastgeber bei der zuständigen Schulbehörde eine Aufnahme beantragen.
Kann ich auch anders helfen?
Die kantonale Ukraine-Anlaufstelle nimmt Angebote für Übersetzungsdienste, Unterstützung bei Behördengängen oder andere Hilfeleistungen bei der Integration der ukrainischen Flüchtlinge entgegen.
Was muss ich tun, wenn ich in Zürich unvermittelt auf hilfsbedürftige ukrainische Flüchtlinge treffe?
In der alten Militärkaserne beim Zürcher Hauptbahnhof bekommen die Flüchtlinge nebst der Unterstützung bei der Registrierung jegliche Hilfe, die sie benötigen – Informationen, Unterkunftsadressen, Soforthilfe wie Tickets, Kleider oder auch Bargeld. Dazu wird der Transport zu den Unterkünften sichergestellt.
Rund um die Uhr kann auch die SIP unter 044 412 72 72 kontaktiert werden, falls ukrainische Geflüchtete oder deren Angehörige unmittelbar nach der Ankunft in Zürich dringend Unterstützung brauchen.
Welche Spenden sind derzeit gefragt?
Auch wenn viele gerne mit Handfestem helfen möchten: Geldspenden sind weitaus sinnvoller als Sachspenden. Die Konfliktlage und die Bedürfnisse der ukrainischen Bevölkerung ändern sich derart rasant, dass gesammelte Spendenartikel bei der Ankunft bei den Betroffenen oft schon nicht mehr gebraucht werden. Viele Lagerhallen an den Grenzen sind übervoll mit derzeit nicht benötigten Hilfsgütern.
Organisationen, die sich in der Ukraine auskennen und vertrauenswürdig sind, sind auf der Zewo-Webseite aufgeführt. Vertrauenswürdig, aber ohne Zewo-Gütesiegel, ist zudem die Glückskette.
Was muss ich für den Umgang mit ukrainischen Geflüchteten noch wissen?
Sobald die Flüchtenden einen Schutzstatus S erhalten haben, werden sie auch in die obligatorische Krankenversicherung aufgenommen. Für die dabei anfallenden Kosten werden die Kantone vom Bund entschädigt.
Mit dem Ausweis S sollten Ukrainerinnen und Ukrainer bei der Postfinance – sie hat einen Grundversorgungsauftrag – auch ein Bankkonto eröffnen können.
Ukrainerinnen und Ukrainer sollen zudem schnell einer bezahlten Arbeit nachgehen können. Ob dazu eine Wartefrist notwendig ist, muss noch geklärt werden.
Ukrainerinnen und Ukrainer mit Schutzstatus S können zudem Sozialhilfe beziehen und einen Antrag auf Asyl stellen, sofern sie nachweisen können, dass sie in ihrem Heimatland politisch verfolgt werden. Aufgrund der Lage in der Ukraine hat das SEM derzeit aber die Bearbeitung aller hängigen Asylgesuche ukrainischer Staatsangehöriger sistiert.
Schutzstatus S erlaubt es Ukrainerinnen und Ukrainern zudem, sich frei im Schengen-Raum zu bewegen. Dazu soll das Bundesamt für Migration SEM ihnen unkompliziert Genehmigungen erteilen.
Haben Sie Anregungen oder Fragen? Schreiben Sie uns unter zuerich@tages-anzeiger.ch
Korrektur 14.3.2022, 13 Uhr: In einer früheren Version des Textes stand, Geflüchtete aus der Ukraine könnten sich mit Schutzstatus S kostenlos in den öffentlichen Verkehrsmitteln bewegen. Dies gilt aber nur für die Einreise bis zum Bestimmungsort und für die Durchreise.
Update 17.03.2022, 15.05 Uhr: Nach der Bekanntgabe des SEM, eine Online-Anmeldung für die Registrierung einzuführen, wurde die entsprechende Passage angepasst.
Update 5.04.2022, 17.30 Uhr: Nach der Pressekonferenz der Stadt Zürich über die aktuelle Situation in der Stadt Zürich, wurden die Passagen zu den Gastgeberinnen und Gastgebern angepasst.
Update, 5.04.2022, 21.45 Uhr: Die Passage mit den Kosten in den öffentlichen Verkehrsmitteln wurde an die neuesten Regelungen von Alliance SwissPass angepasst.
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