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Der Falke ist nun «ein Verräter»

Belastet den US-Präsidenten: John Bolton. Foto: Reuters
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Es ist nicht so, dass John Bolton (71) Schimpf und Schande nicht gewohnt wäre. Als «Kriegstreiber» wurde er in seiner Karriere schon oft bezeichnet, als «Brandstifter» sowieso, und die Pro­pagandaabteilung von Nordkorea bezeichnete ihn bevorzugt als «menschlichen Abschaum». Meistens ging es um Boltons politische Ansichten, manchmal auch um seinen, nun ja: exzentrischen Schnauzbart.

Es gibt auch keinen Hinweis darauf, dass Bolton sich jemals an all dem besonders gestört hätte, im Gegenteil. Dem Schnauzbart blieb er über die Jahre treu, die Beleidigungen aus dem Ausland sah er als Bestätigung, das Image des Militaristen pflegte er sorgfältig. In seinem früheren Büro in Washington lag eine entschärfte Handgranate. Jetzt aber kommen die Angriffe gegen Bolton aus einer neuen, ungewohnten Ecke: von rechts.

«Wenn ich auf John Bolton gehört hätte, wären wir jetzt im Sechsten Weltkrieg.»

Donald Trump

Wer in diesen Tagen die Berichterstattung des TV-Senders Fox News verfolgte, musste zu dem Schluss kommen: Es braucht in den Zeiten Donald Trumps nicht viel, um bei Amerikas ­Konservativen vom Helden zum Schurken zu werden. Im Fall von John Bolton reichte dazu ein Buch, genauer: die Ankündigung eines Buches.

Die «New York Times» schrieb am Sonntag, der frühere Sicherheitsberater be­stätige in einem Manuskript, dass Trump die Zahlung von Militärhilfe an die Ukraine von Ermittlungen gegen den Demokraten Joe Biden abhängig gemacht habe. Dass Bolton den US-Präsidenten also belaste, mitten im Impeachment-Verfahren. Nun ­reden sie bei Trumps Haussender über Bolton plötzlich in ganz ­anderen Tönen. Die vielen Ämter, die er unter vier republikanischen Präsidenten bekleidete: vergessen. Die elf Jahre, die er als Kommentator bei Fox News verbrachte: nichts mehr wert.

Heute ist Bolton bei den Moderatoren des Senders ein «Wendehals», ein «Verräter», ein «Handlanger der Linken» und ein «knurrender Liliputaner». Donald Trump selbst zog auf Twitter über den Berater her, den er im Frühling 2018 zum Vorsitzenden des Nationalen Sicherheitsrats berufen und vergangenen Herbst gefeuert hatte: «Wenn ich auf ihn gehört hätte, wären wir jetzt im Sechsten Weltkrieg.»

Die Frage nach dem Motiv

Auch gemässigtere Stimmen bei den Republikanern werfen Bolton wegen seines Buches Gier und Geltungssucht vor. Hinter den Angriffen steckt, natürlich, auch Kalkül: Noch besteht die Möglichkeit, dass Bolton im ­Impeachment-Prozess vor dem Senat aussagen wird. Also ver­suchen Trump und seine Verbündeten wenigstens, Boltons Motive infrage zu stellen. Worin diese wirklich bestehen, ist derzeit tatsächlich schleierhaft.

John Bolton, der als einer der Architekten des Irakkriegs 2003 gilt, fügt sich ein in eine lange Liste von Leuten, die in Trumps Umfeld drängten, eine Zeit lang zum innersten Kreis gehörten und sich dann nach einem Abgang im Streit gegen ihn wandten. Speziell ist im Fall Boltons eher, dass er überhaupt je die Nähe zu Trump gesucht hatte. Ginge es nach ihm, hätten die USA längst einen Präventivschlag gegen Nordkorea geführt und in Teheran das Regime gestürzt – das ist nicht das, was Trump vorschwebt.

Doch mit dem Präsidenten verband Bolton eben auch eine Weltsicht, welche die nationalen Interessen der USA in kruder Weise definiert: Verbündete, Allianzen und internationale Organisationen spielen darin keine grosse Rolle. Amerika, allein.

Das zeigte sich schon, als Bolton in der Regierung von George W. Bush tätig war, zuerst als ­Zuständiger für Rüstungskontrolle, wo er internationale Abkommen zu untergraben versuchte, dann als Botschafter bei den Vereinten Nationen, denen er vorwiegend Missachtung entgegenbrachte. Damals kam die Kritik an ihm noch von den gleichen Demokraten, die ihn nun als Kronzeugen für Trumps Schuld gewinnen wollen. Wenn sie heute über ihn reden, klingt da oft so etwas wie Respekt heraus. John Bolton wird wissen: Auch das kann sich schnell wieder ändern. Sehr schnell sogar.