Slowenen-Duell um Tour-SiegWie jagt man seinen Freund?
Mit Primoz Roglic und Tadej Pogacar prägen zwei Slowenen die Tour de France im Duett. Warum die Gemeinsamkeiten über die Nationalität hinausgehen.
Die beiden gibt es derzeit nur im Doppelpack. Tag für Tag rollen Primoz Roglic und Tadej Pogacar nebeneinander durch Frankreich. Tag für Tag treffen sie sich nach der Etappe hinter dem Podium: Der eine trägt das Gelbe Trikot des Gesamtführenden, der andere das Weisse des besten Jungprofis. Oft wird ein Scherz ausgetauscht, jedenfalls sieht man, wie sie lächeln – trotz Masken.
Es sind kurze Momente der Normalität zwischen den beiden. «Wir sind gute Freunde. Wenn wir zusammen trainieren, ist es immer lustig», sagt Pogacar. In Frankreich geht es aber ernster zu und her: «Wir fahren fast jeden Tag Vollgas. Rumblödeln ist da nicht.» Ausser eben in den kurzen gemeinsamen Momenten im Ziel.
Nicht die ersten starken Slowenen
Nach 15 von 21 Etappen scheint klar, dass nur noch einer der beiden Slowenen für den Gesamtsieg infrage kommt. Wenn Roglic oder Pogacar am Berg antreten, kann einzig der jeweils andere folgen.
Diese Ausgangslage ist aussergewöhnlich – Slowenien hat nur gerade zwei Millionen Einwohner. Doch bereits vor Roglic und Pogacar brachte das kleine Land starke Fahrer hervor: Simon Spilak ist in der Schweiz wohl bekannt, er gewann zweimal die Tour de Suisse (2015/17) und einmal die Tour de Romandie (2010). Janez Brajkovic gewann 2010 das Critérium du Dauphiné und wurde als kommende Grösse eingestuft. Tadej Valjavec war 2009 bis zum letzten Tag Leader der Tour de Suisse, ehe er noch von Fabian Cancellara abgefangen wurde.
Nur gibt es zu Brajkovic und Valjavec auch die andere Seite: Beide wurden in ihren Karrieren des Dopings überführt. Das gilt auch für Kristijan Koren und Borut Bozic: Sie sitzen derzeit Sperren ab, die beiden Radprofis waren in die Anfang 2019 bekannt gewordene Operation Aderlass involviert gewesen. Im Dopingnetzwerk des deutschen Arztes Mark Schmidt wurden zahlreiche Verbindungen nach Slowenien festgestellt. Direkte zu Roglic oder Pogacar aber nicht – es gilt die Unschuldsvermutung.
Für die beiden ist die Situation – die sportliche – nicht neu. Im August 2019 absolvierten sie an der Vuelta so etwas wie einen Testlauf für das Hoch, das sie nun an der Tour de France erleben. Schon da trug Roglic das Leadertrikot, Pogacar jenes des besten Nachwuchsfahrers.
Abgesehen von der Nationalität hat das Duo nur noch eine Gemeinsamkeit: der rasante Aufstieg in die Weltelite. Der Weg könnte aber nicht unterschiedlicher sein. Hier Pogacar, der sich in den Nachwuchskategorien als grosses Talent ankündigte, 2018 die Tour de l’Avenir für sich entschied, und dann 2019 mit 20 Jahren bei den Profis Rennen um Rennen gewann, als sei es das Normalste der Welt. Da Roglic, der zwar neun Jahre älter ist als Pogacar – und doch weniger Radsportjahre hinter sich hat. Erst nach einer halben Karriere als Skispringer stieg er 2011 aufs Velo um. Der Erfolg kam dann auch bei ihm sehr zügig. Fünf Jahre nach seinem Einstieg in den Radsport gewann er am Giro d’Italia ein schweres Zeitfahren. Weitere vier Jahre später ist er der souveräne Leader der Tour de France.
Pogacar ist der Mann mit dem unbändigen Offensivdrang, mit Mut für Attacken jeder Art. Roglic hat einen starken Kick auf der Zielgerade, holt sich seine Siege meist da. Er gilt zudem als starker Zeitfahrer, wobei er da in den nationalen Meisterschaften diesen Sommer bezwungen wurde – von Pogacar.
Der Tour-Sieg? «Das ist die Idee, ja.»
Ihre Verbundenheit bringt sie nun in eine spezielle Situation: Wie duelliert man sich mit einer Person, der man freundschaftlich verbunden ist? Pogacar hat es einfacher: Er ist der Herausforderer, 40 Sekunden liegt er nach seinem zweiten Etappensieg am Sonntag hinter Roglic. Zugleich strahlt er ein enormes Selbstvertrauen aus. Auf die Möglichkeit des Tour-Sieges angesprochen, sagt er ohne Zögern: «Das ist die Idee, ja.»
In Rundfahrten wird gerne gewerweisst, was wäre, wenn eine Etappe einen anderen Verlauf genommen hätte. Auch jetzt: Die Zeitdifferenz zwischen den beiden Slowenen kam auf der 7. Etappe zustande: Pogacar wurde im hektischen Finale mit Windstaffeln nach einem Defekt und schlechter Position im Feld abgehängt und verlor 1:21 Minuten. Die Hälfte machte er tags darauf wieder wett.
Mit der Vuelta 2019 im Kopf – er gewann in der Schlusswoche die Königsetappe – sagt er nun: «Es kann alles passieren: Mir kann es sehr gut laufen – oder ich kann explodieren.» Sein Vorteil ist: Er kann nur gewinnen. «Auch wenn ich im Trikot meines Teams statt einem Leadertrikot in Paris ankommen sollte, wäre es eine gute Tour gewesen», sagt der Debütant. Roglic dagegen ist fast schon verdammt, diese Tour zu gewinnen – nach dem Einbruch von Titelverteidiger Bernal erst recht. Wie beruhigt geht er mit den 40 Sekunden Reserve auf Pogacar in die Schlusswoche? «Ein Vorsprung ist besser, als wenn du aufholen musst», sagt er nüchtern.
Spätestens in Paris wird die slowenische Schicksalsgemeinschaft getrennt werden. Erster slowenischer Tour-Sieger kann nur einer werden, vom Zweiten wird danach kaum mehr die Rede sein.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Fehler gefunden?Jetzt melden.