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Sonderfall Oberrieden
Wie es sich in einer überalterten Gemeinde lebt

70 Prozent der Haushalte in Oberrieden bestehen aus einer oder zwei Personen.

Keine Gemeinde im ganzen Kanton weist einen so hohen Anteil an über 65-Jährigen auf wie Oberrieden. Nicht einmal die Zahlen an der Goldküste, wo bekanntlich viele ältere Menschen leben, können es mit denen in Oberrieden aufnehmen. Rund 25 Prozent der Bevölkerung sind hier 65 oder älter. Auf kantonaler Ebene waren es im vergangenen Jahr 17 Prozent und auf nationaler rund 19 Prozent.

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Im Wirtschaftskanton Zürich erstaunt eine Bevölkerungsstruktur, wie sie Oberrieden aufweist. Arbeitsplätze gibt es hier schliesslich viele. Woran liegt es also, dass Oberrieden so überaltert ist, und wie lebt es sich in dieser Gemeinde? Ein Spaziergang durchs Dorf zeigt, wie Bewohnerinnen und Bewohner verschiedener Generationen diese Fragen beantworten:

Die junge Familie

Auf dem roten Platz beim Primarschulhaus Pünt spielt eine Mutter mit ihren Kindern. Sie sei vor kurzem mit der Familie aus Thalwil nach Oberrieden gezogen, erzählt die Frau. Wie viele andere, die im Laufe des Nachmittags anzutreffen sind, möchte sie nur anonym Auskunft geben.

Vier Jahre lang habe sie im Internet täglich die Immobilieninserate überprüft. Eine Wohnung irgendwo am linken Seeufer sollte es sein. Diese sind bekanntlich schwer zu kriegen – und gerade als junge Familie schwer zu bezahlen. Irgendwann wurde sie im Umkreis der Primarschule doch noch fündig. «Hier leben einige Familien mit kleinen Kindern», sagt die Frau.

Ihr sei aber rasch aufgefallen, wie ruhig es in Oberrieden zu- und hergehe. «Ein richtiges Dorf eben.» Auf dem Gemeindehausplatz sei sie sogar einmal angesprochen worden, ob sie hier neu sei. Jeder kennt jeden.

Die junge Erwachsene

Etwas mehr Anonymität hätte sich die junge Frau gewünscht, die vom Sekundarschulhaus kommend einer Quartierstrasse entlanggeht und eine Zigarette raucht. Die 20-Jährige ist vor kurzem aus dem Elternhaus in Oberrieden ausgezogen. Nach Zürich, in die Stadt, wo man nicht einmal seine Nachbarn kennt. Auch viele ihrer alten Klassenkameraden hätten das Dorf verlassen.

Als Jugendliche sei man hier überall angeeckt, erzählt sie. «Nirgends kann man chillen, ohne dass gleich die Polizei gerufen wird.» Also habe man die Abende an den Wochenenden jeweils in Wädenswil oder Horgen verbracht. Und der Jugendtreff in Oberrieden? «Nie da gewesen.»

Der Vermieter

Der Spaziergang führt aus dem Dorfkern hinunter an den See. An der Seestrasse 1 steht das Haus von Andreas Keller. Im Haus seiner Grossmutter, die dem alten Oberriedner Geschlecht Leuthold entstammte, wohnt er seit 2009 und betreibt eine Praxis für Physiotherapie sowie Kraniosakral- und Baby-Osteopathie.

Keller vermietet die Wohnungen in seinem Haus bewusst unter dem marktüblichen Mietzins.

Die zwei weiteren Wohnungen im Gebäude vermietet er an eine junge Familie und eine junge Frau, für 750 Franken pro Zimmer. Die 2,5-Zimmer-Wohnung unter dem Dach kostet also 1900 Franken im Monat. Damit liege er unter dem marktüblichen Mietzins von 1000 Franken pro Zimmer mit Seeanstoss, sagt er.

Die Alteingesessenen

Das alte Ehepaar, das an diesem Mittwochnachmittag vor der fast leeren Badi am See sitzt und die Ruhe geniesst, lebt mit den beiden Söhnen seit mehr als 50 Jahren in Oberrieden. Diese werden das Elternhaus dereinst übernehmen – ebenfalls ein Grund für die Überalterung in der Gemeinde. Hauseigentümer bleiben bis ins Alter in ihren Liegenschaften und vererben diese dann ihren Nachkommen, die oft selber schon pensioniert sind.

Die Überalterung ihres Dorfs störe sie nicht, sagt der Mann. «Wieso sollte die uns stören, wir gehören ja zu den Ältesten.» Ein Dilemma, denn: Um etwas gegen die Überalterung des Dorfes zu unternehmen und es lebendiger zu gestalten, müssten gerade auch die Älteren mitziehen, die zahlenmässig stark ins Gewicht fallen.

Überaltert, aber weshalb?

Den in Oberrieden wohnhaften 75-jährigen Stadtplaner Peter Schneider beschäftigt die Demografie in der Gemeinde seit Jahren. Lebensqualität habe schliesslich auch mit lebendigen Quartieren und Begegnungen mit Menschen auf der Strasse zu tun. Das Hauptproblem ortet er in der Kommunikation: «Für die Weiterentwicklung der Quartiere braucht es eine offene Diskussion.» Ein Mitwirkungsverfahren könne aufzeigen, wo Innenverdichtung möglich sei und welcher Mehrwert dadurch entstehen könne.

Peter Schneider lebte zehn Jahre lang in Wien, wo er die U-Bahn und die Donauinsel mitplante.

Schneider sagt, dass das Alter der Bewohnerinnen und Bewohner ein Faktor sei, der die Lebendigkeit von Quartieren beeinflusse. Auch die Preise für Wohnraum, die Herkunft der Bevölkerung und die Haushaltsgrösse seien entscheidend. «70 Prozent der Haushalte in Oberrieden bestehen aus einer oder zwei Personen», sagt er. Es müsse deshalb diskutiert werden, wie langfristig Wohnraum für Familien geschaffen werden könne.

«Können Einwohner nicht wählen»

Auf die Überalterung von Oberrieden angesprochen, sagt Gemeindepräsident Martin Arnold (SVP): «Die Gemeinde kann die Einwohnerinnen und Einwohner ja nicht auswählen.» Für die Vorschläge von Stadtplaner Schneider sei der Gemeinderat grundsätzlich offen. «Aber hier wäre auch Eigeninitiative gefragt.» Eine Diskussion müsse nicht zwingend über die Gemeinde laufen.

Gemeindepräsident Martin Arnold findet, es müsse nicht jede Diskussion von der Gemeinde angestossen werden.

Schneider sagt derweil, er sei zu alt, um sich nochmals für Oberrieden ins Zeug zu legen. «Eine Gruppe junger Leute müsste das Problem an die Hand nehmen und die Debatte lancieren», sagt er.

Kein Einfluss auf Preise

Auf die Preisgestaltung privater Immobilienbesitzer habe die Gemeinde keinen Einfluss, sagt Gemeindepräsident Arnold. In Oberrieden sei die Eigentümerschaft sehr durchmischt, und es gebe keine grossen Überbauungen, die nur einem Eigentümer gehörten.

Die Entwicklung im Immobilienmarkt könnte die Gemeinde nur beeinflussen, wenn sie eine aktive Immobilienpolitik verfolgen würde. «Das ist aber nicht frei von Risiken und würde die Gemeindefinanzen belasten, was vielen Bewohnerinnen und Bewohnern nicht gefiele.» Nicht zu vergessen sei zudem, dass die hohen Immobilienpreise gute Steuerzahler anziehen, sagt Arnold.

Ausserdem werde verkannt, dass es auch in Oberrieden günstigen Wohnraum gebe. «Aber das sind dann bestehende Gebäude, die natürlich nicht allen Erwartungen entsprechen können.»

Ausweg Innenverdichtung?

Es bleibt die Option der Innenverdichtung, die mit den Bauprojekten Büelhalden und Winkelhalden angestossen wurde (siehe Box). Ob das Wachstum gegen innen weitergehen kann und auf diese Weise mehr Wohnraum entsteht, der vielleicht auch für junge Familien bezahlbar ist, darüber befindet die Bevölkerung bei der Revision der Bau- und Zonenordnung.

Serie – Wie alt die Schweiz ist: Verschiedene Tamedia-Lokalredaktionen haben die Altersstruktur der Schweizer Gemeinden analysiert und die Geschichten dahinter aufgespürt. Weil unser Verlag zweisprachig ist, sind die Texte teils deutsch, teils französisch. Dieser Text stammt aus der «Zürichsee Zeitung», alle weiteren finden Sie hier: Wir sagen Ihnen, ob Ihre Gemeinde jung oder alt ist